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    Kapitel 113: Sonntag, 6 Uhr 38 Steilküste

     

    Thomas stockte der Atem, als sich die Ereignisse überschlugen. In den nächsten Augenblicken reagierte er praktisch nur noch instinktiv, angetrieben von einer unglaublichen Panik und einer großen Entschlossenheit.

    Vor sich sah er am Rande der Klippen, wie Abdullah auf dem Körper seiner Frau lag, die ihn hysterisch anschrie und mit ihren Fäusten immer wieder auf ihn einschlug. Doch ihr Mann schien dies nicht zu spüren, nahm die Schläge hin und wirkte wie gelähmt, da er selbst auch nicht eingriff. Er hockte viel mehr starr und fassungslos auf der Frau, die er einst geliebt hatte und in der er sich so lange getäuscht hatte. Er starrte ihr ins Gesicht, seine Lippen bebten und er wirkte nur noch unendlich müde. Sein Griff, mit dem er die Handgelenke der Kanadierin umklammert hielt, lockerte sich, die Kanadierin verschaffte sich mit wüsten Bewegungen wieder mehr Freiraum.

    Die Passivität des Mannes war sein großer Fehler. Im Gegensatz zu ihm war seine Frau nämlich sehr aktiv und dachte nicht an eine Aufgabe und sie kannte auch kein Mitgefühl oder Skrupel. Mit einem gewaltigen Tritt zwischen die Beine verschaffte sie sich Luft, schnellte hoch und riss dabei beide Fäuste erbarmungslos hoch.

    Die beiden Treffer nahm Abdullah nicht mehr so träge hin, stöhnte gequält auf, taumelte blind von seiner Frau zurück, näherte sich dabei plötzlich stolpernd dem Rand der steilen Klippen. Er hielt sich ächzend die Magengrube, verharrte leicht geduckt und um Atem ringend und hielt sich nur mit größter Mühe auf den Beinen.

    Dann richtete er seinen Blick noch ein letztes Mal auf, schaute der wütenden Kanadierin tief in die Augen. Marilou Gauthier verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse puren Hasses und zögerte nicht mehr länger.

    Die Kanadierin stürzte auf ihren Gatten zu, der nicht mehr ausweichen konnte und auch zu müde, zu niedergeschlagen und zu verzweifelt war, um sich überhaupt noch zu rühren. Seine Thomas gegenüber dargestellte Entschlossenheit war beim Anblick seiner Gattin wirkungslos verpufft.

    Marilou Gauthier stieß beide Arme wuchtig nach vorne und drückte sie mit voller Wucht gegen die Schultern des geduckt stehenden Mannes, der aus dem Gleichgewicht geriet, einen Schritt nach hinten taumelte, mit den Armen ruderte und einen weiteren Schritt zurückgehen wollte. Doch da befand sich kein Boden mehr, sondern nur noch eine tiefe, raue Klippe, unterbrochen von mehreren Vorsprüngen und Einbuchtungen.

    Das fassungslose Entsetzen war in das Gesicht Abdullah Gaduas gemeißelt, als er in Rücklage geriet und beinahe theatralisch mit ausgestreckten Armen in das Nichts fiel. Er öffnete den Mund und wollte seiner Gattin noch irgendetwas sagen, doch es hatte ihm vor Schreck die Sprache verschlagen. Er wog seinen Kopf im Fallen noch einmal zur Seite, blickte in Richtung des schottischen Polizisten, dem dieser Anblick durch Mark und Bein ging, bevor der fallende Körper aus dem Blickfeld des Polizisten entschwand und nur Sekunden später mit tödlicher Brutalität an einem Vorsprung in der nasskalten Tiefe zertrümmerte. Nicht einmal ein Schrei war aus der Kehle des Sterbenden gedrungen.

    Marilou Gauthier blickte dem fallenden Körper gar nicht mehr nach, es gab keinerlei Anteilnahme am Tod ihres Mannes, sondern nur der Gedanke daran, den grausamen Plan entgültig zu vollenden.

    Thomas war mitten in seinem Lauf wie zu einer Salzsäure erstarrt und nahm den letzten Mord wie eine ferne Filmsequenz wahr. Er wirkte leer und anteilnahmslos und doch rührte er sich nicht vom Fleck. Wie durch ein Wunder war Thomas bislang von seiner Gegnerin noch nicht erspäht worden. Denn diese wollte sich nur noch um ihr vermeintlich letztes Opfer kümmern.

    Die Kanadierin fuhr herum und blickte auf die halb bewusstlose Brasilianerin, die sich im Rücken der Furie herangekrochen hatte, aber nicht mehr hatte eingreifen können, um einen weiteren Mord zu verhindern. Elaine hatte Thomas ebenfalls noch nicht bemerkt und die beiden Frauen mussten sich für die letzten Überlebenden auf der Todesinsel halten.

    Marilou Gauthier schlug der knienden Elaine Maria da Silva mit der offenen Hand ins Gesicht. Der Schall der Ohrfeige wurde sogar durch den tosende Wind und den Lärm des ewigen Anrennens der Wellen gegen die Steilküste bis zu Thomas getragen, der sich jetzt wieder geduckt Schritt um Schritt herankämpfte und endlich den höchsten Punkt des Vorsprungs erreicht hatte. Ab hier musste er die notdürftige Deckung durch kleinere Felsen und hohes Schilf entgültig wieder verlassen.

    Elaine Maria da Silva war bitterlich schluchzend zu Boden gegangen, klammerte sich krampfhaft zuckend an das raue Gestein und kärgliche Gras, während die Kanadierin triumphierend hinter ihr stand und diabolisch lachte.

    „Es ist vorbei, Schätzchen. Es wird Zeit meine Tat zu vollenden. Du bist mein finales Opfer!“, kündigte sie laut an, um ihr Opfer weiterhin zu unterdrücken und wähnte ihren kommenden Triumph.

    Da sprang Thomas Jason Smith mit voller Kraft in ihren Rücken, katapultierte die Kanadierin mit einem derben Stoß in das Rückgrat über die liegende Brasilianerin hinweg, sodass die Kanadierin stolperte und einige Meter entfernt zu Boden ging.

    Wie ein Derwisch umkurvte der leicht torkelnde schottische Polizist den Körper seiner Partnerin, die ihn wie ein Gespenst anblickte und mit offenem Mund den Kopf schüttelte, um seinen Namen zu hauchen.

    Thomas hätte gerne Lust gehabt seiner Partnerin aufzuhelfen, mit ihr zu reden, mit ihr zu fliehen, doch er musste sich zunächst der Kanadierin stellen. Mit wilder Entschlossenheit ließ er den Krummdolch von einer Seite zur anderen schwingen, trat dabei immer näher auf die entsetzte Marilou Gauthier zu, die rückwärts auf dem Boden krabbelte, um aus dem Aktionsradius des wütenden Schotten zu kommen, der rasend schnell reagiert hatte. Marilou blickte ihn an wie einen Geist, blinzelte verstört mit den Augen und lachte dann dreckig.

    Mit einem gewaltigen Schrei ließ Thomas seinen unverletzten Arm mit dem erbeuteten Dolch in die Tiefe fahren und traf doch nur das Gestein, da die Kanadierin sich mit einer Hechtrolle in Sicherheit gebracht hatte, dabei jedoch immer näher an den Rand der Klippen geriet und plötzlich in einer Sackgasse gefangen war. Es gab für sie kein Entkommen mehr, nur noch den direkten Kampf mit ihrem unerwarteten Herausforderer.

    Giftig und mit höhnischem Stolz blickte sie dem Schotten entgegen, selbst im Angesicht des Todes ließ sie ihren Fanatismus nicht fallen und ignorierte die sicheren Vorzeichen der Niederlage. Sie schmetterte dem jungen Mann, der in den letzten Tagen so viel durchlitten hatte, ein aggressives Lachen entgegen.

    „Komm doch her, du nichtsnutziger Feigling! Komm, Bulle, stich eine unbewaffnete und hilflose Frau ab! Ihr bringt das doch ohnehin nicht übers Herz, ihr mit eurem verdammten moralischen Bewusstsein. Ihr seid nichts als Marionetten eines verkommenen Staates, realitätsferne Verlierer, die viel reden und philosophieren, aber niemals Taten folgen lassen. Ich kenne euch, ihr seid allesamt gleich und falsch!“, schrie die Kanadierin ihm demütigend entgegen, doch Thomas Lippen waren nur ein dünner Strich, sein Gesicht eine starre Maske.

    Erbarmungslos trat er näher und näher an die Person heran, die sein Leben fast bis zur letzten Konsequenz zur Hölle gemacht hatte und blieb erst wenige Schritte vor ihr breitbeinig stehen. Der heftige Wind wehte durch seine Haare, der Regen peitschte ihm ins Gesicht, doch der Polizist stand wie der berühmte Fels in der Brandung.

    „Eine Sache möchte ich wissen. Wie hast du Bastard meine Kugel überlebt?“, fluchte Marilou ihrem Widersacher fragend entgegen.

    Thomas stand starr, blickte die Mörderin emotionslos an und antwortete nicht. Er sah die wachsende Ungeduld, die Wut, die Machtlosigkeit in den nervösen Bewegungen der Kanadierin mit erbarmungsloser Genugtuung.

    Langsam griff er mit der freien Hand des verletzten Armes in die Innentasche seines Hemdes, das völlig durchnässt und zerfetzt war und förderte die lädierte Bibel zu Tage, in der das rußige Loch der Pistolenkugel klaffte.

    Mit offenem Mund und ungläubigem Staunen blickte das Sektenmitglied auf das Buch Gottes. Thomas warf der Kanadierin mit einer entgültig wirkenden Bewegung das Buch vor die Füße und führte den Krummdolch mit einer raschen Bewegung ganz in die Nähe der Kehle seiner Gegnerin, die ihn grimmig, aber ohne Angst anblickte.

    „Bete!“, forderte Thomas die Kanadierin trocken und kalt auf und wich um keinen Zentimeter, während Marilou Gauthier voller Abscheu die Bibel betrachtete, deren Blätter durch den enormen Wind von einer Seite zur anderen geblättert wurden.

    „Niemals!“, gab die Kanadierin gepresst zurück und spuckte auf das alte Buch.

    In dem Moment fuhr die Klinge des Krummdolches erbarmungslos auf die Kanadierin nieder und traf sie schmerzhaft und tief im linken Oberarm. Dann trat Thomas rasch einen Schritt zur Seite, trieb seine Widersacherin weiter in die Enge. Er wollte endlich den Spieß umdrehen, aus der Täterin ein Opfer machen und sie leiden sehen.

    Noch unterdrückte die Kanadierin ihre Schmerzen, blickte ncht einmal auf ihre blutende Wunde und zuckte mit keinem Muskel ihres Gesichtes. Ihr Blick war kalt und starr auf Thomas fixiert. Aber dieser ließ sich nicht mehr verunsichern.

    Mit einer kraftvollen Bewegungen trat Thomas gegen die Bibel und schob diese somit näher an die Kanadierin heran, die auch weiterhin ohne einen Laut der Klage ihren lädierten Arm hielt, aus dem das frische Blut quoll und ihren Ärmel benetzte. Grimmig starrte sie jetzt auf die Bibel und tobte innerlich vor unbändiger Wut.

    „Bete!“, forderte Thomas sie erneut auf.

    Nun wandte die Kanadierin ihren Kopf zur Seite, blickte Thomas düster in die Augen, was dieser gefühllos und ruhig hinnahm, auch dann noch, als die Kanadierin ihm ins Gesicht spuckte und teuflisch lachte.

    „Niemals!“, schrie sie fast hysterisch und noch in ihren Schrei folgte der nächsten Streich des Krummdolches, der dieses Mal voller Wucht in ihren rechten Oberschenkel gerammt und mit ebensolcher Brutalität wieder aus dem Fleisch herausgezogen wurde.

    Die Augen der Kanadierin weiteten sich vor Schmerz, ihr Gesicht verzerrte sich und sie kroch hilflos ein weiteres Stück von Thomas weg. Aus ihrem Oberschnekel quoll ebenfalls das Blut und Thomas hatte jegliche Gefühle oder Skrupel längst ausgeschaltet. Er wollte blutige Rache nehmen für das, was man ihm angetan hatte.

    „Bete!“, forderte er die Kanadierin erneut im gleichen Tonfall auf und musterte sie kalt.

    Marilou Gauthier stöhnte vor Schmerz, Tränen rannen ungewollt über ihr Gesicht und mit bebenden Lippen und zusammengekniffenen Augen gab sie Antwort auf die harsche Aufforderung, denn sie wollte keine Schwäche zeigen.

    „Niemals! Niemals!“, schrie sie heiser und dieses Mal traf sie der Krummdolch oberhalb der rechten Brust, durchfetzte ihre Kleidung und traf ihr Fleisch.

    Dieses Mal konnte die Kanadierin den Schmerzensschrei nicht mehr unterdrücken, während Thomas wieder näher zu ihr trat, seinen Fuß anhob und der Kanadierin mit der Fußspitze erniedrigend, aber leicht gegen das Kinn trat.

    Kalt nickte er zur Bibel hin und lächelte Marilou mit scheußlicher und sadistischer Brutalität in die Augen. Fast mechanisch wiederholte er seine bisherige Aufforderung.

    „Bete und stirb! Auf dass Gott dir vergeben möge, denn ich kann es nicht!“, hauchte er ihr nur noch zu.

    Gepeinigt vor Schmerz und Unterdrückung raffte sich Marilou Gauthier plötzlich mit allerletzter Kraft auf, sprang schreiend auf die Beine und torkelte mit erhobenen Fäusten auf den Mann zu, der sie nun wieder so sehr leiden ließ.

    Sie hätte ihr Ziel vielleicht sogar erreicht, doch zwischen ihr und dem schottischen Polizisten befand sich die scharfe Klinge des Krummdolches, in die sie mitten hineinrannte, verduzt stehen blieb, in die Tiefe blickte und mit beiden Händen dann krampfhaft die Klinge umklammerte.

    Blut quoll aus der Wund an ihrem Bauch, rann an der Unterseite der Klinge entlang und tropfte dann auf das graue Gestein zu ihren Füßen. Die Innenseiten ihrer Handflächen waren aufgerissen, reflexartig hielt sie die Klinge weiterhin umklammert, das Blut, das über ihre Hände und die Klinge lief, ignorierte sie dabei wortlos.

    Mit einem irren Lachen torkelte sie einen Schritt nach hinten, als sich Thomas, der in sich lediglich ein glühendes Gefühl der Macht und der Euphorie spürte, nach vorne beugte und dem Krummdolch einen letzten Stoß gab, bevor er den Griff abrupt losließ.

    Die Kanadierin, deren Haare durch ihr Gesicht flatterten und ihre vor Wahnsinn glänzenden Augen verdeckten, taumelte noch einen Schritt nach hinten, bevor Thomas das Geräusch eines bröckelnden Steins hörte und sah wie die Kanadierin mit offenem Mund in Zeitlupentempo nach hinten wegkippte, als ob sie noch von unsichtbaren Fäden eines grausamen Puppenspielers gehalten werden würde.

    Dann endlich verlor sie das Gleichgewicht und kippte über die Klippe hinweg in das Nichts, den Krummdolch dabei weiterhin zitternd und klammernd festhaltend. Ein letztes wahnsinniges Lachen erklang aus ihrem weit geöffneten Mund, das noch lange nachklang, nachdem ihr Körper aus dem Sichtfeld des Schotten entschwunden war und die Kanadierin dem Schicksal ihres Mannes folgte. Nie wieder würde Thomas Jason Smith dieses wahnsinnige letzte Lachen vergessen, es würde ihn ein Leben lang wie ein Gruß aus der Hölle in seinen Alpträumen begleiten.

    Es war vorbei. Minutenlang stand Thomas bewegungslos auf dem Fleck, starrte nur auf die rauen Klippen, den aufklärenden Horizont, wo er den blutroten Schein einer aufgehenden Sonne sah, die auch ihn bald blendete und seit Tagen erstmals durch die dichten Wolken brach.

    Durchnässt und regungslos verharrte er, während tausend wirre Gedanken durch seinen Kopf schwirrten, als ob er nicht mehr er selbst sei und den Verstand verloren hätte.

    Irgendwann hatte sich seine Partnerin aufgerichtet, er spürte ihren warmen Atem in seinem Nacken, als sie ihre Hand auf seine Schulter legte, sich an ihn schmiegte und bitterlich weinte. Und irgendwann hob Thomas seine Hand und strich durch das seidige schwarze Haar seiner Freundin, die ihn schluchzend anblickte.

    „Wir haben es geschafft.“, hauchte sie atemlos und ergriff die Hand ihres Liebhabers, der zum ersten Mal seit langer Zeit wieder befreit lächelte.

    Fassungslos schüttelte die Brasilianerin ihren hübschen Kopf und lachte glockenhell in einer Mischung aus purer Freude und Ironie in Anbetracht der letzten Tage. Der Schotte blühte geradezu wieder auf, als er die körperliche Nähe seiner neuen Lebenspartnerin spürte. Dieses Gefühl dr Zuneigung war wirkungsvoller, als jede andere Medizin.

    Es hatte aufgehört zu regnen und auch das dumpfe Grollen und die aufleuchtenden Blitze waren von der Todesinsel fortgezogen. Es kehrte eine vorsichtige Ruhe ein und Thomas glaubte sogar von irgendwo aus dem Dickicht das Zirpen eines Vogels zu hören. Er atmete tief durch und genoss die drückende, aber doch seltsam klar erscheinende Luft. Erst jetzt bemerkte er, wie er zitterte und unter welcher enormen Anspannung er gestanden hatte. Seine Gedanken wurden immer klarer, er wurde wieder er selbst und hatte doch noch Probleme zu realisieren, dass er gewonnen hatte, endlich einmal in seinem Leben als Sieger den Platz verließ. Ein zaghaftes Lächeln huschte über seine rauen und aufgeplatzten Lippen, während sein Haar wild durch sein Gesicht wehte, als er dieses neue Glück und die neue Freiheit still betend genoss.

    „Es ist vorbei.“, stimmte er der Brasilianerin nach Sekunden des Schweigens zu und blickte starr hinaus bis zum blutroten Horizont.

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    Kapitel 114: Sonntag, 8 Uhr 30 Osario Island


    Irgendwann kehrten Thomas Jason Smith und Elaine Maria da Silva Arm in Arm durch das nebelige, vor Dunst dampfende Dickicht zurück zum unheimlichen und menschenleeren Schloss. Dort harrten sie aus, wuschen sich und genossen ihre neue Freiheit und die Nähe der jeweils anderen Person. Beide versprachen sich gegenüber treu zu bleiben und im Norden Schottlands ein neues Leben zu beginnen, Thomas wollte sich fortbilden, um Hauptkommissar zu werden, Elaine Maria da Silva versprach ihre Tätigkeit als Autorin aufzugeben, nach den Dingen, die sie nun am eigenen Leibe erfahren hatte. Sie träumte davon Modedesignerin zu werden und ihre eigene, ganz spezielle Kollektion zu entwerfen.

    An die tote Serienmörderin an den Klippen dachten sie nicht mehr. Sie hatten es nicht gewagt dort noch einen Blick in die Tiefe zu werfen. Sie waren von dem Anblick der zahlreichen Toten müde geworden und konzentrierten sich ganz auf sich selbst und fühlten sich dabei befreit.

    Zwei Stunden später trafen de Hubschrauber des Sonderkommandos viel zu spät ein und flogen auf das Schlossgebäude zu, wo Thomas und Elaine mit beschwichtigend erhobenen Händen den Leiter der Mission im offenstehenden Eingangsportal empfingen und ihm den Vorfall erklärten. Der Mann war zunächst recht misstrauisch, schien den beiden nicht zu glauben und fragte stattdessen immer wieder nach Mamadou, bis Thomas sich entschloss dem Sonderkommando den Aufbewahrungsort der zahlreichen Leichen zu zeigen.

    Selbst in den Gesichtern dieser hartgesottenen Männer zeichnete sich das blanke Entsetzen ab, als sie die gesamten Hintergründe erfuhren, die Leichen sahen und bargen, die geheimen Schlupflöcher der Serienmörderin erkundschafteten und im Verlauf des frühen Nachmittags auch die Klippen inspizierten, wo das große Finale stattgefunden hatte.

    Es folgte die Aufnahme eines langwierigen Protokolls und lange Gespräche mit einem Psychologen, der die Sondereinheit begleitet hatte und sich in den nächsten Tagen und Wochen in einer Art Kur ganz speziell um die beiden einzigen Überlebenden kümmern wollte.

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    Kapitel 115: Sonntag, 13 Uhr 30 Hubschrauber

     

    Erst am frühen Nachmittag stiegen die beiden Überlebenden in einen der drei Hubschrauber und hoben endlich von der Todesinsel ab. Der Pilot drehte noch eine Schleife über die Insel. Gebannt und stumm starrten Elaine Maria da Silva und Thomas Jason Smith Arm in Arm auf das düstere, altertümliche Schloss der Sippschaft Osario, das für so viele Menschen zum tödlichen Grab geworden war. Tränen rannen über die Wangen der Brasilianerin, während Thomas schaudernd die letzten Tage Revue passieren ließ und in einer kurzzeitigen letzten Depression versank. Er fragte sich, ob er sich von diesem Schock, diesen Erlebnissen je wieder erholen würde und diese Angst und Bedrückung drohte ihn innerlich aufzufressen.

    Da ergriff seine Partnerin seine Hand und hauchte ihm einen sanften Kuss auf die Wange, während sie durch das Cockpit auf das näher kommende Festland blickte und auch das Motel bemerkte, in dem alles begonnen hatte und die beiden Verliebten sich seit Jahren zum ersten Mal wiedergesehen hatten, nicht ahnend, dass das Schicksal sie so eng miteinander verschweißen würde. Thomas warf einen allerletzten, geradezu melancholischen Blick zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Die Todesinsel war bereits im Dunst des Meeres nicht mehr zu sehen, fast so, als ob es sie nie gegeben hätte und alles nur ein böser Alptraum gewesen wäre.

    „Es wird ein harter Kampf, aber gemeinsam werden wir überwinden, was passiert ist. Die Zukunft gehört uns.“, flüsterte die Brasilianerin dem Schotten aufrecht und mit strahlendem Lächeln zu, als ob sie die trüben Gedanken ihres Partners erraten hätte, der sie erst zweifelnd ansah und dann auch zaghaft lächeln musste und sich von dem zuvor nie gekannten Optimismus der Brasilianerin gerne anstecken ließ.

    Gemeinsam blickten sie nach vorn auf die gemütlichen Dörfer der schottischen Küste und das raue Land. Sie kamen sich vor, als wären sie in einer nie gekannten und völlig neuen Welt. Im Vergleich zur Hölle der Todesinsel empfanden sie das karge Land als Paradies.

    Die Ereignisse auf der Todesinsel hatten sie beide tiefgreifend und auf ewig verändert. Doch trotz all der grausamen Erlebnisse war als Triumph des Sieges des Guten über das Böse eine neue und hoffnungsvolle Liebe geschaffen worden, die in der Zeit nach der Todesinsel wie eine zierliche wachsende Pflanze im jungen Sonnenlicht der Hoffnung langsam zu ihrer vollen Entfaltung kam.

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