• Gerd der Große (2008/2009) - Teil 2/4 - Erster Akt

    Erster Akt

     

    Man zählt das Jahr zweitausendundsieben, als am frühen Dezembermorgen der Kurier und Sportlehrer des reputierten Gymnasiums, welches in diesem Stück den Schauplatz darstellt, Georg Kausemann mit letzter Kraft dem Eingang der verbarrikadierten Schule entgegenstolpert. In der Hand hält er eine Schriftrolle und eine lädierte Videokassette, er stolpert auf den Treppen, richtet sich auf, schaut suchend umher und schwitzt aus allen Poren des Körpers. Er ist beinahe schon am Eingang und erreicht endlich eine der Eingangstüren, die ihm vom Hausmeister geöffnet wird, der ihn mit kaltem und unbeteiligtem Blick anstarrt.

     

    JAROSCH (nach langem Schweigen): Was ist?

    KAUSEMANN (außer Atem): Nein, ich beantworte jetzt keine Fragen!

    JAROSCH (nach langem Schweigen): Na gut. Dann eben nicht!

     

    Der Hausmeister schlägt die Tür abrupt zu und entfernt sich, Herr Kausemann klopft noch gegen die Scheibe, doch er erhält keine Reaktion. Er entschließt sich in seiner Verzweiflung den anderen Weg über den Hintereingang ins Lehrerzimmer zu nehmen. Dort trifft er nahe der Sporthalle auf einer großen Wiese auf den Militärgeneral Künstler, der eine Horde von Fünftklässlern trainiert.

     

    KÜNSTLER: Hey, du Super-Null da hinten, beweg deinen hässlichen Arsch hierher. Und du dahinten, Schätzchen, das ist kein Kaffeekränzchen hier! Starten!

    KAUSEMANN: Herr General, ich wollte nur wissen...

    KÜNSTLER: Schnauze halten, du Null. Niemand quatscht, wenn ich etwas sage.

    KAUSEMANN (entsetzt): Sieben Tage bin ich gelaufen...

    KÜNSTLER (ihn nicht beachtend): Du Idiot dahinten, mach nicht solche impotenten Quietschgeräusche. Setz deinen Arsch in Bewegung und mach zehn Liegestützen!

    KAUSEMANN: Siebenhundert Filmrollen...

    KÜNSTLER: Gebt Gas ihr Vollpfosten. Jetzt noch zehn Minuten und wir kommen zum gemütlichen Teil der Stunde.

    KAUSEMANN: Und endlich habe ich die richtige gefunden.

    KÜNSTLER: Hört mal, Leute, da muss mehr kommen! Ham’wa notiert? Ham’wa verstanden?

    KAUSEMANN: Jetzt muss ich dringend zum Herrn Direktor, aber vorne ist alles verschlossen. Kannst du mir bitte den Schlüssel geben!

    KÜNSTLER: Du Null da hinten, hör auf mit den Damen zu flirten! A wie albern oder was? Mensch, du bist aber nicht gerade einer von der Expertengruppe. Weiter machen!

    KAUSEMANN: Leute...

    KÜNSTLER: Hör mal, Georg, steh hier nicht zur Zierde und mach dich vom Acker! Hier hast du die Schlüssel und damit kommst du durch den Hintereingang. Aber in zwei Minuten will ich die wieder haben... ach ja, bring mir noch einen Kaffee mit.

    KAUSEMANN: Kein Problem, Peter.

    KÜNSTLER: Für dich bin ich immer noch General Künstler. Und jetzt Abmarsch.

     

    Kausemann durchquert den Schulhof und findet sich am Hintereingang der Schule wieder. Kaputte Teller, alte Tüten und vergammelte Pommes zieren die Kulisse. Herr Kausemann öffnet die Hintertür und eilt zum Lehrerzimmer, welches er verschlossen vorfindet. Sein Schlüssel passt jedoch nicht und so wendet er sich hilfesuchend der nächstbesten Klasse zu und betritt durch die offene Tür den Musikraum des Hofkapellmeisters und militärischen Dirigenten Wolfgang Georg.

     

    GEORG (zur Klasse): Gebt mir das hohe C!

    KAUSEMANN: Entschuldigung, Wolfgang, ich muss dich...

    GEORG: Ich spiele euch das noch mal auf CD vor, aber ich muss noch die richtige Rille finden. Ihr habt aber das Prinzip verstanden, oder? (klimpert ein paar schiefe Töne auf dem Klavier und zitiert wahllos einige Volkslieder) Do-Re-Mi-Fa-So. Heut’ kommt die grüne Minna... so waren’s die oiden Rittersleut’... Die selben Melodien und Harmonien wie auch später bei den Beatles. Und die kann man auch vertauschen.

    KAUSEMANN: Wolfgang, ich brauche wirklich dringend...

    GEORG: Nehmt mal Federmappen als Beispiele. Hier habe ich eine grüne, dort eine blaue und hier eine mit rosa Einhörnern. Aber ich kann die auch anders hinstellen, das rosa Einhorn dann nach vorne zum Beispiel. Dieselben Töne, aber eine ganz andere Wirkung!

    KAUSEMANN: So, Leute... könnt ihr bitte mal still sein?

    GEORG: Warum funktioniert denn der Plattenspieler nicht? Ach nein, das ist ja eine CD! Da fällt mir ein, ich habe da noch so eine Schallplatte von Charlie Parker, dem Pionier des Hard Bops, von meinem Urgroßvater, Originalpressung aus den dreißiger Jahren, die spielten damals ein Konzert in so einem... na, ihr wisst schon.. Also, wenn eine Frau und ein Mann sich treffen... also, man nannte das früher... Freudenhäuser...

    KAUSEMANN: Wolfgang, die Schlüssel!

    GEORG: Liegen da auf dem Tisch (abwesend, ohne Kausemann anzugucken). Bring sie mir in drei Minuten wieder, da sind meine Autoschlüssel mit dran, also von meinem Mercedes... oder war das mein BMW... (hält kurz inne) Moment mal, war ich nicht heute mit dem Porsche gekommen?

     

    Kausemann nimmt die Schlüssel, erleichtert, verlässt die Klasse und schließt die Tür zum Lehrerzimmer auf. Er blickt sich verzweifelt um und sucht einen Kollegen und trifft auf Brigitte Baltes, die mit zwei Handtaschen, einem Rucksatz und drei Stapeln Kopien und einem Ordner dem Kurier entgegenkommt.

     

    BALTES: Georg, schön das ich dich mal treffe. Es gibt einige neue interessante sozioökonomische Aspekte, ne? Kannst du, wenn du den Direktor siehst, ihm sagen, dass ich noch nicht mit Paris wegen dem kulturellen Austausch telefonieren konnte? Ich war gestern erst um acht Uhr zu Hause und habe dann noch bis Mitternacht an den Klausuren gesessen und mein Sohn hatte Geburtstag, da musste ich ihm noch einen Kuchen backen. Originale elsässische Rosinen-Spinat-Torte, ohne Backpulver und Mehl, die schmeckt ganz vorzüglich. Das Rezept habe ich von der Patentante meines Schwagers und der ihre Halbschwester hatte ja gestern auch noch angerufen und da kann man sie ja auch nicht gleich abwürgen, wir hatten lange nicht mehr telefoniert, ray? Ne, und da kann man einen ja auch nicht so dreist abwürgen und dann haben wir uns noch zwei Stunden verquatscht... und dann war da ja auch noch mein Kater krank. Mit dem musste ich dann abends auch noch zum Doktor, ne? Gott sei Dank, hatte er nur leichten Durchfall, ne, aber bei so einem Tier kann man ja nie wissen, ray? Und, da habe ich mir in Anbetracht dieser Aspekte gedacht, ich könnte auch noch die Bäckerin direkt neben der Tierarztpraxis besuchen, ne, wo ich schon einmal dort war!

    KAUSEMANN: Brigitte, ich suche gerade selbst...

    BALTES: Also, die Bäckerin kommt ja ursprünglich aus Madagaskar und ihr Bruder arbeitet dort ja im Ministerium für Landwirtschaft, ne? Diese ganzen Maisplantagen im subtropisch-unteräquatorialen Gebiet, da reifen die besonders gut. Die sprechen da auch so ein klares Französisch, wenn ich das jetzt mit dem senegalesischen Akzent oder der frankokanadischen Kultur vergleiche...

    KAUSEMANN: Ich will ja nicht ungehalten wirken...

    BALTES: Also, unter diesen kulturellen Aspekten und der temporalen Verbreitung der französischen Sprache gibt es da diverse fachspezifische und linguistische Differenzen. Und als ich dann das Brot kaufen wollte, hatte sie das Affenbrotbaum-Maisgemisch zum Sonderpreis und da konnte ich mir dann den kleinen Appetitanreger um die Uhrzeit nicht entgehen lassen. Ich hatte ja noch nicht einmal gefrühstückt, ich finde ja nie die Zeit dafür und kaum war ich dann wieder zu Hause, da hat dann ja auch die Betreuerin des Altentreffs in Bensberg-Ost angerufen, um meinen Sohn zu sprechen. Also, mein Benno, der macht ja gerade Zivildienst...

    KAUSEMANN: Liebe Kollegin, wo kann ich den Herrn Direktor finden?

    BALTES: Also, ich bin ja auch gerade erst zur Tür rein. Ich stand ja wieder im Stau, also diese neue Verkehrsinsel in Schlebusch-Nord, das ist ja katastrophal. Wie die Hühner auf der Stange. Und dann musst ich auch noch zur Tankstelle und was da für eine Schlange war. Und diese drastische Erhöhung der Benzinpreise. Ich wollte ja immer den Wagen mit dem Diesel, auch zur Umweltschonung im Zeichen der Klimaerwärmung und der Schmelzung der Pole, aber der Bernd, mein Mann, der meinte dazu immer, dass die Dieselpreise gewissermaßen...

    KAUSEMANN: Sie wissen auch nicht wo er ist?

    BALTES: (verwirrt, dann pikiert) Nein, nein, tut mir leid. Da ist man so im Stress, da habe ich den Direktor auch seit zwei Wochen nicht mehr gesehen, ne? Also, letzte Woche, wollte ich ihn ja auf der Konferenz sehen, ne? Aber da hatte ich eine Bronchitis und mein Hund hatte da eine Lebensmittelvergiftung und da musste ich mit ihm ja auch zur Praxis. Mein Mann kauft ihm immer das falsche Futter, ne? Er mag ja diesen Chappi-Zusatz mit Krautsalat nicht, das verträgt sein Magen nicht, ich kaufe da immer noch Whiskas mit Büffelragout und osttibetanischen Gebetsmühlenkräutern, er mag das Katzenfutter viel lieber...

    KAUSEMANN: Also, Brigitte, wenn du mich entschuldigen würdest, wo frage ich denn nach dem Direktor?

    BALTES: Im Sekretariat, aber das ist gerade abgeschlossen, aber ich habe da die Schlüssel... Moment... (balanciert mit ihren diversen Taschen und kramt unter schwerem Keuchen schließlich einen Schlüsselbund aus ihrer Jackentasche)... so bepackt schon wieder... hier ist er...(überreicht ihn dem Kurier)... ne? Also, wenn du mir den in fünf Minuten wiederbringen könntest..., ich muss hoch zum Filmraum, da wartet meine Französischklasse, du findest mich bestimmt, wenn es schellt, noch drüben...

    KAUSEMANN: Danke, Brigitte.

    BALTES: Keine Ursache, war schön mit dir zu plaudern.

     

    Kausemann stolpert weiter in Richtung Sekretariat, schließt die Tür auf und sieht das Zimmer verlassen. Er wendet sich zögerlich zum Zimmer des Direktors, die Tür ist halb offen, doch statt des Direktors sieht er im Raum lediglich seine Vertretung Birgit Krämer, die sich mit den Lehrern Gilles und Schmerz unterhält.

    KRÄMER: Rita, das ist unverantwortlich von dir! Vor zwei Wochen den Feueralarm ausgelöst, vor vier Tagen das Chemielabor des Kollegen in die Luft gejagt und jetzt dieses Helium-Kochsalzexperiment auf der Lehrertoilette im Erdgeschoss...

    GILLES: Ich bin halt mehr so die biologische Hausfrau...

    KRÄMER: Und dann ihr Schüler, der diese Antischwerkraftgesetze gestern auf dem Schuldach ausführen wollte!

    GILLES: Also, eigentlich ist das ja ein ganz Süßer, aber manchmal gehen die Pferde mit ihm durch.

    KRÄMER: Und du, Renate, du wolltest doch alles bei den Experimenten im Auge behalten. Nachdem die Kollegin Brombach in der Flutlache der Augendusche beinahe ertrunken wäre; da hatte ich dich doch um mehr Vorsicht gebeten. Und als dann doch die Rede auf das Klo kam...

    SCHMERZ: (mit hoher Stimme, verklärtem Blick) Also, das war da nicht so ganz deutlich... ich hatte das Wort „Zoo“ verstanden.

    KRÄMER: Oder das mit dem Gesetz der Schwerkraft.

    SCHMERZ: Welcher Speerwurf?

    KRÄMER: Ich sagte Schwerkraft!

    SCHMERZ: Aber es gab doch gar keine Schlammschlacht...

    KRÄMER: Schwerkraft! Rede ich denn so undeutlich?

    SCHMERZ: Also, das verbitte ich mir! Außerdem war das doch etwas mit Sehkraft, oder?

    KRÄMER: Das kann ja alles nicht wahr sein. Also, man sollte euch vom Dienst suspendieren, alle beide. Aber in Anbetracht der Lage... wer will euren Job schon machen? Und wenn ich auf die Referendare schaue, eine Katastrophe...

    KAUSEMANN (tritt ein): Entschuldigung, ich suche den Herrn Direktor.

    KRÄMER: Er hat Unterricht im Computerraum. Die Schlüssel liegen auf dem Tisch. Aber ich brauche die dringend in zehn Minuten wieder.

    KAUSEMANN: Ich werde mich bemühen.

    KRÄMER: Und, Georg... keine Sekunde später! Sonst gibt es die nächste interne Gehaltskürzung!

    KAUSEMANN: Auf mich ist Verlass, keine Sorge, der Herr Kausemann wird’s schon richten. Herr Kausemann, können Sie mal bitte ruhig sein? Herr Kausemann, können Sie uns jetzt frei geben? Herr Kausemann, können wir nicht Mister Bean gucken? (im Selbstgespräch versunken, verlässt den Raum)

     

    Herr Kausemann verlässt Sekretariat und Lehrerzimmer und wendet sich der Treppe zu, steigt bis ins nächste Stockwerk und steuert auf den Computerraum zu. Dort trifft er zunächst auf Herrn Paar.

     

    PAAR (zur Klasse): Also, ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für euch. Welche wollt ihr zuerst hören? (blickt planlos mit breitem Grinsen durch die Klasse). Na, ich sage erst mal die gute. Der Durchschnitt der Klausur, liegt bei 2,5 (ungläubiges Staunen, Paar lächelt immer noch). Bei 2,5 Punkten in der Klausur. Der Notendurchschnitt liegt bei genau... (röchelt, als er sich mit seiner Krawatte spielend die Kehle kurzzeitig zuschnürt).

    KAUSEMANN: Franz, ich wollte wissen ob du den Chef gesehen hast?

    PAAR: Der ist zum anderen Computerraum gegangen.

    KAUSEMANN: Danke schön.

    PAAR: Moment, der ist von innen verschlossen. Ich gebe dir mal den Schlüssel. Wenn du den vielleicht in fünf Minuten zurückbringen könntest...

    KAUSEMANN: Kein Problem (missmutig).

    PAAR: Ach, Georg, ich habe übrigens einen neuen Witz. Wenn du kurz Zeit hättest, könnte ich dir den erzählen. Also, pass auf: Ein Mathematiker, ein Physiker und ein Ingenieur sollen ein Wettrennen über den Amazonas machen. Als Erstes geht der Mathematiker an den Start und...

    KAUSEMANN: Tut mir Leid, Franz, aber dafür ist nun wirklich keine...

    PAAR: Ach, den kennst du schon? Pass auf, ich habe noch einen anderen Witz. Ein Mathematiker, ein Physiker und ein Biologe erleiden Schiffbruch und stranden auf einer einsamen Insel. Da sehen sie dort eine schwarze Kuh. Da sagt der Biologe...

    KAUSEMANN: Bitte keine Biologiewitze, davon verstehe ich nicht viel...

    PAAR: Na gut, ich kenne noch einen besseren. Ein Mathematiker, ein Chemiker und ein Physiker werden eine Woche lang in eine kahle Zelle gesperrt. Jeder von ihnen bekommt eine Dose Ravioli, aber keine Werkzeuge, um diese zu öffnen. Nach einer Woche öffnet der Gefängniswärter die Zellen. Zunächst die von dem Chemiker...

    KAUSEMANN: Franz, ich habe keine Zeit. Ich muss eine weltumstürzende Meldung überbringen, ich muss dringend weg!

    PAAR: Ich weiß nicht, ich sehe immer mehr ein, dass über meine Witze niemand mehr lachen will. Ich brauche wohl eine neue Strategie...

     

    Georg Kausemann nähert sich nun endlich seinem Ziel, sieht die Tür zum Computerzimmer, vor dem der Wachposten Dr. Frank Hill positioniert ist.

     

    HILL: Oha, hier darf gerade nicht gestört werden. Hier findet ein enorm wichtiger Religionskurs statt.

    KAUSEMANN: Ich bin hier in geheimer Mission.

    HILL: Sind Sie angemeldet?

    KAUSEMANN: Mensch, Frank, kannst du mir mal die Tür aufschließen?

    HILL: Ich werde auf die Anmeldeliste schauen.

    KAUSEMANN: Sieben Tage habe ich gesucht.

    HILL: Oha, wie ich sehe, sehe ich nichts.

    KAUSEMANN: Die Filmrolle gestohlen, vom Gegner verfolgt.

    HILL: Sie dürfen sich aber gerne anmelden. Da bräuchte ich aber ihre genauen Daten.

    KAUSEMANN: Frank, es ist wirklich wichtig.

    HILL: Der Herr Direktor ist beschäftigt. Er wird Sie im Laufe der kommenden Pausen empfangen können.

    KAUSEMANN: Im Laufe der kommenden Pausen?

    HILL: Im Laufe der kommenden Tage. Wenden Sie sich doch stattdessen an die Co-Direktorin, einfach die Treppe links herunter bis ins Erdgeschoss, durch die zwei Glastüren, dann nach rechts und die dritte Tür auf der linken Seite, dann wiederum die erste auf der rechten Seite – und Anklopfen nicht vergessen. Ich muss Sie nun bitten, vorab für diese Audienz ein Formular mit ihren persönlichen Daten auszufüllen...

    KAUSEMANN: Frank, es geht um die Zukunft unserer Schule. Keine Zeit für Formalitäten! Wir können nicht mehr länger warten.

    HILL: Nun gut, ich werde eine einmalige Ausnahme für Sie machen.

     

    Herr Kausemann geht ungeduldig am Wachposten vorbei, schließt die Tür auf und sieht seinen Direktor in den vorderen Reihe bei einem Schüler, sie gucken sich ein Video im Internet an.

     

    RENKEN: Herrlich, wo hast du den Scheiß denn her? Kill Hill, das sollten wir diesem spießigen Türsteher mal zeigen! Oder dem Kausemann, dann lernt der mal eine andere Seite als www.eduvinet.de/mallig kennen.

    KAUSEMANN: Entschuldigung, Gerd, das ich hier so herein platze.

    RENKEN: Georg, altes Haus. Was gibt es?

    KAUSEMANN: Ich weiß ja, dass sie gerade wichtige Recherchen zum Religionsunterricht mit der neunten Klasse...

    RENKEN (lacht): Religionsunterricht? Wir sind doch nicht wegen Gott hier, wer von uns glaubt denn an den? Das mit der Bibel ist doch alles Quatsch, das muss man mal als komplexes Gleichnis sehen. (zur Klasse) Außerdem kriegt ihr kleinkindischen Spastis doch eh nichts auf die Reihe. Na ja, ich habe keinen Bock mehr, fahrt die Rechner runter und dann verpisst euch. Ich muss noch zur Bank, gucken wie die Aktien stehen. Aktien anlegen solltet ihr auch, jetzt guckt doch nicht so bekloppt aus der Wäsche, ihr müsst investieren, am besten in die Fonds, in die ich investiere, dann steigen die auch schön.

    KAUSEMANN: Gerd, ich habe eine wichtige Botschaft.

    RENKEN: Und ich habe keine Zeit. Was gibst du mir?

    KAUSEMANN: (verwirrt) Wie meinst du denn das?

    RENKEN: Na, Geld! Was soll ich denn mit irgend einem anderen Scheiß? Ich mache doch hier keine kostenfreien Überstunden für dich. Zehn Minuten kosten bei mir zwanzig Euro.

    KAUSEMANN: Sieben Tage bin ich gereist... und habe den Film gefunden.

    RENKEN: Was denn? Etwa einen Porno?

    KAUSEMANN: Nein, aber...

    RENKEN: Na, dann ist es ja langweilig.

    KAUSEMANN: Gerd, es geht um alles oder nichts. Ich bin sieben Tage gelaufen.

    RENKEN: Da hätte ich das Auto genommen. Aber so kommst du jetzt sicher ins Guinness Buch der Rekorde. Ich wollte da auch immer herein, als Kandidat für den Lehrer mit den meisten Fehlstunden, aber leider wurde ich von dir intern immer geschlagen! Ich hab jetzt auch keine Zeit, ich muss noch mit dem Schüler sprechen, der seine Wette verloren hat. Der kleine Pisser schuldet mir noch Geld. Große Klappe und keine Ahnung vom Fußball, aber mit mir kann er ruhig weiter Wettgeschäfte machen.

    KAUSEMANN: Gerd, ich flehe dich an.

    RENKEN: Du bist sicher auch noch ganz müde nach der Reise. Hier hast du die Schlüssel, da kannst du dich im Sanitätsraum auf die Therapiecouch legen.

    KAUSEMANN: Brauchst du die Schlüssel wieder?

    RENKEN: Das geht mir doch am Arsch vorbei, was du mit den Schlüsseln machst. Machs so wie ich, entspann dich und lass dich dafür bezahlen.

    KAUSEMANN: Vielleicht hast du ja recht.

    RENKEN (zur Klasse): Ihr Zabel da hinten, macht mal schneller, ich will Feierabend haben. Was... Scheiße, jetzt habe ich die Frage vergessen. (zu Kausemann) Georg, tu mir den Gefallen und schließ hier ab, wenn die Trottel fertig sind.

    KAUSEMANN: Aber was ist mit der Filmrolle?

    RENKEN: Die gucke ich mir mit irgendeiner Klasse mal im Filmraum an, bring sie ins Sekretariat. Jetzt halt mich nicht auf. Was geht mich deine Filmkollektion an?

     

    Er verlässt die Klasse ohne zurück zu blicken, wirft einen Blick auf seine goldene Rolex und verlässt das Gebäude.

     

    KAUSEMANN: (im nachdenklichen Monolog) So Leute, das kann doch nicht so weitergehen. Wenn mir mal irgendjemand zuhören würde. Und nein, ich beantworte keine Fragen, die sollen sich einfach alle hinsetzen und mir zuhören! Womit habe ich das alles verdient? Diese Schule hat einen schlechten Direktor!

     

    « Gerd der Große (2008/2009) - Teil 1/4 - VorwortGerd der Große (2008/2009) - Teil 3/4 - Zweiter Akt »
    Partager via Gmail Delicious Technorati Yahoo! Google Bookmarks Blogmarks