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by Sebastian Kluth

24. Den Optimismus nie verloren (05/02/09)

Den Optimismus nie verloren

 

Von Sebastian Kluth, 04.02.09, 15:25h

 

Die 1938 geborene Tamar Dreifuss berichtet Schülern von ihrer Zeit im Wilnaer Ghetto. Die Zeitzeugin erzählt auf anschauliche Art und Weise auch die Lebensgeschichte ihrer Mutter Jette Schapiro-Rosenzweig.

 
Konzentrationslager
 
 
Sinnbild des Holocaust schlechthin: Das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Auch der Vater von Tamar dreifuss wurde im KZ ermordet. Sie selbst verbrachte ihre Kindheit auf der Flucht vor den Nazis, stets begleitet von ihrer Mutter, die darüber ein preisgekröntes Buch geschrieben hat. Kurz vor der Ankunft im Konzentrationslager gelang Jette Schapiro-Rosenzweig die Flucht.

 

Leverkusen - Ende Januar fand in der Aula des Werner-Heisenberg-Gymnasiums eine Veranstaltung in Gedenken und in Erinnerung an die Auseinandersetzungen mit dem Holocaust statt. Die Zeitzeugin Tamar Dreifuss sollte von ihrer Zeit im Wilnaer Ghetto berichten. Außerdem wurde ein Konzert organisiert. Hauptsächlich waren Lieder zu hören, die an die Zeit des Holocausts erinnern, im Ghetto geschrieben worden waren und das Leid der Menschen widerspiegeln.

Als geschichtlich interessierte Person ging ich mit relativ hohen Erwartungen zum Vortrag von Tamar Dreifuss. Dort gab es bereits eine Überraschung. Tamar Dreifuss wurde im Jahr 1938 geboren und konnte somit natürlich nur recht wenig von ihren eigenen Erlebnissen berichten, sondern rezitierte stattdessen aus dem Werk „Sag nie, du gehst den letzten Weg“, das ihre Mutter einst verfasst hatte und das von der Tochter später übersetzt worden war.

Trotz einiger Längen und Zeitsprünge konnte Dreifuss dennoch auf alle Fragen antworten und auf anschauliche Art und Weise die Lebensgeschichte ihrer Mutter - und zum Teil auch von sich selbst - erzählen. Sie berichtete von der Zeit aus dem Wilnaer Ghetto in Litauen, wo im Wald täglich hunderte Menschen, darunter schwangere Frauen und Kinder, von den Nationalsozialisten hingerichtet worden waren. Die Familie wollte zuerst gar nicht wahrhaben, dass dort wirklich systematisch Juden ermordet wurden und konnte erst im letzten Moment reagieren. Die Tochter und Zeitzeugin wurde bei ihrer Tante versteckt, die auch ein Zimmer an ein Mitglied der Gestapo vermietet hatte.

Dritter Fluchtversuch gelingt

Dieser Mann bekam zufällig heraus, dass das junge Mädchen eine Jüdin war, doch anstatt sie zu verraten, empfahl er der Tante und ihr die Flucht. Ein seltener und mutiger Akt der Zivilcourage. Das Schicksal aber meinte es nicht gut mit dem jungen Mädchen, das sich bald im Wilnaer Ghetto wieder fand und mit seiner Familie in einem Bunker ein Versteck fand, bevor die Gestapo ihren Vater abholte und auch ihre Mutter und sie auf den Todeszug ins Vernichtungslager schickte. Trotz all dieser Schicksalsschläge betonte Tamar Dreifuss immer, dass ihre Mutter eine heldenhafte Frau gewesen sei, die den Optimismus nie verloren hatte und sich auch nicht von ihrem Kind trennte. So habe die Mutter bis zuletzt gekämpft, zwei Fluchtversuche unternommen, sei zwei Mal erwischt und brutal ausgepeitscht worden, bevor ihr an der letzten Station vor dem Konzentrationslager beim Duschen der Gefangenen die Flucht gelang. Damit besserte sich das Schicksal der kleinen Familie, die sich unter den lediglich 2000 Überlebenden von einst 80.000 jüdischen Bürgern des Wilnaer Ghettos befand, jedoch in keinster Weise. Sie wanderte von einem Unterschlupf zum nächsten und musste sich zeitweilig sogar vor Häschern zwei Tage lang in Hundehütten verstecken und mit den Tieren das Essen teilen. Wie durch ein Wunder überlebten Mutter und Kind die Odyssee durch halb Europa, um später nach Israel zu ziehen, wo Tamar mit zehn Jahren dann endlich die erste Klasse besuchen konnte und elf Jahre dort zur Schule ging.

Auf ihrem Weg dorthin beschreibt die Augenzeugin im Namen ihrer Mutter die vielfältigsten Persönlichkeiten, wie beispielsweise ein halb verhungertes Kind im Wilnaer Ghetto, das „todernste“ Zwiegespräche mit seiner Puppe führte. Oder den Cousin der jungen Tamar, der in das Gemeindebuch eines Klosters - wo die Familie zeitweise Unterschlupf befand - seine Kunstwerke malte. Noch heute verdient er sein Geld mit der Malerei und hatte unter anderem Ausstellungen in Darmstadt.

Während die Mutter dank ihrer Stärke überleben und ganz neu beginnen konnte, hatte die Tochter ein grundsätzlich schlechtes Menschenbild. Über viele Jahre hinweg habe sie noch Probleme gehabt, Menschen ungeniert ins Gesicht zu blicken. Hier taten sich den Zuhörern die Abgründe einer zu Kindheitszeiten bereits grausam geprägten Seele auf. Die Erzählungen zogen fast jeden Anwesenden in ihren Bann. Ein leicht bitterer Beigeschmack störte am Ende das Gesamtbild des interessanten Vortrages, als die Zeitzeugin sich sarkastisch lachend fragte, warum sie überhaupt in Deutschland sei und dass sie in Israel mit den dort friedlich lebenden Menschen ihre wahre Heimat gefunden habe.

Aktualität

Bedenkt man, dass auch heute immer noch Minderheiten drangsaliert werden und Völker aus allen Regionen der Welt nicht aus den Fehlern der Geschichte lernen, lässt dies den unfassbar schrecklichen Holocaust geradezu aktuell erscheinen. Somit sollte der 27. Januar nicht nur ein Tag im Gedenken an die schrecklichen Taten der Vergangenheit sein, sondern auch ein Appell zur Stärkung der Menschenrechte, der globalen Solidarität und Autonomie der Kulturen.

 

 

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