by Sebastian Kluth
Gerd Renken hat seine gefälschten Tippzettel in seinem Büro vergessen und kehrt am späten Abend erneut dorthin zurück, wo er sich in aller Ruhe an seinen Schreibtisch setzt und sich ein Gläschen „Puffbrause“ aus dem Aldi-Angebot des Sommerschlussverkaufes ausschüttet und einige gefälschte Rolex in den persönlichen Kleiderschrank legt, in dem er zwanzig mal dasselbe rosafarbige Hemd gehängt hat, welches er zum Sparpreis mit Mengenrabatt bei Woolworth gekauft hatte. Er setzt sich nieder, pfeift vor sich hin und sieht mit einem Mal Frau Baltes an der Wand zusammengekauert in einer hinteren Ecke des Raumes stehen.
RENKEN: Brigitte, alte Prachtwalze, was stehst du hier wie Falschgeld?
BALTES: Na ja, also Gerd, ich wollte mich ja eigentlich anmelden, aber ich muss dich dringend sprechen.
RENKEN: Willst du mich verarschen? Du bist doch nur zu verplant gewesen, um hier ein Versteck zu finden. So wie der hohle Informatiker unter meinem Schreibtisch. Das hätte sogar geklappt, wenn er nicht diese widerliche neonfarbene Krawatte anhätte, die hier im Dunkeln so unsichtbar ist wie ein bunter Hund mit drei Beinen im Katzenkäfig.
(Er holt mit seinem Fuß zum Tritt aus, mit einem Schmerzenschrei kriecht der Informatiker Paar hilflos grinsend unter dem Schreibtisch hervor.)
PAAR: Da hast du mich jetzt aber ertappt.
RENKEN: War ja auch nicht schwer. Sogar unser Militärgeneral hat sich mehr Mühe gemacht. Aber als ob ich einen getarnten Militärdress in meinem Kleiderschrank nicht bemerken würde, so ein grober Unfug.
(Renken reißt demonstrativ seine Schranktür aus, in der Militärgeneral Künstler mit verdutzter und strenger Miene steht und salutiert.)
KÜNSTLER: Alle Achtung, für einen alten Trottel bist du noch ganz schön aufmerksam. Jedenfalls bist du mehr auf Zack, als die Fenstergruppe aus meine Sowi-Zusatzkurs...
RENKEN: Jedenfalls bin ich auch mehr auf Zack als unsere taube Botschafterin, die immer noch im Schatten der Tür hockt und bis jetzt nicht gemerkt hat, dass ich schon längst eingetroffen bin.
(Er wendet sich gedankenverloren den Porträts der großen Schuldirektoren zu und weist seufzend auf das Abbild eines ehemaligen Direktors, seinen direkten Vorgänger.)
RENKEN: Schaut euch all diese Direktoren an. Keiner von ihnen hat es so lange hier ausgehalten wie ich. Sie führten unsinnige Gesetze ein. Kinderarbeit und Schuldenbegleichung beim Weihnachtsmarkt. Geheimes Spionagetraining bei dem IB-Rat. Illegale Stierkämpfe anlässlich des Spanischunterrichts in unserer Sporthalle. Geheimer Waffenschmuggel und Wodkakonsum anlässlich von Russlandfahrten nach Sankt Petersburg. Sie alle sind irgendwann gescheitert an ihrem Ego: Mein Vorgänger, Doktor Ferfers, ein begnadeter Philosoph. Er hätte nur das Ohrfeigen nicht wieder einführen sollen. Und die einheitliche Pflicht neben der Schuluniform die Ferfers-Gedächtnisfrisur mit blond frisierten Haaren tragen zu müssen war auch nicht der Bringer.
(Er wendet sich ab und dem nächsten Porträt nachdenklich zu.)
RENKEN: Oder sein Vorgänger, Doktor Meier. Ihm wurde seine Passion für junge Damen zum Verhängnis und die Schmetterlingszucht mit verbundener Pollenepidemie im Schulkerker war auch kein großer Knaller.
(Er wendet sich ab und dreht sich den Anwesenden zu.)
RENKEN: Schluss mit dem Theater! Ich kann nicht all das wieder wett machen, was meine Vorgänger verbockt haben. Diese Mischung aus despotischen und anarchistischen Lehrern an unserer Schule macht die Schüler verrückt. Wir verbauen ihnen die ganze Zukunft und damit ist jetzt Schluss.
(Er nähert sich einem Schrank, reißt die Tür auf und stößt ein altes Grammophon um, welches dem Dirigenten Georg auf den Kopf fällt, der sich dort versteckt hielt. Dieser lässt die verwitterten Schallplatten, die er gerade inspiziert hatte, mit einem Schmerzensschrei fallen, wobei er seine Stimme um drei Oktaven in die Höhe schraubt. Daraufhin stolpert Georg Kausemann, sich die Ohren zuhaltend, hinter einem Vorhang hervor, verheddert sich darin, stolpert, prallt gegen einen Tisch und sinkt zu Boden. Nun tritt ein grimmig blickender, in Lumpen gehüllter Herr Jarosch aus der kleinen Küche im Nebenzimmer. Von dem Lärm aufgeschreckt, stolpert Doyé durch das nur angelehnte Fenster von draußen in das Büro, einen feuchten, spitz zulaufenden Ast in seiner Hand)
DOYÉ: Oha, ich war gerade noch beschäftigt und auf diese Ereignisse noch gar nicht vorbereitet. Wenn es zu schnell geht, vergeht doch irgendwie der Spaß an der ganzen Sache.
KAUSEMANN: Leute, wo bin ich? Könnt ihr nicht mal ruhig sein und mit dem Gekreische aufhören?
RENKEN: Jetzt wären wir fast vollzählig, ich bitte nur noch Herrn Songhet näher zu treten, der sich unglücklicherweise direkt vor die frisch weiß gestrichene Zimmerwand gestellt hat und dort so unauffällig wirkt wie eine nikotinabhängige Giraffe mit Akne in einer Salsa-Bar für schwule Pudel. Die Wand habe ich übrigens so einen Zabel aus meiner Klasse anmalen lassen, der bei mir noch Schulden hatte. So hatte er auch ein bisschen praktisches Training. Diese Schüler werden bald erwachsen und müssen lernen, wie man Wände streicht und tapeziert, Kellergewölbe aufräumt und an der Börse spekuliert! Die müssen doch nichts wissen über den englischen Schüttelspeer und den froschfressenden Robespierre! Die interessieren sich doch eher für Gina Wild und Luca Toni!
(Er läuft auf und ab und drückt schließlich auf einen Knopf an seinem Telefon und ruft über Lautsprecher nach Herrn Hölzer, der wenige Sekunden später bereits an der Tür klopft und eintritt, überrascht sieht er all die Anwesenden, nähert sich zitternd seinem Direktor, seine Kollegen betrachten ihn feindselig)
RENKEN: Norbert, du altes Wallross, was zitterst du hier so wie der alte Papst?
HÖLZER: So viele Gäste hier zu später Stunde. Ich dachte, dass der Gedanke... dass die denken,... ich meine, ich hätte nicht gedacht, dass die den Gedanken hatten, jetzt schon hierher zu kommen, um an sie zu denken, Herr Renken.
RENKEN: Überlasse das mit dem Denken lieber denen, die es können und sülz nicht im Suff. Du bist mein langjähriger Freund, gemeinsam haben wir die Schüler am Kiosk übers Ohr gehauen und den Eine-Welt-Laden geführt, bei dem alle Menschen immer dachten, sie würden für drogensüchtige Waisenkinder in Timbuktu oder nackte Straßenköter in Kuujjuaq spenden. Na ja, irgendwie muss man sich heutzutage seine Rente ja aufbessern. Ich habe dich rufen lassen, um dir deinen Lohn zu geben, denn du bekommst die Hälfte des erbeuteten Geldes, was wir aus dem Verkauf von gefälschten Uhren bei den Schülern, sowie Recycling-Schokolade und BSE-Hamburgern bei den Lehrern gewonnen haben. Ich biete dir zudem an, dass du einen neuen Posten an der Eliteschule bekommst – als Traktorenputzer. Also, entweder du bist dabei, oder du streichst die Hölzer, Norbert...
HÖLZER: Ich weiß nicht, Gerd...
RENKEN: Du zweifelst? Ich halte meine Versprechen immer ein, wir hatten abgemacht, dass du die Hälfte des Erwerbes kriegst, wir machen also fünfzig-fünfzig. Na ja, vielleicht eher sechzig-vierzig, weil es meine Idee war.
HÖLZER: (sichtbar nervös, wankt von einem Fuß auf den Anderen) Gerd, ich habe meinen Willen geändert. Ich habe von dieser Ausbeutung die Nase voll. Das lässt sich alles nicht mehr mit meinen ethisch-religiösen Ansichten vereinbaren...
RENKEN: Nur weil der alte Pappa Razzi irgendetwas von Gerechtigkeit lullt, willst du alles hinschmeißen? Aus die Maus?
HÖLZER: Ja...
RENKEN: Schicht im Schacht?
HÖLZER: Ja...
RENKEN: Ende im Gelände?
HÖLZER: Ja...
RENKEN: Kein Jahrmarkt mehr im Schlumpfenland?
HÖLZER: Hä?
RENKEN: Nie mehr Finger im Po, Mexiko?
HÖLZER: Gerd....-
RENKEN: Wir hatten so große Träume... von einer herrlichen Farm mit frischer Landluft, gackernden Hühnern, muhenden Kühen, blökenden Schafen und dem Ziel, dass kompetente Lehrer sich unserer Schüler annehmen. Die Jugend ist unsere Zukunft!
HÖLZER: Gerd, wir werden alle unseren Job verlieren. Und das Schwarzgeld...
RENKEN: Du hast doch sonst vor nichts zurückgeschreckt? Den jungen Mathematikern, erzählt, man würde sie wie Jesus ans Plus-Zeichen nageln, wenn sie nicht ihre Hausaufgaben machen. Unschuldige Referendare mit Mathe-Witzen gequält, die noch erbärmlicher waren, als die des Informatikers. Spiegelverkehrt konstruierte Kruzifixe an blinde Mönche verscherbelt...
HÖLZER: Ich muss jetzt um mein Seelenheil kämpfen.
RENKEN: Unser aller Seelenheil ist die Jugend. Das Geld von der Milchfarm werde ich dazu verwenden, eine neue Generation von jungen, schmierigen Wirtschaftsbossen zu züchten. Zudem werde ich endlich das Milchmonopol dieser Schule erwerben, unsere „gerd’sche Muhkuh-Plörre“ wird alle „Tuffi“ und „Landliebe“-Produkte an der Schule verdrängen.
HÖLZER: Es macht keine Sinn, Gerd. Ich habe mich entschlossen unseren alten Seelsorger zu heiraten und mit ihm Gehirnwäsche durch Listening comprehension in Südengland zu betreiben. Unser Ecstasy-Experte Kausemann wird auch mitkommen und wir werden ganz neue Sphären dieser Welt erforschen.
RENKEN: Du bist größenwahnsinnig, du Althippie! So etwas hätte ich höchstens dem Kollegen Nowak mit seinen Birkenstocklatschen zugetraut...
HÖLZER: Ich will als guter Mensch abtreten und nicht als Arschkriecher des Direktors.
RENKEN: Auch du, mein Sohn Norbert...
HÖLZER: Wie bitte?
RENKEN: Norbert...(mit verzerrter Stimme, zieht sich eine selbstgebastelte Maske mit dem Antlitz des ersten Schuldirektors namens Hauer auf und stöhnt)...ich bin dein Vater!
HÖLZER: Im Ernst?
RENKEN: Nein, das passt jetzt stilistisch nicht... Verpiss dich!
HÖLZER: Aber...
RENKEN: Winke-winke, ich jonn eene trinke...
HÖLZER: Gerd...
RENKEN: Mach Mücke...
HÖLZER: Aber...
RENKEN: Kratz die Kurve...
(Norbert Hölzer entfernt sich schweren Herzens vom Schreibtisch seines Direktors und quetscht sich zwischen Doyé, der ihn kokett anlächelt und Kausemann, der sich auf dem Boden wälzt, ein Hasengesicht nachmacht und an den Schuhen des Musiklehrers schnuppert, der benommen auf dem Boden liegt... In dem Moment geht die Tür auf und Birgit Krämer tritt voller Elan ein)
RENKEN: Na, wenigstens eine Person, die sich nicht in meinem Büro verstecken musste...
KRÄMER: Gerd, ich bringe die Sache auf dem Punkt. Wir klagen dich an!
KÜNSTLER: Mit Pauken und Trompeten!
SONGHET: Wir verurteile deine Verrat, du dreckige Schuft!
KÜNSTLER: Deinen Hochverrat, du Direktorennull!
KRÄMER: Du gibst auf der Stelle diese Schule auf und machst den Verkauf des Geländes rückgängig und wirst die alte Ordnung wiederherstellen.
KÜNSTLER: Sonst wirst du dreihundert Liegestützen machen!
RENKEN: Geh kacken!
BALTES: Sonst musst du zwanzig meiner westpersischen Kieselgerölltorten essen!
RENKEN: Die kannst du deinem Sohn geben.
KRÄMER: Sonst wirst du an den nächsten Experimenten unserer Alchemistin teilnehmen.
RENKEN: Okay, das ist jetzt mies.
GEORG: Sonst wirst du meinen Porsche putzen und mit mir vier Stunden die schubertschen Oktavenoperetten singen müssen.
DOYÉ: Sonst suche ich mir eine ganz böse, kleine Bestrafung für kleine Jungs aus...
PAAR: Sonst werde ich dich meine Krawattensammlung nach Farbe, Schnittmuster und Oberflächeninhalt sortieren lassen!
HÖLZER: Sonst mäste ich dich mit der dem brackigen Kakaoshake des Eine-Welt-Ladens, den du selbst kreiert hattest.
SONGHET: Sonst musso ma chemische Stoffe trinke und in die differente Gefäße zuordne und dabei nix verschütte...
RENKEN: Ihr klagt mich an! Aber ich stehe zu meiner Entscheidung! Ihr wollt, dass ich lüge! Aber ich verteidige mein Wort! Ihr wollt, dass ich zittere! Aber ich werde euch zittern lassen! Ihr wollt, dass ich das alte System wieder etabliere! Aber ich bin für Progression und Zukunft! Nicht ihr seid es, die mich anklagen, sondern ich bin es, der euch anklagt. Nicht ich werde leiden und zittern, sondern ihr werdet von der Wucht der Vernunft in die Knie gezwungen. Ich schlage euch mit euren Waffen!
SCHMERZ: Wer nagt an dem Affen?
KRÄMER: Leere Worte...
RENKEN: Ich werde ihnen Taten folgen lassen, euer Ende...
SCHMERZ: Wessen Hände?
RENKEN: Euer Ende ist gekommen!
SONGHET: Was ist das für eine Typ? Bisu ma paranoid, was Sie denke, wenn ich sage, dass sie verruckt oder verzweifelt. Ihr Verhalte, ihre große Pläne, dass passe alles... wie sagt man? Wie Schwanz in Büchse... nein, ich hab’s... wie Hintern auf Kessel, nein..., Arsch auf Eimer... Man siehte welche Geistes Kinde du biste!
RENKEN: Moby, du trägst dick auf. Wir sind hier nicht in einer Talkshow oder bei „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“...
SONGHET: Was Sie bilde sich ein? Wasse du denke, wer du pisst?
KAUSEMANN: Nein, ich beantworte jetzt keine Fragen!
RENKEN: Es ist nur in unserem Sinn, dass diese Schule aufgegeben wird. Was zählen eure Jobs, wenn die Schüler durch euer Fehlverhalten ruiniert werden? Wo ist der Elan alter Tage? Die Schüler sind heutzutage depressiv, gestresst, übellaunig und strohdoof. Doch es ist nicht nur ihre Schuld, sondern auch die unsrige.
KRÄMER: Aber unser neues IB Programm für hochbegabte Schüler...
RENKEN: Hör doch damit auf, Birgit! Da werden arrogante, schmierige Fachidioten gezüchtet, die vom wahren Leben keine Ahnung mehr haben, da sie nur noch für die Schule und ihre Hausaufgaben leben.
SONGHET: Musso ma unsere begabte naturwisseschaftliche Zweig angucke...
RENKEN: Diese Schüler riskieren bei den komischen Experimenten dieser Hippie-Alchemistin ihr Leben!
BALTES: Aber unser französisch-bilingualer Zweig...
RENKEN: Die Froschfresser-Union, na klasse. In ihrem Unterricht wird doch ohnehin nur Kuchen gegessen und sich gelangweilt...
KRÄMER: Wie können Sie nur solche abwegigen Halbwahrheiten behaupten!
RENKEN: Ich habe genug Lebenserfahrung, um über eine solche Entwicklung zu urteilen. Du, Birgit, bist die Einzige, die mir hier Leid tut. Du bist noch engagiert und voller Elan, aber du sympathisierst mit der falschen Seite. Ich hätte dich sofort in meiner Farm als Verkaufschefin und Werbemanagerin engagiert, glaube mir...
(Unvermittelt stürzt der Bote Sammarro in den Raum und schreit lauthals eine Botschaft hinaus)
SAMMARRO: Ähm, äh, es tut mir, äh, ähm, es tut mir durchaus, äh, leid, dass, äh, wie sage ich das am besten, ähm, äh...
JAROSCH: Wer hat den denn ausgegraben?
SAMMARRO (verwirrt): Ähm, äh, kann man das, äh, auch noch, ähm, einmal in einem, äh, öhm, für Immigrantenkinder verständlichen Deutsch, äh, wiederholen...?
JAROSCH: Komischer Kauz, aber er gefällt mir, ich verwechsle auch ständig Räume und Gebäude. Hören Sie, der Kindergarten ist direkt nebenan...
SAMMARRO: Ähm, äh, ich habe eine, äh, durchaus, äh, Moment, äh, ich könnte das hinten an der, ähm, öh, Tafel, äh, kurz skizzieren..
KRÄMER: Dafür bleibt jetzt keine Zeit! Was ist los?
SAMMARRO: Ähm, äh, vor unserem, äh, Schulgebäude, sind, ähm, einige sehr, ähm traktorige Traktoren, äh, von einer großen Größe...
RENKEN: Hör mal, mein smarter Vokalmasturbator, komm mal langsam aus dem Quark...
SAMMARRO: Ähm, äh, es sind Traktoren vor dem Gebäude...!
GEORG: Was für eine Schande, wenn es wenigstens Sportwagen gewesen wären...
HÖLZER: Welch eine Hiobsbotschaft. Sie sind schon da!
KRÄMER: Sie werden uns überrollen, unsere Luft mit Dieselmotoren verschmutzen; uns mit Hühnereiern bewerfen und uns in die Schweineställe werfen!
SONGHET: Iche gebe nichte auf meine Stellung, ici!
KÜNSTLER: Taktischer Rückzug! Wir werden verdeckt agieren und neu konzipieren! Herr Hofkapellmeister, bitte stimmen sie die glorreiche Hymne an!
GEORG: Uns’re Elke Schumacher, die geht heut’ in Pension...
KÜNSTLER: Das ist der falsche Text, du Null!
SONGHET: Ah, musso ma mehr lerne...
KÜNSTLER: Und links, zwo, drei, vier, links...
GEORG: In einem scheenen Gebäud’
Is scho verdamp lang hee’
Ward eine Schul’ aufgebäut’
Strebte nach Perfektion und mee’
.............................................
Und diese Schule, die ich meine, heißt WHG!
Kleine Eliteschule, WHG!
WHG zwischen Irrsinn und Rarität
Für die Schüler ist der Abgang nun zu spät
DOYÉ: Und jetzt alle zusammen!
SONGHET: Was für eine Type hatte ma komponiert diese Scheiß? Mit Musik von Sumsum-Biene Maya, große Gott! Ich kanne nicht alleine hier bleibe. Meine große Revolte isse fehlgeschlagen. Fehlgeschlage, weil meine Kollege habe Angst vor die Bruderschaft der Traktore...(kopfschüttelnd)
(Sie verlassen alle den Raum des Direktors, der sich mit einem Lächeln hinsetzt und wartet. Nach einigen Minuten hört er ein großes Gepolter, ein lautes Meckern und hämisches Lachen und Küster und Braun, Leiter der konkurrierenden Schule, treten in den Raum)
RENKEN (erhebt sich freudestrahlend): Olaf Küster, du versoffener Traktorentuner, alles fit im Schritt?
KÜSTER (stolpert über den am Boden liegen gebliebenen Kausemann und setzt sich missmutig auf einen Stuhl): Guten Abend, Gerd.
RENKEN (freudestrahlend): Hans-Peter Braun, du alter kollabierender Choleriker und Kinderfrühstücker, alles im Lot aufm Boot?
BRAUN (stolpert über den lallenden Kausemann, verpasst ihm einen Tritt, rudert mit den Armen und fegt dabei die Schulkasse, die auf dem Schreibtisch steht, zu Boden, die daraufhin zerbricht): Verzeihung, Gerd.
RENKEN: Macht nix, mein Freund. Es war ohnehin nichts mehr drin. Das ist alles in meinen privaten Sparschweinen gelandet.
BRAUN: Gerd, alter Knallfrosch, du erinnerst dich an die beiden Lehrer, welche deine geheimen Unterlagen gelesen hatten und die du daraufhin unter Drohungen heimlich suspendiert und offiziell krankgeschrieben hattest?
RENKEN: Aber hallo!
KÜSTER: De beide Dorftrottel ham wa in de Hühnerstall hinter minge Huus verfrachtet!
RENKEN: Die beiden Zabel. Diesen Schmierlappen Vrancken und den alkoholsüchtigen Religionslehrer... der einzige, der hier überhaupt an Gott geglaubt hat, im Kollegium.
BRAUN: Sie konnten entkommen!
RENKEN (springt entsetzt auf): Wie bitte?
KÜSTER: Da haste richtig jehört!
RENKEN: Wie konnte das geschehen?
BRAUN: Dieser Religionsfuzzi musste immer im tiefsten Winter die vergitterten Fenster öffnen und die Hälfte der Hühner holten sich eine Bronchitis und legten nur noch faule Eier. Zudem hat er ihnen im Rausch des Öfteren schon mal etwas Alkohol abgegeben. Als ich dann in den Stall kam, um nach den armen Tieren zu gucken, bin ich auf dem ganzen Hühnermist ausgerutscht, den der Schmierlappen zusammengefegt hatte...
KÜSTER: Und ratatatata!
BRAUN: Die beiden konnten durch das offene Tor fliehen.
KÜSTER: Ich hab noch versucht, minge ahle Schrotflinte zu nehme...
BRAUN: Sie waren zu schnell...
KÜSTER: Und ratatata... ich han de Kujel verzoje und in minge schönste Traktor rinnejagt! Un dieser Vranckenstein konnte entkomme...
BRAUN: Das war ein wahrer Schock!
KÜSTER: Katastrophal!
RENKEN: Meine alten Lehrer... aus dem Hühnerhof entwichen!
KÜSTER: So war et!
RENKEN: Wann war denn das?
KÜSTER: Heut morjen.
RENKEN: Was ist dann passiert?
BRAUN: Wir können es nicht mit Bestimmtheit sagen. Vielleicht sind sie zur Polizei gegangen. Vielleicht hat der Religionstyp auch nur im angetrunkenen Stadium ne billige Bergrede gehalten, aber wir mussten auf Nummer sicher gehen.
RENKEN: Was bedeutet das?
BRAUN: Gerd, wir haben alle Beweiselemente verbrannt.
KÜSTER: Ratzefatz, weg war’n se!
BRAUN: Auch unseren Kaufvertrag.
RENKEN: Ihr – habt – die Archive – verbrannt?
BRAUN: Alle Unterlagen, auf denen unsere Verträge, Vereinbarungen und Überweisungen schriftlich festgehalten worden waren. Zum Abtransport fehlte uns die Zeit.
RENKEN: Soll das heißen – (er sinkt in seinem Chefsessel nieder, schüttelt verklärt den Kopf) – ihr werdet diese Schule nicht übernehmen und umstrukturieren?
KÜSTER: Leider nicht.
RENKEN: Ihr werdet die unschuldigen Schüler nicht vor hirnentbrannten und unfähigen Lehrern schützen?
KÜSTER: Leider nicht.
RENKEN: Wir werden nicht die gebeutelte Landwirtschaft wieder erstarken lassen und die Wirtschaft beschleunigen?
KÜSTER: Leider nicht.
RENKEN: Die große „gerd’sche Muhkuh-Plörre“ wird nie vermarktet werden?
KÜSTER: Leider nicht.
(Betretenes Schweigen, alle Blicken auf ihre Fußspitzen)
RENKEN: Was wird mit der Schule nun geschehen?
BRAUN: Wir haben bereits alles verkauft!
RENKEN: Ihr – habt – was?
KÜSTER: Jetzt ham wa richtig Cash in da Täsch!
BRAUN: Gerd, wir hatten keine andere Wahl.
RENKEN: Wer hat diesen bankrotten und versifften Schuppen hier gekauft?
BRAUN: Die Stadt Leverkusen!
RENKEN: Wie bitte? Die sind doch alle pleite!
BRAUN: Sie haben Kredite aufgenommen, um diese Schule zurück zu kaufen. Sie wollen sie zu einer elitären und städtischen Gesamtschule ausbilden.
KÜSTER: Sie ham auch de Name von de neue Direktorin erwähnt...
RENKEN: Wer ist es? Wer?
BRAUN: Renate Schmerz!
RENKEN: Was? Die taube Tussi?
(Plötzlich hört man Sirenen, ein lautes Trampeln und nach wenigen Momenten stehen mehrere Polizeibeamte mit den Waffen im Anschlag vor den drei Herren, die von einer älteren Dame begleitet werden – Renate Schmerz!)
RENKEN: Was tust du denn hier? (mustert sie argwöhnisch, hat sich aus seinem Sessel erhoben und nähert sich ihr, wobei er über den Körper des am Boden liegenden Kausemanns stolpert, sich aber so gerade noch fängt)
KAUSEMANN: Auaaaah!
SCHMERZ: Mein Name ist Schmerz, Renate Schmerz. Ich bin Undercoveragentin der Schulaufsichtsbehörde.
RENKEN (überrascht): Dann hast du gar nicht persönlich die Schule gekauft?
SCHMERZ: Natürlich nicht.
RENKEN: Du bist überhaupt nicht taub?
SCHMERZ: Natürlich nicht, das war alles nur Fassade (lächelt mitleidig)
RENKEN: (taumelt, lässt sich erneut entsetzt in seinen Chefsessel fallen) Ich verstehe gar nichts mehr.
SCHMERZ: Es ist ganz einfach. Die Schulaufsichtsbehörde hatte schon längerfristig die Inspektion dieses Gymnasiums geplant, denn eines der Gymnasien soll geschlossen werden, um einer neuen Elite-Gesamtschule Platz zu machen. Ich sollte eigentlich dich überwachen, da man sehr viel Negatives von dir gehört hatte und dieses Gymnasium daher möglichst schnell schließen wollte.
RENKEN: (ratlos blickend) Warum hast du mich denn nicht gefeuert, wo ich doch korrupt, machtgierig und arrogant war hinter meiner Fassade?
SCHMERZ: Ich hatte gemerkt, dass du bestimmte Ziele verfolgst. Du hatten eine präzise Systematik in deiner Arbeitsverweigerung. Einen tieferen Sinn hinter deinem Unsinn. Einen Sinn für Gerechtigkeit hinter all den angeblichen Untaten.
RENKEN: Du hast mich erwischt.
KÜSTER: Eiskalt ertappt.
SCHMERZ: Ich hatte mich nur verstellt, als ich vor einigen Jahren diesen Posten hier antrat. Ich ahnte bald, dass die ganze Schule verdorben ist. Ich habe den richtigen Moment abgepasst, um zuzuschlagen. Eigentlich hätte das viel früher geschehen sollen.
RENKEN: Wie meinst du das?
SCHMERZ: Ich hatte zwei Kollegen über meine wahre Identität aufgeklärt und sie eingeweiht!
RENKEN: Wen?
SCHMERZ: Können Sie sich das denn nicht denken, Herr Renken?
RENKEN: Diesen Kommentar können Sie sich schenken.
SCHMERZ: Dabei wollte ich Sie nur in die gute Richtung lenken.
BRAUN: (erhebt sich aus seinem Stuhl, mit offenem Mund) Ich kann mir bereits denken, um wen es sich handelt, Herr Renken.
KÜSTER: Dat liegt doch uff der Hand, wa!
RENKEN: Der Pseudo-Sunny-Boy Vrancken und unserer alkoholischer Religionslehrer und Doktor der Schnapsbrennerei Bruno Schmidt-Sperrmüll!
SCHMERZ: Exakt. Die beiden waren dir bereits auf der Spur, doch dann hast du sie noch erwischt.
RENKEN: Es war schon verdächtigt, als in meinem Büro plötzlich überall schmierige Schleimspuren, aufgebrochene Schubladen und leere Wodkaflaschen zu finden waren. Aber ich befürchte, sie hätten dennoch erdrückende Dokumente auffinden können, über den geplanten Verkauf... Ich dachte, die beiden hätten im Namen meiner diktatorischen Co-Direktorin Birgit Krämer gehandelt... Diese hinterhältige Geheimniskrämerei passte der Krämer schon immer in den Kram...
KÜSTER: De Dokumente ware die janze Zigg in ihrem Bürro?
BRAUN: Sie Versager!
KÜSTER: Sie Stümper!
SCHMERZ: Mein erster Plan schlug fehl. Daher musste ich abwarten und nun ist der Moment der Wahrheit gekommen.
RENKEN: Du findest mich bereit!
SCHMERZ: Was willst du mir damit sagen?
RENKEN: (fällt auf die Knie, hebt die Hände theatralisch in die Luft) Nimm mich mit. Buchte mich ein! Nimm all mein Geld, was ich bei den Wetten und Schwarzmarktgeschäften gewonnen habe, die ich betrieb, um die alltagsgestressten Schüler bei Laune zu halten. Ich wollte ihnen mit den gefälschten Uhren doch nur Freude machen und sie mit all den Sportwetten ablenken von ihrem Umfeld. Zudem konnte ich ihnen ein praktischen Umgang mit Geld beibringen. Aber dies alles sollen keine Entschuldigungen sein. Sperre mich ein!
SCHMERZ: (überrascht) Einfach so?
BRAUN: (entsetzt) Einfach so?
KÜSTER: (wütend) Einfach... so?
RENKEN: Nein, so möchte ich nicht abgehen, ich habe eine letzte Bitte!
SCHMERZ: Sprich frei von der Leber weg.
KÜSTER: Herz an’ Busen, Leverkusen!
RENKEN: Ich will nur, dass für das Wohl der Schüler gesorgt wird. Dass sie eine bessere Zukunft und mehr Freiheiten bekommen. Ich bitte darum, dass diese neue Gesamtschule kompetente Lehrer einstellt und nicht nur auf die theoretische, sondern auf die praktische Erziehung achtet. Was zählt schon die Reputation der Schule, es sind die Schüler, auf die wir stolz sein sollten! Weniger Leistungsdruck, mehr Freiheit und Spaß am Leben, darauf sollte es ankommen!
SCHMERZ: Was für tugendhafte Reden! Welch eine Heldentat!
BRAUN: Was für ein Gesülze! Welch ein Blödsinn!
RENKEN: Nun, was sagst du?
SCHMERZ: Du sollst deinen Willen erfüllt bekommen. Ich werde die Schule dir zu Ehren, auf Grund deiner grandiosen Aufopferungsbereitschaft, nach deinem Namen benennen: Gerd-Renken-Gesamtschule
BRAUN: Welch ein Ruhm!
KÜSTER: Wat für nen Aufstiech!
RENKEN (betupft sich mit einem Taschentuch schluchzend seine Augen) Hiermit erkläre ich das alte Gymnasium für geschlossen. Eine alte Tradition bricht, eine neue Dynastie beginnt. Möge sie uns die Früchte der Weisheit und der individuellen Freiheit ernten lassen!
(Er erhebt sich, dreht sich nicht mehr um und bekommt von den Polizeibeamten Handschellen angelegt. Er wendet sich mit einem Schulterzucken und einem Lächeln an Braun und Küster, die immer noch irritiert auf ihren Stühlen sitzen. Mit optimistischem Blick und mit hoch erhobenen Haupt verlässt Gerd Renken das Direktorenzimmer. Schließlich folgen ihm Schmerz, Küster und Braun mit vorsichtigem Optimismus...)