Eklablog
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by Sebastian Kluth

Kapitel 13

 

Kapitel 13: Mittwoch, 20 Uhr 55, Speisesaal

 

Das Abendessen hatte allen Anwesenden ganz vorzüglich geschmeckt. Als Vorspeise hatte es eine herzhafte Gulaschsuppe gegeben, die in ein übergroßes, ausgehöhltes Stück Brot eingearbeitet worden war. Danach hatte der robuste Koch einen Chefsalat serviert. Als Hauptspeise hatte es dann Piroggen gegeben, wahlweise gefüllt mit Hackfleisch, weißem Bauernkäse oder Speck mit Kartoffeln. Zum Nachtisch wurde ein großer Wackelpudding mit Waldmeistergeschmack und warmer Vanillesoße serviert. Die Gäste waren nun dabei ihre letzten Getränke zu trinken. Die meisten hatten sich einen Kaffee bestellt, während Thomas es vorzog einen Dreiundvierziger mit Milch zu trinken. Der nach Vanille schmeckende, spanische Alkohol aus dreiundvierzig verschiedenen Kräutern beruhigte seinen Magen mit einer angenehmen Wärme und der Schotte hatte es geschafft, sich ein wenig zu beruhigen. Dabei hatte er jedoch auch Gespräche mit den anderen Gästen vermieden.

Gwang-jo hatte sich ebenfalls wieder zurückgehalten. Dabei wirkte er jedoch nicht mehr arrogant, sondern ungewöhnlich ängstlich und verschwiegen, was vermutlich mit seinem Aufeinandertreffen mit dem seltsamen Wolf zu tun hatte. Scheinbar hatte er bisher tatsächlich mit niemandem darüber geredet, zumal ohnehin niemand mit ihm sprechen wollte. Thomas fragte sich, wie lange der Koreaner dies durchhalten würde, da der Egomane eigentlich immer gerne lästerte und sich in den Mittelpunkt stellte. Im Moment wirkte er noch nervös, seine Hände zitternden sogar, als er jetzt in seinem Wackelpudding herumstocherte. Dabei verursachte er mit seinem Löffel ein klirrendes Geräusch, sodass sich einige Gäste mürrisch umdrehten. Missmutig versuchte der Koreaner sich am Riemen zu reißen, doch es fiel ihm sichtlich schwer.

Ebenso nervös wirkte Jeanette, die entgegen ihrer sonstigen Gewohnheiten kaum ein Gespräch mit den anderen Gästen aufbaute und auch den Annäherungsversuchen von Malcolm zögerlich auswich, was diesen aber zunächst wenig kümmerte. Er lächelte ihr eindeutig zu und malte sich vermutlich schon die schönste Nacht seines Lebens aus.

Inzwischen war der stolze Schotte jedoch aufgestanden und hantierte an einem Tisch abseits der anderen Gäste an seiner riesigen Sackpfeife herum. Thomas musste zugeben, dass er folkloristische Musik sehr mochte, besonders schottische, und war einigermaßen gespannt, was Malcolm ihnen präsentieren würde. Dieser hatte sich bereits einige Notenblätter und Texte herausgesucht und wurde von der Religionswissenschaftlerin Francesca bei der Auswahl später ein wenig unterstützt.

Kurz darauf war er mit dem Zusammenschrauben der einzelnen Teile fertig und stellte sich auf eine kleine Bühne, auf der vorher einige kleinere Wagen mit Getränken und Obst gestanden hatten. Der Schlossherr forderte ihn auf zu beginnen, während einige Gäste ihre Stühle ein wenig umpositionieren mussten, um einen besseren Blickwinkel auf die Bühne zu haben. Die Stimmung war dank des guten Abendessens und dem folgenden Beitrag ein wenig gestiegen, die Streitigkeiten schienen die meisten Gäste vergessen zu haben und selbst Thomas Missmut war für einige Augenblicke verschwunden, da er es letztlich geschafft hatte, die Ereignisse bezüglich Jeanette und des unheimlichen Wolfes weitestgehend auszublenden.

Elaine Maria da Silva, die neben ihm saß, äußerte sich einige Male abfällig über schottische Musik und tat ihren Unmut kund, diesem Spektakel beizuwohnen. Dafür bekam sie regelmäßig von Francesca und auch von Thomas genervte bis böse Blicke zugeworfen.

 Neben Thomas hatte inzwischen auch Fatmir Platz genommen, der schon arg angetrunken war und gerade den vierten Jack Daniels kippte. Auch er interessierte sich für die Musik und war bereits gespannt. Jeanette saß ein wenig abseits von der Gruppe und wich den freudigen Blicken Malcolms aus, der ihr sogar hin und wieder eine Kusshand entgegenwarf. Seine Anwesenheit schien sie zu beschämen und sie rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her.

Malcolm teste kurz einige Tonfolgen, bevor er anfing zu spielen. Nach einer improvisierten Einführung spielte er sogleich die schottische Nationalhymne. Thomas war zwar nicht gerade ein Patriot, doch er konnte es sich nicht verkneifen und summte die Melodie mit einem Lächeln mit. Sogar der Koch, der ein wenig abseits stand, schien sich darüber zu freuen und lächelte breit, während der steife Butler den Musiker eher abschätzig betrachtete.

Thomas beobachtete auch den Schlossherrn, der einige Male falsch lächelte und anerkennend nickte. Sein Verhalten konnte Thomas nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Direktor solche Musik eher langweilig oder gar als nervend zu empfinden schien. Daher fragte er sich, aus welchem Grund er den euphorischen Patrioten überhaupt spielen ließ. Sorgte er sich tatsächlich um die Stimmung unter seinen Gästen? Wollte er sie durch die Musik ein wenig aufheitern oder ablenken?

Zu Beginn verspielte sich Malcolm immer wieder leicht, wurde aber mit jeder Minute besser und souveräner. Sein Instrument war überlaut und Thomas bekam mit wie Marilou und Abdullah, der tatsächlich wieder neben ihr saß und sogar ihre Hand zärtlich hielt, sich manchmal verlegen die Ohren zuhielten. Marilou hatte ihm den Fauxpas vom frühen Morgen offenbar verziehen und Abdullah vermutlich den Rat seiner Mitmenschen befolgt und versucht sich seiner Frau wieder anzunähern. Die Kanadierin lächelte ihrem Mann sogar einige Male mit einem Augenzwinkern zu und betrachtete ansonsten seltsam starr die Vorführung des engagierten Schotten, als ob sie trotz des für sie offensichtlich empfindlichen Lärmes kein Detail verpassen wollte.

Malcolm bewegte sich auf der Bühne immer wieder unruhig hin und her und war in ständiger, beinahe nervöser Bewegung. Thomas hatte einmal gehört, dass Dudelsackspieler dies oft taten, um vor der enormen Lautstärke ihres eigenen Instruments zu fliehen.

Thomas betrachtete Malcolm näher, wie er verbissen in das Instrument hineinblies und das große Rohr, aus dem die Töne klangen, über seine rechte Schulter gelegt hatte, um das Gewicht auszugleichen. Der Schweiß lief dem Schotten bereits zum Ende der Nationalhymne hin in Strömen über die Stirn. Man sah ihm seine Erleichterung an, als das erste Stück beendet war und er sich auf einen für ihn zu Recht gemachten Stuhl setzen konnte. Den ihm entgegenkommenden Beifall nahm er dankbar auf und blickte einige Male wieder verschmitzt zu seiner französischen Traumfrau. Er wirkte jedoch nach dem ersten Lied bereits ein wenig erschöpft und sein Gesicht war stark gerötet. Ohne weitere Ankündigungen stimmte er im Sitzen bereits das nächste Lied an, was ebenfalls einem Großteil der Anwesenden geläufig war, so auch Thomas. Es handelte sich um das Stück „The brave“ und einige Gäste begannen bereits euphorisch den Takt mitzuklatschen.

Malcolm kniff immer mehr die Augen zusammen und schien trotz seines guten Spiels unter einer gewissen Anspannung zu stehen. Mühsam stand er von seinem Stuhl auf und machte einige Schritte nach vorn und war gerade beim Mittelteil des Stückes angekommen, als die Töne stockten und er nicht mehr geradlinig weiter spielte. Er fing sich jedoch noch einmal und setzte das Stück fort. Die meisten Gäste dachten, dass er sich verspielt hätte, doch Thomas hatte gemerkt, dass irgendetwas nicht mit ihm zu stimmen schien. Es kam ihm beinahe so vor, als ob der junge Schotte kurz vor einem Zusammenbruch oder einem Herzinfarkt stünde.

Noch einmal näherte sich Malcolm bis ans äußere Ende der kleinen Bühne und blickte in die Richtung seiner französischen Angebetenen, die allerdings beschämt wegblickte. In dem Augenblick, als Malcolm die letzten Töne des Stückes gespielt hatte, ging er einige Schritte zur Seite und fixierte nun den Schlossherrn.

Plötzlich stolperte der stark schwitzende junge Schotte nach vorne, verdrehte die Augen und stürzte von der Bühne in die Tiefe. Den Dudelsack hatte er fallen lassen und schlug neben diesem auf dem Boden auf, mit dem Gesicht zu Boden.

Der letzte, abgehackte und schräge Ton des Instruments hallte noch wie ein nervenzerfetzendes Signal wirkungsvoll im Raum.

Die Gäste zuckten unwillkürlich und ängstlich zusammen, einige stießen sogar spitze Schreie aus. Als Erster schien Björn Ansgar Lykström die jüngsten Ereignisse verdaut zu haben, sprang von seinem Stuhl auf und stürzte auf den regungslosen Schotten zu. Hektisch kniete er sich neben ihn, drehte seinen Körper dann behutsam zur Seite, fühlte den Puls am Hals und tätschelte ihm besorgt die Wangen. Dann nahm er beide Hände zusammen und presste sie in Brusthöhe des Schotten. Dieser rührte sich nicht. Lykström versuchte dies noch einige Sekunden, bevor er sich dem Gesicht Malcolm annäherte und seine Lippen auf die seinigen presste. Er versuchte ihn mit einer Mund-zu-Mund-Beatmung zu einer Reaktion zu bringen, doch diese blieb aus.

Thomas war aus seiner Starre erwacht und rannte nun ebenfalls fast automatisch auf den regungslosen Schotten zu. Die bisherigen Streitigkeiten waren mit einem Mal völlig weggewischt und erschienen ihm erschreckend belanglos. Lykström hatte sein Gesicht zu einer Grimasse verzerrt und wirkte verzweifelt. Thomas kniete sich nieder und versuchte den Kopf des Schotten in einer bessere Lage zu bringen. Er bewegte ihn in eine stabile Seitenlage und verpasste ihm nun seinerseits einige Ohrfeigen, während Lykström erneut nach dem Puls des Schotten tastete. Inzwischen hatte sich sogar der Schlossherr zu den beiden gesellt und beäugte die Szene gleichzeitig argwöhnisch und geradezu pikiert. Er wandte sich den restlichen Gästen zu, die wie gebannt auf den reglosen Körper des Dudelsackspielers starrten. Wohlfahrt hob beschwichtigend die Arme, als der Großteil der Gäste aus dem Schockzustand zu erwachen schien und sich angeregt und entsetzt unterhielt.

„Keine Panik, verehrte Gäste, er ist bloß bewusstlos.“, rief er beschwichtigend und versuchte ein optimistisches Lächeln, welches ihm völlig misslang.

Lykström war kopfschüttelnd und empört aufgestanden und blickte den Schlossherrn mit unverhohlener Wut an. Dann wandte er sich an die bleichen Gäste.

„Das ist eine Lüge. Dieser Mann ist tot.“

Die Stille, die diesem bedeutungsschweren Satz folgte, war nahezu unheimlich. Es herrschte eine sprichwörtliche Totenstille. Die meisten Gäste hatten ihre Münder in stummem Erstaunen weit geöffnet, während andere sich bleich abwandten oder betreten und betäubt zu Boden starrten. Auch Thomas hockte still neben dem toten Leichnam seines ehemaligen Konkurrenten und schloss diesem seine Augen, die einen schrecklichen, qualvoll gebrochenen Blick hatten. Der Schotte konnte kaum klar denken und fragte sich lediglich dumpf, wie der Schwede so klar und schnell reagiert hatte und die richtigen Schlussfolgerungen gezogen hatte.

Thomas sah, dass der Zimmerschlüssel aus der Hemdtasche des Toten hervorragte und nahm diesen instinktiv an sich. Vielleicht konnte ihm dieser noch irgendwann einmal nützlich werden. Dann schaute er sich den Dudelsack näher an, der auf wundersame weise heil geblieben war nach dem Sturz.

In seinem Rücken waren die Gäste erneut aus ihrem Entsetzen erwacht und riefen mit einem Mal wild durcheinander. Auf die Ruhe war der Sturm gefolgt. Der Schlossherr hob weiterhin verzweifelt und beschwichtigend seine Hände und nahm mit hilfesuchendem Blick erstmals irgendeinen Kontakt zu seiner Frau auf, die ihm grimmig und wütend entgegenstarrte.

„Es war eine Herzattacke, nichts weiter.“, wiegelte der Österreicher bereits ab.

Ein Sturm der Empörung und aufgeregtes Getuschel brandeten ihm entgegen. Hilfesuchend wandte er sich Thomas zu, der den Dudelsack untersuchte und dabei zu stutzen schien. Wohlfahrt wandte sich erneut ab.

„Ein unglücklicher Zufall, nichts weiter. Eine schreckliche, aber gewöhnliche Herzattacke, danach sieht es aus.“, erläuterte er und hob in gespieltem Bedauern die Schultern.

Inzwischen hatte sich auch Mamadou Kharissimi dem Toten genähert und sich neben Thomas gehockt. Beide untersuchten mit ungewöhnlichem Eifer den Dudelsack. Mamadou Kharissimi verzog das Gesicht und warf Thomas einen bestätigenden Blick zu. Dessen Augen weiteten sich und er blickte unruhig zu den Gästen hin.

„Wir sollten es geheim halten.“, meinte Thomas schließlich.

„Im Regelfall schon. Ich bin mir aber nicht sicher, schließlich sollten wir herausfinden, was genau passiert ist. Wir sind ja beide Polizisten und sollten unsere Pflicht tun.“, erwiderte Mamadou grimmig.

Die beiden gerieten in ein flüsterndes und schnelles Gespräch.

„Es würde eine Panik ausbrechen...“, warf Thomas zuerst klagend ein.

„Wir sollen die Sache ruhen lassen?“

„Wir sollten Hilfe rufen. Wir sollten mit dem Schlossherrn sprechen und die Polizei und einen Leichentransport alarmieren.“

„Ich habe da so meine Zweifel, ob die es überhaupt auf die Insel schaffen. Bei dem Sturm ist dies sowohl für Schiffe, als auch für Helikopter lebensgefährlich.“

„Nun, der Sturm könnte bald wieder abflauen.“

„Die Meteorologen sagen etwas Anderes. Angeblich soll das hier noch eine ganze Woche so weiter gehen.“

„Gerade weil dies so ist, sollten wir die Ruhe bewahren.“

„Stell dir vor, dass noch andere Dinge passieren könnten...“

„Du meinst...?“

Mamadou und Thomas blickten sich bedeutungsschwer an und standen langsam und ein wenig unentschlossen auf. Sie betrachteten die anderen Gäste, die aufgeregt durcheinander sprachen, während Wohlfahrt wie ein Häufchen Elend daneben stand und nicht wusste, was er tun sollte. Thomas hatte ihn noch nie so hilflos erlebt.

Er versuchte die Gäste ein wenig genauer zu betrachten, denn er war als Polizist immerhin geschult worden Menschen anhand ihrer Reaktionen zu beurteilen. Er sah in fast allen Gesichtern entweder ungläubiges Entsetzen oder einen ängstlichen, von dem Tatort wegblickenden Ausdruck.

„Ich kann das gar nicht fassen. Er war doch noch so jung! Er kann doch unmöglich eine Herzattacke gehabt haben!“, rief Paola Francesca Gallina und war völlig außer sich.

„Er war schon die ganze Zeit so nervös und schwitzte. Ich frage mich, warum er nicht eher aufgehört hat.“, mutmaßte Hamit Gülcan, der noch einer der ruhigsten war und versuchte die Lage analytischer zu erfassen.

„Jetzt ist der letzte Beweis erbracht, dass es sich hier um ein echtes Horrorschloss handelt.“, erwiderte Elaine sarkastisch.

„Wie kannst du so ironisch darüber reden? Geht dir das denn überhaupt nicht nah?“, fuhr Paola Francesca Gallina sie an und schenkte ihr einen gehässigen Blick.

„Dieses brasilianische Miststück steht doch auf Tote. Sie labt sich an solchen Ereignissen. Jetzt hat sie eine neue Inspiration für ihre gottverdammten Bücher.“, brüllte Gwang-jo Park, der sich aus Nervosität eine Zigarette angezündet hatte und dafür von Abdullah und Marilou kritisch beäugt wurde.

„Halt deinen Mund. Du willst doch selbst wieder nur Unfrieden stiften.“, fuhr der sonst zurückhaltende Abdullah ihn an und trat drohend und mit geballten Fäusten auf ihn zu.

„Du willst mir unterstellen, dass ich etwas damit zu tun habe?“, fragte Elaine Maria da Silva empört und trat ebenfalls auf den angesprochenen Koreaner zu und verpasste ihm urplötzlich einen ansatzlosen Schlag ins Gesicht. Anschließend fuhr sie mit einer brutalen Bewegung mit ihren langen Fingernägeln durch sein Gesicht und hinterließ in diesem breite und blutige Striemen, während der Koreaner vor Schmerz aufschreiend zurückwich und die Brasilianerin aggressiv anblickte, so als ob er sich sofort auf die vor Wut bebende Frau stürzen wollte. Anklagend wies er mit dem linken Zeigefinger auf sie.

„Da seht ihr zu was sie fähig ist!“, rief er und blickte erwartungsvoll in die Runde.

„Warum sollte ich ihm etwas tun? Du warst es doch, der sich heute Morgen erst mit ihm geprügelt hat. Du hättest ihn in deiner Rachsucht doch am ehesten von uns allen umgebracht!“, fuhr sie ihn an und wollte sich erneut auf ihn stürzen, doch Fatmir packte ihre Oberarme und hielt sie unter Anwendung seiner größten Kräfte zurück.

„Er hat doch angefangen. Alles nur wegen dieser französischen Schlampe. Sie wird hinter allem stecken!“, verteidigte sich der Koreaner und wies anklagend auf die Französin, die weinend und in sich zusammengesunken auf einem Stuhl außerhalb des Geschehens saß.

„Wie kannst du so etwas behaupten? Schau dir doch an, wie mitgenommen sie ist! Sie steckt unmöglich dahinter!“, verteidigte sie Paola Francesca Gallina in ihrer Suche nach Gerechtigkeit, doch damit forderte sie den hinterhältigen Koreaner nur noch weiter heraus.

„Vielleicht hast du Recht. Du hast Malcolm ja dazu überredet heute Abend Dudelsack zu spielen. Jetzt ist ja auch allen Anwesenden klar, warum du so erpicht darauf warst!“, konterte Gwang-jo.

„Da hat er allerdings recht. Das ist schon merkwürdig.“, warf Marilou ein, die erstmals zu den Gästen sprach und sich aus dem Hintergrund der Gruppierung genähert hatte.

„Dich gibt es auch noch? Was hast du überhaupt zu sagen? Dir würde ich eher so etwas zutrauen, so düster und pessimistisch wie du dich immer gibst!“, warf nun die Brasilianerin ein, die an eine Schuld der religiösen Italienerin überhaupt nicht glauben wollte und blickte die Kanadierin misstrauisch an.

„Halt dein Maul. Du und Gwang-jo, ihr seid doch vom gleichen Schlag. Hinterhältig, gewalttätig und durchgedreht. Es würde mich nicht wundern, wenn ihr so etwas tun würdet.“, verteidigte Abdullah seine Angebetene und trat nun selbst wieder drohend näher, wobei er sich vor allem auf die Brasilianerin fokussierte, die ihm abschätzig entgegensah.

Nun trat auch Magdalena Osario energisch in den Halbkreis der versammelten Streithähne und versuchte auf sich aufmerksam zu machen, während ihr Mann regungslos blieb und ihr heimlicher Geliebter Lykström den Leichnam des toten Schotten untersuchte.

„Hört sofort mit diesen lächerlichen Streitereien auf. Es handelt sich hier um keinen Mord, sondern vermutlich um eine Herzattacke. Niemand trägt an irgendetwas die Schuld. Beruhigt euch gefälligst!“

Tatsächlich hinterließ ihre bestimmte Wortwahl einen gewissen Eindruck und alle Anwesenden schwiegen vorerst. Sie trat aus der Mitte der erhobenen Menschentraube heraus und blickte sich streng um.

„Wir können nichts mehr für ihn tun. Da meine Eltern schon hier gestorben sind, haben wir sogar noch zwei weitere Särge im Keller und in einen davon werden wir Malcolm legen. Wir sollten uns beruhigen und mein Mann wird gleich die Polizei oder Küstenwache verständigen. Es gibt hier wirklich keinen Grund zur Aufregung. Setzt euch hin und hört mit dieser albernen Panikmache auf. Es wird sich alles klären.“, schloss die Spanierin ihren Vortrag und versuchte Stärke zu zeigen, obwohl sie selbst ganz kreidebleich im Gesicht war.

Tatsächlich wurden der steife Butler und der unbeteiligt wirkende Koch von Marcel Wohlfahrt bald beauftragt den angesprochenen Holzsarg aus dem Keller nach oben zu befördern und den Toten darin einzubetten. Gehorchend, aber provozierend langsam und gefühllos machten sich die beiden Untergebenen auf den Weg.

Auch Mamadou und Thomas, die sich aus dem großen Tumult heraushielten, wollten nicht untätig bleiben und baten den österreichischen Direktor darum, kurz mit ihm sprechen zu dürfen. Dieser wollte zunächst protestieren, doch als er die ernsten Blicke der beiden Männer sah, stimmte er zu und zog sich unauffällig in den hinteren Teil der Halle mit ihnen zurück. Dann schlug er sogar aus Diskretionsgründen nervös vor, mit den beiden in seinem Arbeitszimmer zu verschwinden, was sie dann auch taten, während sich die anderen Gäste nun schweigend und beschämt entweder um den Leichnam gruppierten oder sich verstört auf ihre Zimmer zurückzogen.

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