by Sebastian Kluth
Par kluseba
Kapitel 60: Freitag, 13 Uhr 22, Speisesaal
Wie ein Derwisch war Gwang-jo die Wendeltreppe hinuntergejagt, verfolgt von den beiden Polizisten. Das Ziel des Koreaners war der Speisesaal, den er mit eilenden Schritten knapp vor den Polizisten erreichte, die ein mehr als nur ungutes Gefühl hatten. Sie ahnten, dass Gwang-jo sich im Bewusstsein seines Triumphes feiern lassen und die anderen Gästen über die neuesten Entdeckungen und Entwicklungen aufklären wollte. Thomas und Mamadou wollten jedoch verhindern, dass es zu einer Aufruhr oder Kettenreaktion kam und mit der Bekanntgabe behutsamer vorgeben.
Der Koreaner schlitterte in den Speisesaal, rief eine laute Begrüßung und stellte mit Genugtuung fest, dass sich alle Anwesenden schlagartig zu ihm umwandten. Die meisten beäugten ihn neugierig, manche aber mittlerweile auch kritisch oder sogar abschätzig. All dies kümmerte den entfesselten Koreaner nicht.
„Wir haben den Mörder gefasst! In seinem Zimmer waren die blutigen Kleidungsstücke der Toten, außerdem die Hälfte der gestohlenen zehntausend Pfund und sogar die verschwundenen Päckchen Kokain, die er unter seinem Bett versteckt hat.“, schrie Gwang-jo und erst jetzt erreichten die beiden Polizisten ihren unliebsamen Mitwisser.
Die hastig zusammengestammelten Sätze verfehlten in der Masse ihre Wirkung nicht. Aufgeregt begannen einige Gäste zu tuscheln, während der Schlossherr grimmig auf den Koreaner zuging, dem verdutzten Gwang-jo am Kragen packte und den beiden Ermittlern achtlos entriss. Mit irrem Blick starrte er den Boten an.
„Wer ist es? Raus mit der Sprache, du Nichtsnutz!“, herrschte Doktor Wohlfahrt sein Gegenüber mit bebender Stimme an. Speichel sprühte von seinen Lippen und dem sich windenden Koreaner gelang es nicht sich aus der groben Umklammerung zu befreien. Nervös nahm er Stellung, während sich Triumph und Angst in seine Stimme mischten.
„Es ist der Butler. Er hat alles im Turmzimmer versteckt. Es ist wirklich die Wahrheit! Jawohl, dein Butler Francis steckt dahinter!“, rief er nervös.
Der Schlossherr ließ ihn los und schubste den Koreaner leicht von sich. Im Speisesaal war es ganz still geworden, man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen hören. Die Spannung war förmlich greifbar und die Aufmerksamkeit konzentrierte sich nun auf die beiden Polizisten, von denen man eine Bestätigung der ungeheuerlichen Theorie verlangte.
„Ist es wahr, was er sagt?“, fragte er Schlossherr leise und tonlos.
Thomas brach in Schweiß aus. Nervös atmete er tief durch und fragte sich, ob er noch eine Wahl hatte. Die ganze Sache kam ihm trotz all den Beweisen noch seltsam vor und er hatte Angst dem Koreaner zuzustimmen, da er die Reaktionen einiger gewalttätiger oder gestresster Gäste bereits erahnen konnte. Wenn er die Aussage des Koreaners jetzt bestätigte, dann würde der Butler diese Insel wohl kaum mehr lebend verlassen. Konnte er, Thomas Jason Smith, das verantworten? Konnte er hundertprozentig sicher sein, dass der ominöse Butler entgegen seiner vorherigen Vermutung wirklich dahinter steckte? Sollte er sich tatsächlich getäuscht haben? War er vielleicht ein Narr, dass er immer noch zweifelte und an seiner ursprünglichen Theorie festhielt? Machte er mit seinem Zögern möglicherweise sogar noch alles viel schlimmer? Was sollte er jetzt tun?
Die Entscheidung wurde ihm unerwarteterweise abgenommen, denn Mamadou, der ebenfalls kurz gezögert hatte, brachte die Wahrheit schließlich über die Lippen.
„Ja, er hat die Wahrheit gesagt. Alles spricht gegen den Butler!“, sagte er ebenfalls leise und tonlos und der Schlossherr, fast ungeduldig geworden, nickte bitter und warf seiner Frau einen vernichtenden Blick zu.
Als ob dies ein Startsignal gewesen wäre, wandten sich mit einem mal alle Gäste der Stelle zu, an welcher der Butler vor wenigen Augenblicken noch auf dem Boden gekauert und völlig teilnahmslos und apathisch gewirkt hatte.
Doch nun traf die Gäste der nächste unerwartete Schock. Der Butler war spurlos verschwunden!
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