Eklablog
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by Sebastian Kluth

Kapitel 61

 Kapitel 61: Freitag, 13 Uhr 27, Speisesaal

 

Thomas hatte gemischte Gefühle, als er das Verschwinden des Butlers bemerkte. Auf der einen Seite war er trotz aller Gegenbeweise immer noch von der Unschuld des labilen, ehemaligen Drogendealers überzeugt und freute sich, dass er nicht direkt das Opfer der aufgebrachten Meute wurde, auf der anderen Seite nagte aber auch noch der Zweifel an ihm, ob der Sonderling nicht doch Dreck am Stecken hatte und sich nun irgendwo verkrochen hatte, um weitere unliebsame Überraschungen vorzubereiten.

 Die Gäste machten sich sofort hektisch auf die Suche nach dem verschwundenen Übeltäter, den sie in den letzten Minuten allesamt aus den Augen gelassen hatten. Weit konnte er jedoch auch noch nicht gekommen sein.

 Es brach eine Hektik aus, viele Gäste rannten unkontrolliert durch das Schloss und suchten an den unmöglichsten Orten. Auch Thomas beteiligte sich notgedrungen an der Suchaktion und wurde dabei zufälligerweise von dem aufgebrachten Schlossherrn begleitet, der auf die Idee kam in seinem Arbeitszimmer nachzusehen.

 Als Doktor Wohlfahrt energisch die Tür aufriss, wurde sie ihm grob aus der Hand gerissen. Erschrocken zuckte der alternde Österreicher zurück, realisierte aber schnell, dass nicht etwa der Butler, sondern ein natürliches Phänomen hinter der Aktion steckte. Wuchtig schlug die Tür gegen die Holzvertäfelung und auch Thomas wurde von dem starken Windzug erfasst.

 Beide erkannten sofort, dass der Durchzug durch ein offen stehendes Fenster verursacht worden war, welches jetzt klirrend zuschlug. Für den Schlossherrn war die Sache klar und er wandte sich abrupt um und stürzte zurück in den Speisesaal, wo sich wieder einige Gäste nach ergebnisloser Suche versammelt hatten.

 „Kommt sofort her! Der Butler ist durch ein Fenster in meinem Arbeitszimmer entwischt. Weit kann er nicht sein, er wird sich im Dickicht verkrochen haben!“, schrie Doktor Wohlfahrt und mobilisierte einige der Anwesenden.

 Thomas hatte sich stattdessen dem Fenster genähert, es kraftvoll aufgedrückt und warf einen Blick nach draußen. Auf dieser Seite des Schlosses, die zum Osten hin lag, war er noch nie gewesen. Er erspähte ein überdachtes, längeres Gemüsebeet, welches zu diesem Zeitpunkt völlig im Schlamm versickert war, daneben befand sich eine größere Gartenhütte mit verblichenen Scheiben. Ansonsten war diese Seite eher schmucklos und lag auch relativ nah an den steilen Klippen, während das Gelände hinter dem Schloss noch anstieg.

 Der junge Schotte überlegte nicht länger und sprang mit einem behänden Satz aus dem Arbeitszimmer und kam federnd wieder auf. Rasch hastete er durch den dichten und heftigen Regen auf das Gartenhaus zu, dessen quietschende Tür er grob aufriss.

 Der Schuppen war staubig und dunkel, Spinnweben hingen in den Ecken und der Schalter für die spärliche Glühbirne funktionierte nicht, sodass der schottische Polizist mit dem faktisch kaum vorhandenen Tageslicht auskommen musste, welches durch die offene Tür und die milchigen Scheiben fiel.

 Zögernd bewegte sich Thomas über die knarrenden Holzbretter und warf einen Blick in die Runde. In dem Schuppen gab es wenig Besonderes zu sehen. Ein moderner, fahrbarer Rasenmäher nahm die gesamte linke Hälfte ein, daneben standen verschiedene Werkzeugkasten oder Schaufeln. In einem uralten Kleiderschrank, dessen Türen schief in den Angeln hingen, waren alte und zerfetzte Kleidungsstücke, aber auch große Gummistiefel zu sehen. An der Wand waren einige Regale befestigt, auf denen meist Motorsägen oder ähnliche Gerätschaften lagen. Thomas fiel auf, dass ein Regal komplett leer war, obwohl sich kaum Staub darauf abgelagert hatte. Jemand schien sich erst vor kurzem hier bedient zu haben.

 Der schottische Polizist hatte den Gedanken kaum zu Ende gebracht, als neben ihm ein motorisches Geräusch aufheulte. Blitzschnell fuhr der Schotte herum und warf sich instinktiv zurück. So entging er um Haaresbreite der düsteren Gestalt, die hinter dem großen Rasenmäher hervorgesprungen war und eine funktionstüchtige Motorsäge umklammert hielt.

 Thomas war mit dem Rücken gegen eines der Regale gestoßen, welches dem Druck nicht standhielt. Krachend brach es zusammen, wobei das Holzbrett ausgerechnet auf den Kopf des Schotten fiel, dem schwarz vor Augen wurde. Benommen sank er zu Boden und hatte Glück, dass er nicht noch von einem Werkzeugkasten getroffen wurde, der wenige Zentimeter neben seinem Kopf ohrenbetäubend aufschlug. Einige kleinere Schubladen sprangen auf und Nägel oder Ventile sprangen im hohen Bogen heraus. Das brummende, drohende Geräusch der Motorsäge raubte dem benommenen Schotten den letzten Nerv und versetzte ihn in Panik.

 Er befand sich in einer völlig hilflosen Lage und kämpfte verzweifelt gegen die drohende Bewusstlosigkeit. Jede Bewegung seines Kopfes verursachte ihm stechende Schmerzen in der Nackengegend. Er war absolut unfähig sich zu bewegen.

 Doch die dunkel gekleidete Gestalt wandte sich plötzlich ab, schien zu lauschen und rannte dann hektisch auf die Tür zu, ohne dabei die Motorsäge auszuschalten. Draußen angekommen warf sich der Flüchtende herum und wandte dem benommenen Thomas auch das Gesicht zu, ohne diesen jedoch noch einmal anzugreifen.

 Es handelte sich tatsächlich um den mitgenommenen, irre blickenden Butler, der nun auf den hinteren Bereich des Schlosses zustürmte, während ihn die Rufe der anderen Gäste verfolgten, die ebenfalls das Arbeitszimmer verlassen hatten.

 Thomas erkannte an forderster Front den Englischlehrer Björn Ansgar Lykström, der auf dem nassen Untergrund unglücklich wegrutschte und der Länge nach hinfiel und somit auch den Weg für die anderen Gäste kurzzeitig versperrte. Abdullah Gadua stolperte über den Schweden und fiel selbst unsanft auf die Seite und rappelte sich fluchend auf.

 All diese Ereignisse hätten beinahe etwas Belustigendes an sich gehabt, wenn die Situation nicht so bedrohlich gewesen wäre.

 Thomas hatten die letzten Beobachtungen angestrengt und erneut legte sich ein dunkler Schleier vor seine Augen, der auch seine verwirrten Gedankengänge immer schneller lahm legte. Dieses Mal verlor er den Kampf gegen die dunkle und alles verschlingende Bewusstlosigkeit.

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