Eklablog
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by Sebastian Kluth

Kapitel 63

 Kapitel 63: Freitag, 14 Uhr 19, Dickicht

 

Den Pfad, den sie eingeschlagen hatte, befand sich nahe der steilen Küste und etwa sechs oder sieben Meter unter ihnen schlugen hohe Wellen kraftvoll gegen die grauen Klippen. Das Salzwasser sprühte in ihre Gesichter und durchnässte nicht nur ihre Kleidung, sondern auch den ohnehin schon feuchten und teils felsigen Untergrund, auf dem sich Moos und auch kleinere Algenkulturen gebildet hatten. Durch diese zusätzliche Gefahr bewegten sich die drei Männer nur sehr behutsam vorwärts, wobei der Pfad an sich einfacher begehbar war, da an der Küstenregion weniger Sträucher wuchsen.

 Nach einigen Minuten des schweigsamen Marsches machte der Pfad einen Knick in das Landesinnere und stieg gleichzeitig an. Einige verkrüppelte Wurzeln ragten aus dem felsigen Untergrund und bildeten kleinere Stolperfallen.

 Gelegentlich hielt Thomas am Ende der Gruppe inne und lauschte einige Sekunden lang, in der Hoffnung ein verdächtiges Geräusch oder auch das Heulen des unheimlichen und blutrünstigen Wolfes zu hören. Bis auf die krachende Brandung und das Kreischen einiger Möwen, die in sicherer Distanz um die Insel schwirrten, als ob sie ahnen würden, dass auf dieser ein verhängnisvoller Fluch lag, vernahm er jedoch keinen Laut.

 Durch den Bogen, den der Pfad nun schlug, wurde das Gelände wieder unwegsamer und die Vegetation nahm ihnen bald wieder die Sicht auf die Küste, sodass sie sich ziemlich verloren vorkamen. Im Dickicht war es totenstill, kein Tier regte sich und auch der Regen hatte in diesen Momenten einmal aufgehört.

 Plötzlich ertönte hinter Thomas ein lautes, aggressives Krächzen und der schottische Polizist fuhr mit einem schnellen Reflex herum. Er sah gerade noch einen pechschwarzen Schatten, der auf ihn zuraste und warf sich instinktiv zu Boden. Hart schlug Thomas mit dem Rücken auf einer knorrigen Wurzel auf und landete mit dem Gesicht in der durchweichten Erde. Dennoch gelang es ihm einen Blick auf den unheilvollen Angreifer zu werfen, der mit einem heiseren Geschrei an ihm vorüberhuschte.

 Es handelte sich um einen pechschwarzen Raben, der wohl durch ihre Wanderung im Dickicht aufgeschreckt worden war und darauf sehr erbost reagierte. Thomas hatte das Gefühl, als hätte er das mysteriöse Wesen schon einmal gesehen. Der schwarze, unheilvolle Bote hockte jetzt einige Meter von ihm entfernt in einem verkrüppelten und starren Geäst und blickte den jungen Schotten aus tiefschwarzen und erbarmungslosen Augen an.

 Ein Schaudern rann über den durchschwitzten Rücken des Polizisten und er hatte das Gefühl, als ob das Auftauchen des Tieres nicht ganz zufällig war, als ob es wie eine letzte Warnung vor weiteren, schrecklichen Ereignissen war, die in der unmittelbaren Zukunft lagen. Der Rabe blickte ihn finster an und erhob sich krächzend in die Lüfte, wo er träge seine Runden über dem Dickicht zog.

 Thomas verlor den prophetischen Boten aus der Tierwelt aus den Augen und schüttelte sich benommen. Unwirsch versuchte er seine letzten, pessimistischen Gedankengänge und Eingebungen zu verdrängen und abzuwerten, doch es gelang ihm weniger und ein gewisser Restzweifel blieb doch an seiner Seele haften.

 Langsam erhob sich der Schotte und wurde dabei sogar von seinen beiden Begleitern geschützt, die beunruhigt in den starren und grauen Himmel starrten. Hin und wieder glaubten sie einen schwarzen Schatten zu sehen, doch sie waren sich nicht sicher. Der Rabe verhielt sich ruhig und hatte in eine reine Beobachterposition gewechselt.

 Ein letzter Blick gen Himmel bewies auch Thomas, dass der Rabe verschwunden war, als ob er selbst nur eine Geisteserscheinung gewesen wäre. Vielleicht hatte sich sein dunkles Gefieder aber auch mit den dunklen Wolkenbänken nicht mehr ausreichend kontrastiert und das böse Omen schwirrte in uneinsehbarer Höhe überlegen über ihnen.

 Eine Zeit lang folgten die drei Männer noch den Trampelpfad, der viele Windungen beschrieb und zu keinem Ziel zu führen schien. Die Zeit zog sich zäh wie ein Kaugummi dahin, ohne ihre Uhren hätten sie alle längst jegliches Zeitgefühl verloren. Im Dickicht war es still und sehr nass, als ob selbst die sensiblen Tiere diesen Hort des Unheils meiden wollten. Lediglich einige Mücken bissen sich förmlich in der Haut der Menschen fest, zudem war es unter dem Blätterdach auch ein wenig schwül. Diese Kombination machte ihnen allen zu schaffen und brachte sie gehörig ins Schwitzen.

 Einige Male wurde der Pfad schmaler, die Vegetation dichter. An einer Gabelung des Pfades entschied sich Björn Ansgar Lykström, der den Kopf und die Leitung der Gruppe mehr oder weniger zufällig übernommen hatte, für den linkeren Pfad, der sie kurzzeitig wieder in Richtung der Küste führte. Der Weg ging etwas in die Tiefe und schmiegte sich bedrohlich nah an die grauen Klippen. Der Boden war glitschig und unter ihn lauerte das brodelnde Meer und unzählige Felsen, die an scharfe Pfeilspitzen erinnerten.

 Flach pressten sich die drei Männer an die Wände und schlichen weiter, teilweise mussten sie gar seitwärts gehen. Kleinere Steine oder Rinnsäle von Regenwasser tröpfelten in aller Regelmäßigkeit auf ihre ungeschützten Köpfe. Der Weg führte schließlich in ein kleines, steiles Joch, das in einer kleinen Höhle endete, in der es muffig und dunkel war. Sie war unglaublich in die Länge gezogen, obwohl sie nicht tief in das Landesinnere hineinreichte.

 Thomas schrak auf, als er ein düsteres Kreischen hörte und schwarze Gestalten haarscharf ans einem Gesicht vorbeizuckten und nach draußen flogen. Die Augen der Wesen glühten bedrohlich und diabolisch im schützenden Dunkel der Höhle. Fatmir Skola war vor Schreck in die Knie gegangen und zitterte wie Espenlaub. Die Nerven lagen mehr und mehr bei allen Beteiligten blank.

 Auch Thomas leuchtete nicht direkt ein, dass es sich bei diesen gruseligen Wesen lediglich um aufgeschreckte Fledermäuse gehandelt hatte. Gemeinsam mit dem schwedischen Englischlehrer baute er den Dritten im Bunde allerdings wieder auf und animierte den Albaner, der sich ohnehin im Wechselbad der Gefühle befand und mal ängstlich und zurückhaltend, mal aufbrausend und aggressiv wirkte, zum Weitergehen.

 Vorsichtig schritten sie durch die Höhle, die sich zum anderen Ausgang hin weiter verjüngte und so eng wurde, dass sie eher einem Stollen glich. Der Untergrund war nass und glitschig, zudem stieg das Gelände leicht an und machte auch eine leichte Krümmung zum Landesinneren hin.

 Nach einigen Minuten erreichten sie den düsteren Ausgang, der ihnen die Aussicht auf einen grauen und dichten Himmel bot, während ein schmaler Pfad nun um das Dickicht herum auf die andere Seite der Insel führte. Diese Region war zerklüfteter und hatte viele Steigungen, aber auch Senken. Der höchste Punkt dieser Privatinsel befand sich auch in der Region, nämlich ein steiler Anstieg, der voller Moose und Farne war und auf der höchsten Klippe abrupt zu Ende kam. Die Höhe mochte dort gut und gerne sechzig, vielleicht sogar siebzig Meter über dem Meeresspiegel betragen.

 Plötzlich hielt Lykström, gerade als die drei Männer ein letztes Mal das Dickicht streiften, welches etwa einhundertfünfzig Meter vor der Küste immer verkrüppelter wurde und schließlich ganz endete, abrupt inne. Auf die erstaunten Blicke seiner Begleiter reagierte er mit einem unkonzentrierten Abwinken und lauschte stattdessen in das Innere des Dickichts hinein. Nach wenigen Augenblicken vernahm auch Thomas die Bedrohung.

 Eine dunkle, sonore Stimme schien mit irgendwem oder irgendetwas zu sprechen. Zwischendurch ertönte hin und wieder ein Pfiff, der Thomas an das Pfeifen nach einem fortgelaufenem Hund erinnerte. Schaudernd und zugleich siedend heiß fiel ihm ein, dass dieses Signal auch anderen vierbeinigen Lebewesen gelten konnte, beispielsweise dem wilden Vorfahren des Hundes, der unter irgendeinem Kommando durch diese Wälder streifte.

 Die düstere Stimme kam indes immer näher und wurde gleichzeitig auch beängstigender. Sie kam aus dem Dickicht und würde in wenigen Augenblicken die drei ungeschützten Sucher erblicken. Es blieb ihnen keine Zeit mehr, um sich vor dem drohenden Unheil in Sicherheit zu bringen.

 Bevor Thomas reagieren konnte, raschelte es schon neben ihm im Gebüsch und eine dunkle Gestalt sprang mit einem angriffsbereiten Schrei durch zwei Büsche hindurch. Doch nicht diese Tatsache erschreckte die drei Männer, sondern auch die Pistole, die mitten auf die Stirn des schottischen Polizisten zeigte, der von seinem Gegenüber plötzlich keine drei Meter mehr entfernt stand, sodass jede Flucht zu langsam und zwecklosgewesen wäre.

 Der Schweiß rann dem jungen Schotten aus den Haaren über die Stirn und in die Augen, sein Atem ging schwer und sein Herz pochte in seinen stark hervortretenden Halsschlagadern. Doch trotz dieser unerwarteten Situation überwand sich der Schotte und sprach seinen unerwartenden Gegner mit zitternder Stimme an.

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