Eklablog
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by Sebastian Kluth

Kapitel 78

 Kapitel 78: Freitag, 21Uhr 52 Vorratskammer

 

Zu dritt durchsuchten sie nun die seltsame Vorratskammer, in der Hoffnung auf irgendein weiteres verräterisches Indiz zu stoßen. Thomas war nach der Entdeckung der Kammer wieder voller energischem Motivationsdrang, seine Angst in dem dunklen Gang und seine Konfrontation mit der Brasilianerin verdrängte er in diesen Augenblicken und sprach sich selbst neuen Mut zu.

Sein Ego wurde noch dadurch gestärkt, dass er auch als Erster wieder fündig wurde. Unter einem der rostigen Regale lag eine Art metallisches Etui, welches sowohl eine kleine Schere, als auch eine Nagelfeile beinhaltete. Vorsichtig klappte er das Fundstück zusammen und erblickte eine blau gefärbte Blüte, die in das Metall eingraviert war. Thomas runzelte die Stirn, denn er war sich sicher, dass er diese seltsame Blüte bereits irgendwo einmal gesehen hatte. Doch der voller Erregung erwartete Geistesblitz blieb dieses Mal aus. Auch seine beiden Begleiter kannten keine Erklärung für das seltsame Symbol.

„Ich habe dieses Symbol auch schon einmal gesehen. Vielleicht ist es eine Art Wappen und wir haben es damals in unserem Geschichtsunterricht mal gesehen oder durchgenommen.“, mutmaßte Elaine Maria da Silva, die von der Entdeckung beeindruckt war und ihre Hand anerkennend auf die Schulter des schottischen Polizisten gelegt hatte, der sich ihr mit einem Mal fast wieder ebenbürtig fühlte und dieses Gefühl der temporären Macht genoss.

„Dieses kleine Etui deutet vielleicht darauf hin, dass der Täter eine Frau ist. Ich könnte mir jedenfalls nicht vorstellen, dass sich ein Mann beim Warten seine Fingernägel feilt oder schneidet.“, merkte Björn Ansgar Lykström kühl an und bedachte die Brasilianerin mit einem düsteren Seitenblick.

Elaine Maria da Silva war der forsche Unterton in seiner Stimme nicht entgangen und sie lächelte dem Schweden geheimnisvoll zu. Dieser ging auf die charmante Geste nicht ein und verschränkte energisch seine Arme vor der Brust.

„Das ist nur eine Vermutung, die nicht unbedingt stimmen muss. Wenn wir bloß das Material hätten, um Fingerabdrücke zu nehmen oder DNA-Material zu identifizieren, dann wären wir der Lösung des Rätsels schon verdammt nah gekommen.“, merkte Thomas an, der sich selbst wunderte, warum er für die mysteriöse Brasilianerin indirekt Partei ergriffen hatte. Sein gerade aufgebautes Selbstvertrauen drohte seltsamerweise wieder in sich zusammenzufallen, da ihn dieser Fund auch nur bedingt weiterbrachte.

„Ich denke, dass hier nichts mehr zu finden ist. Wir sollten das Etui mitnehmen und uns dann der anderen Seite des Ganges zuwenden.“, schlug Elaine Maria da Silva vor.

Björn Ansgar Lykström nahm jedoch auch einige der Spritzen an sich und verstaute sogar die Plastikbehälter mühsam in den Taschen seiner leichten Jacke. Thomas sah ihn erstaunt an.

„Wenn du diese Dinge von hier wegnimmst, dann wird der Killer sofort bemerken, dass sein Versteck entdeckt worden ist.“, gab der junge Polizist zu bedenken.

„Der Täter würde es ohnehin bemerken, so viel Staub wie wir hier aufgewirbelt haben. Außerdem weiß wahrscheinlich schon die Hälfte der Anwesenden, dass wir dieses Versteck gefunden haben. Mamadou hat es gesehen und er wird es vielleicht nicht weitersagen, aber Fatmir war auch dabei und der wird es vermutlich an die große Glocke hängen.“, konterte der Schwede mit anderen Argumenten.

Thomas musste anerkennend nicken und hatte der Begründung nichts mehr hinzuzufügen. Mit einem Seitenblick stellte er fest, dass Elaine Maria da Silva bereits voller Eifer zurück in den düsteren Gang geklettert war und die beiden Männer machten sich daran ihr zu folgen. Lykström bildete dieses Mal den Abschluss der Gruppe und lehnte die dünne Holzwand hinter sich vorsichtig an die Wand.

Thomas Jason Smith, Björn Ansgar Lykström und Elaine Maria da Silva gingen den gleichen Weg zurück, den sie kurz zuvor genommen hatten und gelangten nach einiger Zeit in den anderen Gang, ohne dabei noch einmal auf irgendwelche Ratten oder größeres Ungeziefer gestoßen zu sein, was Thomas ungemein beruhigt hatte.

In dem rechten Abschnitt des Ganges konnte man fast komplett aufrecht gehen und hatte einen weitaus besseren Überblick. Erneut war es Thomas, der das Auge für das Detail hatte.

„In dem Staub sind Fußspuren. Irgendwer muss hier vor kurzer Zeit noch entlang gekommen sein.“, bemerkte er aufgeregt und trieb die beiden anderen Begleiter eilig an.

Der Gang machte einen leichten Knick und ging ein wenig abwärts, bevor er abrupt vor einem fast brunnenartigen Abgang aufhörte. Elaine Maria da Silva hatte das dunkle Loch erst im letzten Moment gesehen und ruderte plötzlich hektisch mit den Armen. Thomas ergriff die Taille der Brasilianerin und zog sie sanft vor dem Abgrund weg, in den eine weitere Leiter führte, die alles andere als vertrauenserweckend aussah. Elaine Maria da Silva blickte Thomas mit leuchtenden Augen an und schmiegte sich eng an ihm. In diesem Moment spürte der Schotte erstmals so etwas wie Angst und gar aufrichtige Dankbarkeit der sonst so überheblichen Brasilianerin. Die körperliche Nähe dieser Schönheit gab Thomas einen neuen Motivationsschub und er fühlte erneut ein geheimnisvolles Kribbeln in seinem Bauch hochsteigen.

Entschlossen löste er sich von seiner anhänglichen Begleiterin, drehte sich um und betrat die erste Sprosse der Leiter, die recht weit in die Tiefe zu führen schien. Behutsam bewegte er sich Schritt um Schritt in die Tiefe und klammerte sich krampfhaft an jeder Sprosse mit beiden Händen fest. Als er unter sich blickte, sah er nur ein unheilvolles und endlos erscheinendes schwarzes Loch, das ihn zu verschlingen drohte.

Thomas versuchte sich von diesem unbehaglichen Gedanken zu lösen, als plötzlich eine der Sprossen unter seinem Gewicht nachgab. Mit einem metallischen Splittern brach sie entzwei und Thomas hörte nach einige Sekunden ein dumpfes Schlagen, als die Sprosse auf dem Boden aufschlug. Wenn dort unten tatsächlich jemand sein sollte, war er spätestens jetzt bestens gewarnt und konnte die Gruppe mühelos überraschen und attackieren.

Der junge Schotte griff entsetzt nach und baumelte mit einem Mal orientierungslos über dem Abgrund. Das Blut rauschte ihm durch den Kopf, ein drückendes Gefühl bereitete sich in seinem Magen aus. Nervös hielt er inne, blickte krampfhaft auf die Sprosse, an der er sich festhielt und atmete tief durch. Er war schweißüberströmt und der physischen wie auch psychischen Belastung schwer ausgesetzt.

Erst nach einigen Sekunden des Verschnaufens sammelte er seine letzten Kraftreserven und machte sich an den restlichen Abstieg. Einige Sprossen knarrten wie unter Protest und bogen sich gefährlich durch, doch sie hielten seinem Körpergewicht erstaunlicherweise stand. Mit einem flauen Gefühl im Magen näherte er sich immer weiter dem Abgrund und sprang nach einigen Metern von der Leiter ab. Federnd kam er auf dem staubigen Boden auf und sah einen breiteren Gang vor sich, der in ein schwach durch Kerzenlicht erleuchtetes Gewölbe führte.

Erschöpft wandte er sich um und wartete auf die beiden anderen Begleiter, die sich nun an den Abstieg machten. Die relativ leichte und grazile Elaine Maria da Silva hatte mit dieser Aufgabe keinerlei Probleme und lächelte Thomas bei ihrer Ankunft im unteren Bereich fast schon spaßhaft hochnäsig zu. Thomas konnte nicht verhindern, dass er beim Anblick der Brasilianerin ebenfalls leicht lächeln musste, allerdings nicht auf arrogante Weise. Sofort wurde er rot, als er sich selbst bei dieser annäherenden Geste ertappte. Was war bloß mit ihm los?

Der Schwede tat sich mit dem Abstieg jedoch weitaus schwerer und plötzlich brach im unteren Drittel seiner Strecke eine Sprosse weg. Der Lehrer reagierte einen Tick zu spät, rutschte mit seinen schwitzigen Fingern ab und stürzte rücklings in die Tiefe. Thomas stieß instinktiv die Brasilianerin zur Seite und rettete sich selbst mit einem Hechtsprung in das geheime Gewölbe.

Mit einem dumpfen Krachen wurde der Fall des Schweden beendet, der fluchend auf seinem Rücken lag und sich vor Schmerzen wand. Thomas trat auf ihn zu, half ihm auf und stellte beruhigt fest, dass Björn Ansgar Lykström keinerlei gravierende Verletzungen davongetragen hatte. Hilfsbereit legte er seine Schulter um den Schweden uns stützte diesen leicht. Der Englischlehrer schüttelte ironisch lachend den Kopf.

„Ich habe unwahrscheinliches Glück gehabt. Ich hätte mir alles Mögliche brechen können.“, kommentierte er seinen schmerzhaften Aufprall und rieb sich in gebückter Haltung seinen lediglich leicht lädierten Rücken.

In diesem Moment blicken die beiden Männer auf die Brasilianerin, die bereits ein wenig vorgegangen war und völlig versteift in der Mitte des Gewölbes stand und an die Decke blickte. Thomas runzelte angestrengt die Stirn und wollte schon fragen, was die Brasilianerin so erschreckt hatte, als er selbst das Unglaubliche sah.

Dem Schotten stockte der Atem, sein Herz schien still zu stehen und sein Blut schoss wie betäubend in seinen dumpfen Schädel. Sein Mund klappte auf und gehauchte, wirre Worte drangen zusammenhangslos über seine Lippen. Neben ihm war der schwedische Englischlehrer weis wie ein Bettlaken geworden und gab ein würgendes Geräusch von sich. Erschöpft sank Lykström zu Boden, kauerte sich zusammen und wandte sein Gesicht von dem Schrecklichen ab. 

Thomas wollte es ihm gleich tun, doch er war wie paralysiert und saugte das Bild des Grauens wie ein nasser Schwamm Wasser in sich auf. Er hatte mit dem Schlimmsten gerechnet, doch dieser grausige Anblick hatte seine Erwartungen noch negativ übertroffen. Selbst Elaine Maria da Silva, die in ihren Romanen sonst so souverän provozierte und grausame Misshandlunge explizit beschrieb, war von dem unfassbaren Anblick sichtlich getroffen. Die Realität zeigte ihr ihre Grenzen, die selbst in den brutalsten Romanen nicht beschreibbar waren. Das Grauen war keine Fiktion mehr, sondern ein realer Alptraum geworden. Wie in Trance schmiegte sich die Brasilianerin an den schottischen Polizisten, doch dieses Mal kam sie ohne sexuelle Anspielungen und Berührungen aus, denn sie suchte selbst nun nur noch Halt und Unterstützung.

Dieser Körperkontakt riss wiederum den Schotten aus seiner starren Lethargie und er taumelte hilflos in die Mitte des Gewölbes, wo er jetzt direkt unter dem grausamen Fund stand und wo ihn nun ein eiskaltes Schaudern überfiel.

„Wir haben ihn gefunden.“, hauchte er nur atemlos, als ob er sich selbst zureden müsste, um die nackte Wahrheit als Realität zu akzeptieren.

„Verdammt, wir sind zu spät gekommen.“, erwiderte Björn Ansgar Lykström leise, der sich lautlos in den Rücken des Schotten geschlichen und seinen ersten Schock scheinbar überwunden hatte.

Beide starrten wie gebannt auf den leblosen Körper des Butlers, der sich mit einem rauen Strick an einem alten Holzbalken erhängt hatte und dessen Leichnam wie ein diabolisches Fanal in der Luft von einer Seite zur anderen pendelte.

 

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