Eklablog
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by Sebastian Kluth

Kapitel 79

 Kapitel 79: Freitag, 22Uhr 08 Gewölbe

 

Der Butler war aus dem Zimmer des schottischen Polizisten an einen wohl nur ihm und vielleicht noch den beiden Schlossherren oder dem ominösen Mörder bekannten Ort geflüchtet, wo er sich nach Tagen der Qual und Unterdrückung das Leben genommen hatte. Die Augen des Toten zeigten einen starren und kalten Ausdruck, sein Körper wirkte geschunden und erschöpft.

Thomas fühlte einen unbändigen und abgrundtiefen Hass in sich aufsteigen, der sich vor allem gegen Gwang-jo richtete, der an diesem tragischen Ende zumindest eine enorme Teilschuld trug. Er hatte den Butler über Tage hinweg beschuldigt, fast alle Anwesenden gegen ihn aufgebracht, ihn verprügelt, gefesselt und eingesperrt und der labile Schotte hatte diesen Feindseligkeiten mental irgendwann einfach nicht mehr Stand gehalten.

Der junge Schotte sah unterhalb des Leichnams einen umgekippten Stuhl, auf dem er kurz zuvor noch gestanden haben musste, als er sich die raue Schlinge um den Hals gelegt hatte.

Thomas hatte seinen ersten Schock überwunden und blickte nun systematisch nach irgendwelchen Hinweisen oder Indizien, die der Butler hinterlassen haben könnte. Doch weder von irgendwelchen persönlichen Gegenständen, noch von einem Abschiedsbrief war irgendetwas in den düsteren Katakomben zu sehen.

Erst jetzt blickte sich der Schotte näher in der unterirdischen Halle um. Die Wände waren grau verputzt und wirkten sehr solide, fast wie in einem Luftschutzbunker des zweiten Weltkrieges. Die wahre Bedeutung der Installation dieses Raumes bemerkte der schottische Polizist erst, als er zu seiner rechten Seite eine kreisrunde Öffnung sah, die mit einem Gitter und einem modernen Zahlencode verschlossen war, der ein trübes rotes Blinken durch den gespenstischen Raum versandte.

Hinter den engen Gitterstäben sah Thomas einen langen und düsteren Gang, der vor mehreren Schließfächern unterschiedlicher Größe endete. An den Seiten dieser Fächer sah er auch einen längeren Quergang, in dem mehrere Vitrinen standen, in den irgendwelche Schmuckstücke gelagert wurden. Thomas glaubte einige golden schimmernde Ringe zu erkennen und sogar eine Art Krone. Offensichtlich waren sie soeben auf den privaten Schatz der Familie Osario gestoßen, der mehr als gut versteckt worden war. Thomas fragte sich, ob der österreichische Schlossherr je von diesem Vermögen erfahren hatte oder ob es ein rein internes Geheimnis der Familie gewesen war.

Björn Ansgar Lykström hatte die Schätze nun ebenfalls bemerkt und drängte sich mit offenem Mund an die dicken Gitterstäbe. Er holte tief Luft und schüttelte halb verwundert, halb ironisch den Kopf.

„Ich wusste ja bereits, dass Magdalena und ihre Familie sehr vermögend waren, aber dies hier übersteigt alle meine Vermutungen. Das muss mehrere Millionen Pfund wert sein.“, bemerkte er atemlos und Thomas bemerkte die zitternde Ehrfurcht und Gier in den Blicken des Schweden. Diese Beobachtung führte ihn noch zu einem anderen Gedanken.

„Vielleicht ist dieser Schatz ja das geheime Ziel des Killers. Er bringt alle Bewohner des Schlosses um die Ecke, erbeutet den Schatz, dessen Alarmanlage niemand mehr hören wird und setzt sich mit dem Vermögen heimlich ins Ausland ab.“, mutmaßte Thomas.

„Das wäre gut möglich. Wenn der Killer die geheime Vorratskammer kannte, dann wird er auch diesen Raum bereits gesehen haben. Ich frage mich nur, wer unter den Gästen ein Interesse daran haben könnte. Die meisten unter uns sind doch selbst recht vermögend.“, warf der Schwede nachdenklich in den Raum.

„Gwang-jo ist arbeitslos. Es mag sein, dass er von seinen Eltern einiges abbekommt, aber er möchte sich bestimmt noch mehr leisten und sich selbst etwas beweisen.“, bemerkte Elaine Maria da Silva, die sich langsam und lautlos den beiden Männern genähert hatte.

„Das Motiv ist mir aber zu vage. Jeder hätte ein Motiv solch ein Vermögen stehlen zu wollen. Ein unterbezahlter Koch, ein Lehrer, selbst ein hoch angesehener Polizist oder eine Autorin. Jeder von uns verdient im Vergleich zu dem, was dort drinnen gelagert ist, rein gar nichts.“, entkräftete Thomas das Argument der verführerischen Schönheit.

Björn Ansgar Lykström konnte sich von dem Anblick der Schätze kaum lösen, Tränen waren in seine Augen gestiegen und seine Unterlippen bebten vor trauernder Erregung. Thomas bemerkte dies und näherte sich dem Schweden. Sanft legte er seine Hand auf dessen Schulter.

„Mit diesem Vermögen hätten wir uns eine völlig neue Existenz aufbauen können. Wir hätten diesen perversen Schlossherren hier zurückgelassen und uns jeden Wunsch erfüllen können.“, stotterte der Schwede mit bebender Stimme, als er an seine tote Geliebte dachte. Mit einer fahrigen Bewegung griff er in seine Jackentasche, ergriff eine halb zermalmte Zigarette und zündete sich diese schwer atmend an.

Thomas ließ den Lehrer in Ruhe und wandte sich wieder dem Leichnam des Butlers zu, der mit perverser Langsamkeit am Strick durch die Luft pendelte. Thomas richtete den umgekippten Stuhl wieder auf, stieg auf selbigen und zückte sein Schweizer Messer. Es kam ihm unheimlich vor, als er das bleiche Totengesicht an seinem eigenen vorbeipendeln sah und ein kaltes Schaudern überfiel ihn. Mit unterdrückter Übelkeit und halb geschlossenen Augen schnitt er den Strick durch und versuchte dadurch den Blickkontakt mit den blassen Augenhöhlen des Butlers zu vermeiden, auch wenn ihn das Durchtrennen des Strickes dadurch auf umständliche Art mehr Zeit kostete. Nach scheinbar endlos langer Zeit hatte er das grobe Seil endlich durchtrennt und der Leichnam fiel dumpf und wie ein schwerer Jutesack zu Boden.

Björn Ansgar Lykström stand immer noch apathisch und stille Tränen vergießend vor dem gesicherten Gittertor, während Elaine Maria da Silva eher verloren durch den großen katakombenartigen Gang hin und her ging. Schließlich hatte die gar nicht mehr so düster und abweisend wirkend Brasilianerin einige Holzkisten in einer Ecke gefunden, die sie neugierig geöffnet hatte. In den meisten befanden sich ältere Konservendosen, in manchen aber auch kleinere Gewehre. Nach einiger Zeit wandte sie sich ab und schritt wieder ziellos umher.

Thomas stieg wieder von dem Stuhl herunter und blickte traurig auf den toten Butler, dervor ihm auf dem Rücken lag. Sein Gesicht wirkte seltsam alt und grau, seine gesamte Köperhaltung war völlig verkrampft.

Entschlossen blickte Thomas seine beiden Begleiter an und seine Gesichtsmuskeln zuckten dabei unkontrolliert.

„Wir können ihn nicht hier liegen lassen. Wir sollten ihn bis nach oben tragen und ihm eine ehrenvolle Beerdigung ermöglichen. Außerdem können wir diesem widerwärtigen Koreaner und allen, die noch am leben sind, dann endlich zeigen, wohin sein blinder Hass geführt hat.“, bemerkte er grimmig.

„Die Last ist viel zu schwer, wir werden es niemals schaffen ihn bis nach ganz oben zu transportieren.“, entgegnete der schwedische Englischlehrer, der sich nach minutenlanger starrer Fassungslosigkeit endlich vom Anblick der zahlreichen, wertvollen privaten Habseligkeiten der Osarios lösen konnte, hinter Thomas bestimmt.

„Ich finde, dass Thomas recht hat. Wir müssen ihn hier wegschaffen.“, unterbrach die energische Brasilianerin sofort und der Schwede verstummte verbissen.

Kurz darauf lud sich der junge schottische Polizist den kalten Körper des Toten auf die Schultern. Zuvor hatte er den Schweden auffordernd angeblickt, doch dieser hatte sich nur stumm schaudernd abgewandt und Thomas hatte dieses Zeichen sofort richtig gedeutet. Die Brasilianerin hatte der Schotte nicht darum bitten wollen.

Somit bewegte sich Thomas wieder auf die wacklige Leiter zu. Erst in diesem Moment bemerkte er eine nicht erleuchtete Fackel, die sich in einer Nische des Ganges befand und blieb nachdenklich vor ihr stehen. Ihm ging ein Licht auf, als er bemerkte, dass dieser Fackelhalter exakt dem glich, der den Geheimgang freigegeben und einen geheimnisvollen Mechanismus aktiviert hatte.

Neugierig näherte er sich der auf den ersten Blick völlig unscheinbaren Konstruktion und drückte den halter mit aller Kraft nach unten. Der Gegenstand gab um keinen Zentimeter nach und Thomas wollte schon ernüchtert aufgeben, als er das Manöver routinemäßig auch in die andere Richtung versuchte. Plötzlich gab der Fackelhalter nach und klappte nach hinten um.

Thomas wich verschreckt zurück, als er ein düsteres Knirschen hörte und sah direkt hinter sich auf einmal, wie ein Teil der mit Ziegelsteinen beschichteten Wand wie von Geisterhand in ein anderen Gang zurückglitt und dann rechtwinklig zur Seite klappte. Die Steine schienen nur eine Art Tarnung gewesen zu sein und waren weitaus weniger robust, als es den Anschein gehabt hatte.

Mit einem anerkennenden Pfeifton kommentierte Björn Ansgar Lykström die Entdeckung, doch es war die verwegene Brasilianerin, die zuerst in den Gang trat und sich in fast vollkommener Dunkelheit auf eine alte Treppe zu bewegte, die kurvenreich in die Höhe führte. Der schwedische Lehrer machte seine Taschenlampe an und leuchtete auf den muffigen und mit zahlreichen dichten Spinnweben bedeckten Weg und begab sich deutlich weniger forsch und recht vorsichtig in den dunklen und höhlenartigen Aufstieg, welcher die mysteriöse Brasilianerin bereits wie ein schwarzes Loch verschluckt hatte.

Thomas zögerte noch kurz, doch dann trat auch er in den engen Gang und war gerade noch rechtzeitig gekommen, da hinter ihm ein Mechanismus ausgelöst wurde, der den Rückweg mit einem grausigen Knarren versperrte und dumpf verschloss.

 

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