• 3. Interview mit Senmuth plus eine kleine Werkschau des Künstlers

     

    Valery Av ist ein russischer Multiinstrumentalist, der unter dem Pseudonym „Senmuth“ bekannt geworden ist. Nachdem er bereits ein Soloprojekt namens „Anima“ hatte, veröffentlichte er sein erstes Album unter neuem Namen im Jahr 2004. Seitdem hat der Grafikdesigner aus Moskau, der seine Albencover allesamt selbst entwirft und nebenbei auch verheiratet ist und eine Tochter hat, in rasanter Schnelle und mit viel Qualität ganze neunundneunzig Alben veröffentlicht. Neben seinem Soloprojekt, spielt der achtunddreißigjährige Russe auch bei diversen anderen Projekten mit. Dazu zählt das Projekt „Bitrayer“, das seiner Soloarbeit sehr ähnelt und diverse Folkinstrumente mit atmosphärisch-elektronischen Passagen vermischt. Beim Projekt „neNasty“ arbeitet er mit der Sângerin Nasty Turenkova zusammen und sie spielen eine Mischung aus tanzbarem Gothic und Industrial Metal. Das Projekt „Technotitlan“ interessiert sich besonders für die Kultur ausgestorbener Völker wie die der Mayas und vermischt traditionelle Klänge mit harter und düsterer Rockmusik. Bei der experimentierfreudigen Death Metal Band „Riders On The Bones“ spielt Valery Av bei Konzerten die armenische Flöte Duduk und die Andenflöte Quena. Anlässlich der Veröffentlichung seines einhundertsten Albums, das im Frühjahr 2012 nach einer kurzen kreativen Pause erscheinen soll, habe ich den vielseitigen Musiker, der von New Age bis Dark Wave diverse Musikstile in seinen Alben vereint, exklusiv auf Russisch und Englisch interviewt.

     

    Sebastian Kluth: „Guten Tag Valery Av und vielen Dank, dass Sie sich für dieses Interview Zeit genommen haben. Sie haben den Namen ihres Projektes nach dem altägyptischen Priester, Offizier, Finanzbeamten und Baumeister des Neuen Reiches Senenmut benannt. Ihm wird eine Liebesbeziehung mit der Pharaonin Hatschepsut nachgesagt, deren Tochter Neferu-Re er jahrelang erzog. Nach dem Tod der Tochter wurde Senenmut unter mysteriösen Umständen verbannt. Viele seiner Abbilder wurden zerstört und seine Mumie bleibt bis heute verschollen. Was hat sie an dieser Person so sehr fasziniert?“

     

    Senmuth: „Die altägyptische Geschichte und seine Architektur, seine Kultur und sein Totenkult haben mich schon immer interessiert. Was Senenmuth angeht, so gefällt mir seine Architektur und seine besondere und mysteriöse Beziehung zur Pharaonin.“

     

    Sebastian Kluth: „Was sind ihre künstlerischen Ansprüche und Ziele?“

     

    Senmuth: „Wenn ich nicht künstlerisch schaffe, dann riskiere ich mich zu verlieren oder gar zu sterben. Es wäre sehr schwer für mich ohne meine Musik zu leben und mich nicht zu realisieren. Ich habe einen sehr starken und intensiven Kreationsdrang und arbeite nie lange an meinen Projekten. Ich versuche ständig etwas Eigenständiges und Anderes zu machen. Ich habe mit vierzehn Jahren angefangen Gitarre zu spielen. Es hat aber gut zehn Jahre gedauert, bis ich reif genug war und etwas vernünftiges dabei herum kam. Es waren zehn Jahre in denen ich viel Lehrgeld gezahlt habe, viel ausprobiert und viele Fehler gemacht habe.“

     

    Sebastian Kluth: „Auch wenn die elektronische Komponente sowie die Gitarre die Basis ihres Schaffens bleiben, so kann man viele exotische Elemente auf ihren Alben heraushören. Wie finden Sie diese Instrumente und wie arbeiten Sie mit ihnen?“

     

    Senmuth: „Ich bin besonders stark von ethnischer Musik beeinflusst. Ich besorge mir diverse Werkzeuge, Instrumente und Programme, versuche diese zu spielen, mache dabei viele Notizen und versuche mich ständig zu verbessern. Ich sehe mich aber nicht unbedingt als Künstler und Multiinstrumentalist. Meine Musik ist ein Mosaik, das aus vielen Steinchen zusammengesetzt ist. Heute investiere ich viel Zeit in meine Aufnahmen. Früher geschah dies noch spontaner und direkter, aber dieses Prinzip habe ich nur beim Einspielen der Gitarren beibehalten. Ich kaufe die Werkzeuge, Instrumente und Programme an ganz verschiedenen Orten: in Ägypten, in Bulgarien, aber auch in lokalen Läden oder von Freunden.“

     

    Sebastian Kluth: „Haben Sie bei ihren detailreichen Werken denn Unterstützung?“

     

    Senmuth: „Die beste Art von Promotion, die ich bekomme, sind interessante Kritiken oder positive Kommentare. Was Radios angeht, so werden sicherlich irgendwo Lieder von mir gespielt, aber man hat mich nie persönlich kontaktiert. Meine Familie unterstützt mich bei meinen Projekten, aber es ist gewiss nicht immer einfach mit einer so beschäftigten und kreativen Person zu leben. Was finanzielle Unterstützung angeht, so verkaufe ich selbstgemachte CDs an Interessierte, aber das ist natürlich zu wenig zum Leben. Daher biete ich meine Alben gratis zum Download auf meiner Internetseite an. Lange Veröffentlichungsprozeduren würden mich in meinem kreativen Prozess auch nur aufhalten. Das einzige Album, das bislang professionell veröffentlicht wurde, heißt „Weird“. Es hat ein wenig Interesse angezogen, da ich mich darin mit der skandinavischen Kultur und den Runen beschäftige. Ansonsten gibt es wenig Platz für Experimente in der russischen Musikkultur. Viele Bands versuchen einfach nur westliche Künstler zu kopieren. Eine der raren Ausnahmen ist „Technotitlan“, das Projekt, in dem ich auch involviert bin. Die Alben dieses Projektes wurden teils professionell veröffentlicht, aber bei meinem Soloprojekt herrscht da wohl weniger Interesse.“

     

    Sebastian Kluth: „Als letzte Frage würde ich gerne wissen, ob Sie jemandem ein bestimmtes Album zum Einstieg in ihre Schaffenswelt empfehlen könnten.“

     

    Senmuth: „Ich finde es immer schwierig bestimmte Alben als wichtigste oder beste Alben zu etikettieren. Ich überlasse dem Hörer solche Wertungen lieber selbst. Sie können meine Musik rein zufällig anhören oder aber sich an Thematik und Cover orientieren. Ansonsten gibt es offizielle Kompilationen, die einige meine besten Lieder beinhalten: „Songs Of Life“, „Life Of Songs“, „Шема Тауи“ und „Аменти“.  Meine besten Instrumentalstücke finden sich ebenfalls auf einigen Kompilationen: „E.D.I.E.M.“, sowie der dritte und vierte Teil von „The World’s Out-Of-Place Artefacts“. Vielen Dank für das Interview und Ihre vielen interessanten Fragen.“



     

     

    Auf Grund der umfangreichen Diskografie folgt neben den Empfehlungen des Künstlers selbst nun eine kurze Werkschau meinerseits:

     

     

     

    Sternstunden:

     

    Oracle Octave Part I: Orion Mystery (2005):

     

    Dieses Album ist der erste von zwei Teilen, bei denen Senmuth sich erstmals um das Thema der Galaxis bemüht. Das Album hat eine sehr intensive Doom-Atmosphäre und überrascht mit intensiven Synthesizern und formidablem Schlagzeugspiel. Gitarrentechnisch fühlt man sich in den folkigeren Passagen geradezu an Mike Oldfield erinnert und doch passen diese Momente perfekt ins Konzept. Das Album wirkt besonders intensiv als Gesamtwerk. (10/10)

     

    Weird (2008):

     

    Das einzige professionell veröffentlichte Album Senmuths ist in der Tat den Kauf wert. Das Album hat einen minimalistischen Anstrich, aber dadurch funktionieren die einzelnen und durchaus abwechslungsreichen Passagen umso besser. Dunkle Pianomelodien à la The Vision Bleak wie in „Raido“ treffen auf epische sakrale Choralgesänge in „Uruz“, die Bands wie Therion kaum besser hinbekommen könnten. Die mechanischen Industrialeinflüsse in „Iza“ dürften Fans des Genres ebenso zusagen wie die verträumten Folkpassagen in „Perth“. (10/10)

     

    Величие И Таинство Кавказских Гор (2008)

     

    In diesem Album über die „Majestät und Mysterien der kaukasischen Berge“ vermischt Senmuth traditionelle Folkklänge der Region mit deftigen Gitarrenriffs in tanzbaren Nackenbrechern wie „Alania.Caucasus“ oder dem abschließenden „Ancient Alania“, welches dieselbe Hauptmelodie auf völlig andere und ebenso interessante Weise wieder aufnimmt. Fans ruhigerer Momente bekommen sowohl New Age Klänge wie in „Phantoms Of Clouds“, sowie düstere Passagen wie in „Shelter Of Eleven“ offeriert. (10/10)

     

     

     

    Empfehlenswert:

     

    Izoteri-Ka (2004):

     

    Das zweite Album in der Diskografie des Russen behandelt die ägyptische Kultur, was man diesem Werk aber kaum anhört. Viel mehr dominieren hier die tanzbaren, hektischen und heftigen Dark Wave Klänge, die jeden Fan der gothischen Klänge auf die Tanzfläche zwingen würden. Es ist sicherlich kein Album für jedermann, aber ein absolutes Highlight für die angesprochene Fangruppe um Bands wie „Zeromancer“, „The House Of Usher“ oder „Liebe, Tod + Teufel“. (9,5/10)

     

    Rajas (2006):

     

    Dieses Album handelt von Philosophie und Religion mit einem besonderen Fokus, welcher auf der Kultur der Hindus und Buddhisten liegt. Jedes Lied ist anders, aber sie sind alle durch ihre exotische Spiritualität vereint. Von weiblichem indischen Gesang im metallischen „Saraswaty“ bis hin zum grandiosen „Threshold Of Great Transition“, das Samples von Jazzsaxophonen mit ins Soundgerüst einbringt und streckenweise an die experimentierfreudige Phase von Amorphis erinnert, bekommt man hier das gesamte Spektrum an Senmuths Kreativität geboten. Das Album eignet sich sicherlich gut als Einstieg. (9,5/10)

     

    Себек (2009):

     

    Hier haben wir eines der metallischsten Werke von Senmuth, das mit gut achtzig Minuten randvoll gefüllt ist und unter vielen Fans als Highlight gilt. Nach den ersten drei etwas progressiveren und verspielten Liedern, geht das Album nach einer Viertelstunde richtig los und bietet einen epischen Nackenbrecher nach dem Anderen. Dies hier ist sicherlich ein heißer Anspieltipp für die metallischere Fraktion unter den Fans des Projektes. (9,5/10)

     

     

     

    Geheimtipp:

     

    Резонанс (2008):

     

    Dieses Album steckt voller Überraschungen und hat einen sehr industriellen Touch, der auch düsteren russischen Gesang von Senmuth selbst beinhaltet, der hier aufzeigt, dass er durchaus auch gut singen kann. Die Synthesizer, die harten Gitarrenpassagen und der exzentrische Gesang stehen im Vordergrund und dominieren die raren Folkpassagen. Dieses Album könnte den Fans der Neuen Deutschen Härte um Bands wie Oomph! besonders zusagen aber auch den Anhänger düsterer Visual Kei Gruppierungen wie Dir En Grey. (9/10)

     

     

     

    Lauwarm:

     

    NewOldLife (2005):

     

    Dieses Album ist eine etwas halbherzige Kompilation, die zusammengewürfelt aus Neuaufnahmen und Bonustracks besteht und sicherlich zu früh in der langen Karriere Senmuths erschien. Das Album fokussiert auf den Industrial und Gothic Metal der frühen Jahre, enthält aber viel Füllmaterial. Lieder wie das Duett mit der Sängerin Annie Red Hat beim Lied „Cutting The Last Threads“ sind es aber durchaus wert angehört zu werden und werten das Album immerhin zu einem durchwachsenen bis soliden Werk auf. (7/10)

     

     

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