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Interview mit Eisenpimmel
In Zeiten von Kanzlerduellen, NSA-Spionageaffaire und Syrien-Konflikt ist es wichtig auch einmal auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu sprechen zu kommen und gleichzeitig einem Aushängeschild der deutschen Kultur zu huldigen. Sie kommen aus derselben kulturellen Hochburg und Stadt wie „Die toten Hosen“, haben unglaublich gute Manieren und gehen zum Urinieren sogar aufs Klosett und unbestätigten Gerüchten zufolge hatte Altkanzler Helmut Kohl im Rahmen der Annäherung und des Aufblühens der deutsch-deutschen Freundschaft sogar einst geplant diese Band gegen „Die Puhdys“ zu tauschen. Heute sind die Duisburger Punks von Eisenpimmel richtig seriös geworden und arbeiten an einer ambitionierten Rockoper, bei der selbst „Queen“ und Co. vor Neid erblassen und Bauklötze staunen werden.
Um da mal genauer nachzuhaken und zum gleichen Anlass dreißig Jahre Eisenpimmel Revue passieren zu lassen (oder waren es doch nur neunzehn Jahre?), habe ich Tüte Siggi Katlewski aus „Gestatten: Katlewski“ mit Hilfe von so einem Computer kontaktiert und einiges Spannendes gelernt. Aber lest selbst…
Sebastian Kluth: „Hallo und schöne Grüße in den Ruhrpott! Bitte stellt euch doch bitte mal kurz unseren internationalen Leser vor. Wer und was sind Eisenpimmel und wie seid ihr eigentlich auf euren Namen gekommen?“
Siggi Katlewski: „Ich bin Siggi. Ich stelle mich vor. Die anderen sind grad nicht da. Die stellen sich also nicht vor. Hätte ich auch kein Bock drauf, wenn die da wären. Stichwort Privatsphäre: schön in Ruhe wichsen und so weiter oder auch mal n Buch lesen mit Bildern drin oder Thunfisch aus der Dose, jaja, alleine essen… paff! Die ganze Scheiße auf dem Sofa, großartig!
Äh... was ist Eisenpimmel? Ich würde sagen, Eisenpimmel ist eine sechsköpfige Rockgruppe aus sieben Leuten, die gemeinsam Stücke einstudiert, Stücke aufführt und dabei versucht, jedes seiner Mitglieder zu involvieren. Der Name war irgendwie auf einmal da, damals in den Achtzigern, da war Eisenpimmelei ja irgendwie Zeitgeist.“
Eisenpimmel haben ab und an auch mal Durst.
Sebastian: „So, nachdem die Förmlichkeiten geklärt sind, kann es ja los gehen. Was gefällt euch am Ruhrpott und an Duisburg im speziellen am besten und was am wenigsten?“
Siggi: „Wer im Ruhrgebiet wohnt, ist auf jeden Fall geerdet und der Wohnraum ist bezahlbar. Außerdem gibt es wenig Arbeit, super Mülldeponien und den Rhein-Herne-Kanal - alles große Standortvorteile. Am wenigsten gefällt mir der Strukturwandel und die bekackte moderne Innenstadtarchitektur. Man muss echt aufpassen, dass Duisburg nicht auf einmal aussieht wie Düsseldorf, sonst fahren die Leute beim nächsten Mal direkt nach Hannover.“
Eisenpimmel bringen gebündelt die Qualitäten ihrer Heimatstadt auf den Punk(t)
Sebastian: „Wo macht ihr am liebsten Urlaub und warum?“
Siggi: „Sassnitz auf Rügen. Warum? Weil Urlaub besser ist als zur Arbeit gehn.“
Sebastian: „Was machen die Mitglieder von Eisenpimmel eigentlich, wenn sie gerade mal nicht mit diversen Bandaktivitäten beschäftigt sind?“
Siggi: „Verschiedenes. Wolle und Mütze sind Sozialarbeiter, Karl hat so´n Computer, Addi ist Konzertveranstalter, Bobo ist Führerscheinmacher und Bärbel und ich sind nicht subventionierte Ich-AGs.“
Eisenpimmel zeigen sich auch jenseits ihrer musikalischen Aktivitäten gerade im Merchandise-Bereich sehr vielseitig: hier sieht man ihre legendären Pimmelwärmer
Sebastian: „Ich bin sicher nicht der einzige, der findet, dass ihr musikalisch weit mehr könnt, als viele eurer Kollegen. Von Schlager über Rockabilly bis hin zu richtigem Punkrock, wie es ihn heute kaum mehr gibt, brilliert ihr ja in fast allen Genres. Wo habt ihr gelernt eure Instrumente zu spielen? Wart oder seid ihr auch in anderen Bands tätig? Und woher kommt die hohe stilistische Vielfalt bei euch?“
Siggi: „Das liegt daran, dass wir offen sind für alle Einflüsse außer schlechte. Ohne Scheiß, das muss nicht immer Bier sein oder Pizza, sondern geht auch mit Samba und Bluesrock weiter bis hin zu Filmen von Billy Crystal oder einem süßer Border-Collie. Gut, das hat jetzt mit Musik nix zu tun, aber das hab ich ja auch nicht. Alle von uns spielen oder spielten noch in anderen Bands ihren Scheiß, angefangen von Telemark, 2nd District, Hass über Slime, Rent A Cow und so weiter bis zu Upright Citizens und den Jammerlappen. Jetzt alle aufzuführen, hab ich keine Lust, aber das sind die am belanglosesten Wesentlichen.
Nächster Punkt: Musikalisches Fachwissen: Stilistische Vielfalt ist ein gutes Mittel zur Vermeidung von Schweißbildung. Es ist einfach angenehmer und entspannter, einen bekloppten Pillemannskarnevalssong zu machen als vierzig harte Deutschpunkattacken. Simple Physik.“
Sebastian: „Wie entscheidet ihr eigentlich, ob bei einem eurer Lieder männlicher oder weiblicher Gesang oder beides benötigt wird?“
Siggi: „Weibliche Intuition und männlicher Starrsinn.“
Sebastian: „Einen besonderen Charme verleiht euren Liedern auch euer Akzent. Wer ist auf die Idee gekommen in dieser Mundart zu singen und wie kommt das außerhalb des Ruhrpotts an?“
Siggi: „Wir singen so, wie wir auch reden. Beziehungsweise nicht ganz, denn wenn wir reden, reimt sich nicht so viel wie in unseren Liedern, aber sonst ist das schon so, wie ich sage, ist das die Antwort auf die Frage oder ist dir das zu vage?
Mal unter uns, wenn ich mir so zuhöre, könnte ich mich manchmal echt kaputtlachen! Leider bin ich meistens der einzige, deshalb trink ich auch so viel Bier, um den Ärger zu verdrängen.
Wie das ankommt, weiß ich leider nicht. Die meisten Leute trinken einfach zu viel Bier, um den Ärger zu verdrängen und schreien einfach nur rum, wenn man sie mal trifft. Gepflegte Gespräche über Länderfinanzausgleich oder den Vogel des Jahres sind da eher selten.“
Sebastian: „In euren jungen Jahren habt ihr ja eher selten Konzerte gegeben und hin und wieder haben dies dann andere Bands übernommen. Wie kamt ihr zu dieser ungewöhnlichen Idee und warum spielt ihr jetzt seit geraumer Zeit vermehrt auch selbst wieder Konzerte?“
Siggi: „In den Achtzigern waren wir viel fauler als jetzt. Wenn man Mitte 20 ist, denkt man ja meistens nur an Bier und Ficken. Deswegen hat das Sinn gemacht, dass es zeitweise mehrere Eisenpimmels gab, weil das ja auch weniger Arbeit für uns bedeutete. Im Alter fängt man dann oft an, zu reflektieren, sich selbst infrage zu stellen und verstärkt daran zu zweifeln an dem was man tut. Da ist es gut, wenn man auf der Bühne keine Bestätigung kriegt und gezeigt bekommt, dass man wenigstens mit Mitte 20 alles richtig gemacht hat.“
Eisenpimmel rocken das Ruhrpott Rodeo 2013
Sebastian: „Ihr seid ja gerade für eure Hörspielpassagen berühmt. Besonders spannend finde ich die Passagen in „Ich brauch ne Brille“ und „Befreit Horst Matuschek“. Woher nehmt ihr die Inspirationen für solche Dialoge?“
Siggi: „Aus dem prallen Leben und aus Bier. Da ist viel Selbsterlebtes dabei, was viele Leute nicht glauben, aber die können ja mal ´ne Woche lang durch Duisburg laufen und sich ändern.“
Sebastian: „Es gab von euch ja mal eine Reihe von Singles unter dem Namen „Die zehn Gebote des Punk“. Allerdings war schon beim zweiten Gebot Schluss. Was ist denn nun mit den anderen?“
Siggi: „Wir haben, ehrlich gesagt, nach dem zweiten Teil irgendwie die Lust verloren. Ich persönlich fand die Reihe von vornherein scheiße, das einzige was ich reizvoll fand war, von den zehn Gebote des Punk irgendwann mal Teil 11 rauszuhauen.“
Sebastian: „Ihr müsst mir mal erläutern, wie es zu dem ungewöhnlichen Albumcover von „Komm mal lecker unten bei mich bei“ gekommen ist. Wer ist denn darauf zu sehen und was passiert da gerade?“
Siggi: „Zwei Typen befummeln eine Olle. Was daran verstehst du nicht?“
Eisenpimmel und die Kunst des Anbaggerns
Sebastian: „Es gibt ja sogar ein recht ungewöhnliches Tribut-Album für euch namens „Bau keine Scheiße mit Bier“. Besonders die Namen der involvierten Gruppen lassen auf anspruchsvolle Texte schließen. Böse Zungen sagen ja, dass das Ganze alles erstunken und erlogen sei und da immer dieselbe Band spielen würde. Was habt ihr dazu zu sagen?
Siggi: „Es spielt immer ein und dieselbe Band, die sich selbst Tribut zollt, weil es ja sonst kein anderer tut. Das ist die höchste Form des Understatements, die überhaupt machbar ist. Alles andere ist plumpe Selbstdarstellung, auf die die Gruppe, die auf der Platte nicht genannt ist, keinen Bock hat.“
Illustre Gruppen wie Die Kupferberger Nullenschrubber, Stahlschwanz und Vulva von vorne zollen Eisenpimmel Tribut
Sebastian: „Ihr habt ja auch eine enge Verbindung mit der Band EA80. Ich habe von Augenzeugen berichtet bekommen, dass EA80 und Eisenpimmel zum Großteil sogar ein und dieselbe Band sein sollen, aber da herrschte allgemein große Verwirrung und es war wohl auch viel Alkohol im Spiel. Könnt ihr euch zu diesen Behauptungen äußern?“
Siggi: „Wir sind nicht EA 80. Keiner von uns spielt da mit. Außer Karl hört noch nicht einmal einer von uns die Musik. Allerdings sind das sehr nette Menschen, das muss man schon sagen. Wieso, weiß ich nicht, ich tippe mal auf gute Erziehung und gesteigerte Sozialkompetenz. Allerdings haben sich EA 80, die sehr nett sind und auch noch gut riechen, mal in einer Zeit, in der es circa sieben Eisenpimmel gab, auch mal als Eisenpimmel ausgegeben und auf einer Plastic Bomb-Party gespielt. Wahrscheinlich kommt das daher.“
Sebastian: „Ihr habt euch ja auch einst auf einem Sampler der APPD verewigt. Wer stand eigentlich hinter den Beiträgen der „APPD“ und der „Pogo All Stars“ auf dem Album? Jetzt da es die APPD nicht mehr gibt, werdet ihr einer anderen Partei bei der anstehenden Bundestagswahl eure Stimme schenken oder euch irgendwie politisch engagieren?“
Siggi: „Wer oder was sind Pogo All Stars? Soweit ich weiß, wohnen wir immer noch auf der Erde. Aber was die APPD war, weiß ich, nämlich die Atom-Pils-Partei von Ditze, deshalb ist der Song ja auch darauf. War aber nur so´n kleines Duisburger Szene-Ding. Hätte man uns vorher gesagt, dass es noch eine Partei gibt, die APPD heißt und nix mit der APPD aus Duisburg zu tun hat, dann hätten wir das aber trotzdem gemacht und nicht so´n Scheiß Song.“
Sebastian: „Zu eurem letzten Album „Füße hoch, Fernsehn an, Arschlecken“ gab es ja nicht nur einen schönen Videoclip, sondern bei der limitierten Edition auch diverse Beilagen in Form von Pizzakarten, Fernsehzeitungen oder Bierdeckeln. Wie seid ihr auf dieses Konzept gekommen und wer hat diese Beilagen gestaltet?“
Siggi: „Wir selbst. Alles. Kopf, Geist und Füße. 100 %.“
Eisenpimmel lassen ihrer Kreativität freien Lauf
Sebastian: „Im Internet steht, dass ihr an einer großen Rockoper am Arbeiten seid. Habt ihr nicht Angst, dass eure Fans euch unterstellen, dass ihr euch damit dem Mainstream und dem Spießertum anbiedert?“
Siggi: „Ich glaube, dass nichts so sehr vom Mainstream weg am sein ist wie eine Rock-Oper (zumindest wie die, die wir gerade machen tun). Fans haben wir ja auch nicht so viele, von daher ist es eigentlich egal, was die Leute, die es sowieso nicht gibt, sagen.“
Sebastian: „Wie sieht es denn soweit aus mit eurem Projekt? Wie weit seid ihr fortgeschritten und wann glaubt ihr, dass das Endergebnis veröffentlicht werden könnte?“
Siggi: „Wir haben jetzt etwa 30 Songs fertig, der Rest kommt auch bald. Ich denke, dass die Platte im Frühjahr oder Sommer 2014 rauskommt. Vielleicht wird´s ein Dreier-Album, hängt davon ab, ob Größenwahn 2014 endlich eine anerkannte Krankheit wird.“
Sebastian: „Was steht für Eisenpimmel im kommenden Jahr 2014 an der Tagesordnung?“
Siggi: „Ausruhen von der ganzen Scheiße.“
Sebastian: „Vielen Dank, dass ihr euch für dieses Interview Zeit genommen habt. Die letzten Worte an alle Leser gehören natürlich euch.“
Siggi: „Wer Punk verstehen will, muss Hip Hop hören.“