• 04. Glanz und Elend (01/11/07)

    Glanz und Elend

    Sankt Petersburg hat zwei Gesichter

    Eine Woche zwischen Luxus und Armut, Faszination und Korruption.

     

    Kaum eine Reise hat mich so geprägt wie ein einwöchige Schulausflug mit dem Werner-Heisenberg-Gymnasium nach Sankt Petersburg. Auf der einen Seite ist die Stadt sehr faszinierend und kulturell reich. Viele Dichter und Denker kommen hierher und es gibt viele historische Gebäude. Das kolossale Eremitage ist beispielsweise eines der bedeutendsten Kunstmuseen der Welt und muss sich hinter dem Louvre nicht verstecken. Weitere Sehenswürdigkeiten sind die Peter-und-Paul-Festung, die sich auf einer Insel des Stadtflusses Newa befindet ,und bei deren Bau Hunderte von Zwangsarbeitern sterben mussten, sowie der eherne Reiter auf dem Senatsplatz, der den legendären Zar Peter den Großen darstellt. Im krassen Gegensatz hierzu stehen die Vororte dieser schillernden Innenstadt. Dort herrscht Armut und es ist sehr dreckig. Unsere damalige Schülergruppe hauste in einem etwas heruntergekommenen Hochhaus in einem Vorort, wo wir auf engstem Raum zu viert schlafen mussten und die Türen zu den verdreckten Balkonen mit Klebebändern notdürftig verschlossen waren. Ein großes Thema ist die Kriminalität und Korruption in der Stadt. Es gibt in der Innenstadt zahlreiche Schwarzmärkte, sowie auch beispielsweise CD-Läden, in denen mehr als die Hälfte der Waren zum Teil billige Raubkopien sind. An Bahnhöfen werden brandneue oder noch gar nicht veröffentlichte Computerspiele oder Kinofilme für umgerechnet rund fünf Euro verkauft. Den Vogel abgeschossen haben aber die russischen Kriminalbeamten. Nachdem ich und zwei weitere Mitschüler in den unterirdischen, zum Teil mit diversen Statuen und Ornamenten verzierten, Metrostationen einige Fotos geschossen hatten, rannten direkt zwei Beamte auf uns zu, ließen nur unseren Dolmetscher mit uns gehen und führten uns in einen Raum, in dem neben einer Art Ausnüchterungszelle ein billiger Arbeitstisch stand. Nachdem unsere Reisepässe genau überprüft worden waren und wir unser Unwissen über das Fotografieverbot beteuert hatten, sollten wir eine Strafe von etwa einhundert Rubel bezahlen.

    Da wir unser Geld aber noch nicht getauscht hatten, wollten die Polizisten dann einige Euros haben. Damit konnten wir uns ohne weitere Folgen freikaufen. Dies ist übrigens nur eines von diversen Beispielen der Korruption der dortigen Beamten. Wer jetzt denkt, dass die Sankt Petersburger Bevölkerung lediglich arm und korrupt sei, hat jedoch nicht Recht. So machten die russischen Soldaten, in deren Viertel wir abends immer ins Restaurant gingen, freudestrahlend einige Fotos von uns mit Soldatenmützen, die wir vorher auf dem Schwarzmarkt erworben hatten. Im Restaurant selbst bot uns die Kellnerin plötzlich Wodka an, da eine feiernde Gesellschaft uns einfach so einladen wollte. Zudem waren wir bei der Eröffnung eines russischen Jugendclubs dabei, wo wir mit einigen Jugendlichen ins Gespräch kamen.

    Alles in allem hat mich die Reise sehr begeistert. Ich durfte nicht nur viele prächtige Museen und Zarenpaläste bestaunen, sondern mich auch für Blinies, eine russische Teigspeise mit diversen Füllungen von Schokolade bis Hackfleisch und russischen Tee begeistern. Die obligatorische Soldatenmütze, sowie ein Schal des Fußballklubs Zenit Sankt Petersburg durften als Andenken auch nicht fehlen.

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