• Kapitel 15

     

    Kapitel 15: Mittwoch, 21 Uhr 45, Speisesaal


    Dort befanden sich inzwischen auch der Butler und der Koch, die den Holzsarg aus dem Keller nach oben gebracht hatten und soeben dabei waren, den Toten dort hineinzulegen. Viele Gäste waren bereits verschwunden, da sie den Anblick nicht ertragen konnten und sich entweder auf ihre Zimmer zurückgezogen oder das Eingangsportal geöffnet hatten, um dort etwas frische Luft zu bekommen oder zur Beruhigung eine Zigarette zu rauchen.

    Thomas bemerkte, dass sich noch genau fünf Gäste in dem Speisesaal befanden. Zum Einen waren dies Abdullah und Marilou, die sich angeregt tuschelnd in einer Ecke unterhielten und dabei hin und wieder nachdenkliche Blicke auf den Leichnam warfen. Ebenfalls noch ein wenig abseits saß Jeanette, deren schönes und zartes Gesicht gerötet und verweint wirkte, während sie sich auf einem Stuhl mit angezogenen Knien zusammengekauert hatte und ins Leere starrte. Die einzige Person, die noch am Tisch saß, war Fatmir Skola, der sich inzwischen einen weiteren doppelten Whiskey besorgt hatte und unbeteiligt, fast schon lethargisch wirkte. Nicht weit von ihm entfernt stand noch Magdalena Osario, die nervös hin und her wanderte und grimmig auf ihren Ehemann zuschritt.

    Dieser ignorierte sie völlig, wich ihrem wütenden Blick aus und wandte sich an seine beiden Angestellten, die soeben den Deckel auf den Sarg legten.

    „James, du wirst den Dudelsack in dem großen, zweiten Safe im Keller verschließen. Achte darauf, dass du ihn möglichst lediglich mit Plastikhandschuhen anfasst und ihn in einen Plastikbeutel tust, damit keine Spuren verwischt werden.“, wandte sich Wohlfahrt halblaut an seinen Koch, der monoton nickte, sich mühsam erhob und auch keine weitere Fragen stellte. Auf Thomas wirkte er seltsam mechanisch und emotionslos.

    Wohlfahrt wandte sich nun auch noch seinem steifen Butler zu, der ihn regungslos mit leicht hochgezogener Miene anstarrte und auf Thomas und Mamadou irgendwie unheimlich wirkte.

    „Francis McGregor, ich bitte Sie um Erlaubnis in ihr Zimmer gehen zu dürfen. Wir müssen einen Anruf tätigen und das Telefon in meinem Arbeitszimmer ist leider defekt.“, bat ihn der Direktor und der Butler signalisierte ihm mit einem knappen Nicken seine Zustimmung.

    Der Schlossherr wandte sich unverzüglich in Richtung der Eingangshalle, begleitet von Mamadou und Thomas, sowie auch von Magdalena Osario, die entrüstet neben ihrem Mann herlief und versuchte dessen Aufmerksamkeit zu erlangen. Schließlich hatte sie genug, beschleunigte ihre Schritte und stellte sich direkt vor ihren Mann, der ihr mit einer herrischen Handbewegung befahl auf Seite zu gehen.

    „Ich will sofort wissen was hier vor sich geht!“, befahl sie in einem wütenden Ton, doch ihr Mann umging sie ignorant und drückte ihren Arm zur Seite.

    Thomas konnte es sich nicht verkneifen und griff ein, da es ihn schockierte, wie abschätzig und verachtungswürdig der harte Rektor seine Frau behandelte. Mehr und mehr konnte er verstehen, warum diese unbedingt fliehen wollte.

    „Herr Doktor Wohlfahrt, es würde mehr Sinn machen, wenn Sie ihre Frau einweihen.“, gab Thomas zu verstehen, doch er biss bei dem Direktor auf Granit.

    „Das hat noch Zeit. Zunächst wollen wir wichtigere Dinge klären.“, erwiderte er mit unverhohlener Arroganz und ließ seine Frau stehen, die ihm wütend nachsah und ihre Hände krampfhaft zu Fäusten ballte. Thomas glaubte auch in ihren Augen eine stille Träne zu sehen.

    Zu dritt verließen sie den Speisesaal und ließen die hilflose Spanierin zurück, die sich mit einer schnellen Drehung abwandte. Thomas, Mamadou und der Direktor gingen in die Eingangshalle, wo ihnen Elaine Maria da Silva und Björn Ansgar Lykström, die beide an dem leicht geöffneten Eingangsportal standen, neugierig entgegenblickten.

    Dafür jedoch hatte der Direktor selbst keinen Blick übrig und bewegte sich lieber zielstrebig auf die breite Treppe zu und dann in die linke Richtung, wo sie nach einiger Zeit einen Quergang zu einer steile Wendeltreppe erreichten, die in einen der beiden Türme zu führen schien. An dieser Stelle wirkte das Schloss bereits seltsam düster und verlassen und Thomas bekam unwillkürlich eine unangenehme Gänsehaut, als er die ersten Schritte auf die bedrohlich knarrende und staubige Wendeltreppe setzte. Den Direktor störte dieser Zustand weitaus weniger und er ging auch weiterhin energisch voran.

    Nach scheinbar unzähligen Stufen erreichten sie dann keuchend eine schwere Holztür, die der Direktor aufzog, um das Zimmer seines Butlers zu betreten.

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