• Kapitel 33

     

    Kapitel 33: Donnerstag, 13 Uhr 34, Arbeitszimmer


    Als Nächstes riefen die beiden provisorischen Ermittler Magdalena Osario zu sich. Auch sie hatte sich umgezogen und trug eine einfach Jeans und ein enges rotes Top, welches ihre gute Figur betonte. Dennoch wirkte sie alles andere als elegant und sah sehr müde aus. Sie hatte dunkle Ringe unter ihren Augen, ihr Gesicht war bleich, was auch ihre aufgesetzte Schminke nur leidlich vertuschen konnte. Sie setzte sich hin, schlug die Beine übereinander und blickte Thomas aus müden Augen an.

    „Ich bin mir bewusst, dass ich ein eventuelles Motiv hätte, da ich vorhabe mit meinem Geliebten diese Insel zu verlassen und zwar gegen den Willen meines Mannes. So gesehen habe ich das initiierte Klassentreffen ein wenig ausgenutzt. Ich denke dennoch, dass auch Sie mich lange genug kennen, um zu wissen, dass ich immer eine sehr engagierte Person war, die sich um die Belange der Schüler gesorgt hat. Ich wäre niemals fähig jemanden umzubringen, nicht einmal meinen Mann, der mir wirklich allen Grund dazu gibt auszurasten. Wissen Sie, Herr Lykström steckt auch nicht dahinter, für ihn lege ich meine Hand ins Feuer. Ich habe allerdings einen Verdacht, wer etwas damit zu tun haben könnte.“, erzählte die Spanierin ausführlich.

    Thomas und Mamadou waren bei dieser überraschenden Eileitung der kessen Spanierin hellhörig geworden und blickten ihre ehemalige Lehrerin erwartungsvoll an. Diese nahm sich ein wenig Zeit und bat Thomas zunächst um eine Zigarette. Dieser gab der Spanierin eine der russischen Zigaretten und wunderte sich, dass die Lehrerin rauchte, denn dies hatte sie zumindest früher nie getan. Vielleicht wollte sie so ihre Nervosität und Ängste in wenig abbauen. Thomas konnte sie verstehen und fühlte irgendwie mit ihr mit. Sie hatte sicherlich viele schlimme Dinge durchlitten.

    Magdalena Osario nahm einen kräftigen Zug, hustete geräuschvoll und schüttelte ihren Kopf. Ihre prächtigen Haare wirkten ungekämmt und fielen ihr wirr ins Gesicht. Sie legte die Zigarette in einem gläsernen Aschenbecher ab.

    „Ich muss Ihnen gestehen, dass ich mich gestern Nacht mit Herrn Lykström in seinem Zimmer getroffen habe. Ich hatte gewartet, bis mein Mann schlief, das war so gegen Mitternacht gewesen. Ich bin dann in den Männertrakt gegangen und habe meinen Geliebten getroffen. Wir haben uns lange über unsere Zukunft, unsere Träume unterhalten und wir hatten Geschlechtsverkehr, falls Sie es genau wissen möchten. Am frühen Morgen, so gegen kurz vor fünf Uhr, bin ich zufällig auch am Zimmer von Jeanette vorbeigekommen und habe darin mehrere Stimmen gehört. Ich war natürlich neugierig und dachte sofort an den Mord mit Malcolm und dachte mir, dass dieser wegen seiner Beziehung zu ihr vermutlich sterben musste. Ich habe mich in einer Türnische versteckt und gewartet. Nach etwa fünf Minuten kam dann ein Mann aus ihrem Zimmer und verabschiedete sich von ihr mit einem innigen Kuss. Ich muss gestehen, dass ich erst Sie, Thomas, in Verdacht hatte, aber ich konnte dann erkennen, wer es wirklich war.“, berichtete die Spanierin und es herrschte eine atemlose Spannung im Arbeitszimmer. Thomas und Mamadou sahen die Zeugen erwartungsvoll an. Diese nahm einen neuen Zug von ihrer Zigarette, dieses Mal hatte sie sich bereits daran gewöhnt. Angespannt ließ sie sich tiefer in den Sessel gleiten.

    „Ich erkannte, dass es Abdullah Gadua war. Er hatte offensichtlich ein Verhältnis mit der Französin. Er kehrte zurück in sein Einzelzimmer und ich beeilte mich in das Gemach meines Mannes zurückzukehren. Ich merkte später, dass er wach war und meine Abwesenheit sehr wohl bemerkt hatte. Er hat mich so tiefgründig und böse angesehen und hat mir befohlen nicht mehr mit ihm das Bett zu teilen, sondern auf der Couch zu schlafen. Ich hatte Angst, dass er noch schlimmer hätte reagieren können, aber das tat er zum Glück nicht. Dennoch habe ich auf der Couch natürlich kein Auge zubekommen.“, berichtete die Spanierin weiter.

    „Gadua! Er hatte auch ein Verhältnis mit Jeanette?“, fragte Thomas überrascht und fühlte sich gleichzeitig überrumpelt. Er hatte der Französin vertraut und sie hatte ihn offensichtlich wieder einmal betrogen und nur mit ihm gespielt. Er schüttelte entsetzt den Kopf und konnte das Ganze noch gar nicht glauben oder gar begreifen. Er merkte sogar, dass ihm Tränen in die Augen schossen, die er mühsam unterdrückte.

    Die Spanierin sah ihn tiefgründig an und Thomas spürte, dass sie bis auf den Grund seiner Seele zu blicken schien und auch seine stille Trauer war ihr nicht verborgen geblieben. Seufzend nahm sie einen Zug von der Zigarette.

    „Ja, Gadua. Sie wissen doch selbst, dass Jeanette keine Frau für feste Beziehungen war. Gadua hatte in seiner Jugend ja ebenso wie Sie auch ein Verhältnis mit ihr und dieses ist jetzt neu aufgeblüht. Ihm können Sie kaum einen Vorwurf machen, er ist viel mehr ein Seelenverwandter von Ihnen.“, stellte Magdalena Osario leise fest.

    „Aber ich bin wenigstens nicht verheiratet und hintergehe eine psychisch ohnehin schon labile Person, die meine Hilfe und Liebe jetzt mehr denn je braucht!“, widersprach Thomas knurrend.

    „Haben Sie gesehen, ob er der Französin irgendwelche Pralinen hinterlassen hat?“, fragte Mamadou erwartungsvoll.

    „Nein, so einfach ist es nun auch nicht. Zum Abschied hat er ihr jedenfalls nichts gegeben. Es stellt sich die Frage, ob er ihr eventuell die Pralinen schon bei seiner Ankunft gegeben hatte. Ich bezweifle dies aber deswegen, weil Jeanette heute ja so zielstrebig auf Sie zukam, Thomas. Wenn die Pralinen von Gadua gewesen wären, hätte Sie versucht dies irgendwie anders zu zeigen.“, stellte Magdalena Osario fest.

    Thomas und Mamadou nickten gleichzeitig. Mit einem Mal kam Thomas allerdings eine weitere Idee.

    „Wissen Sie, ob seine Frau Marilou Gauthier davon gewusst hat?“

    „Das weiß ich nun wirklich nicht.“, entgegnete die Spanierin knapp.

    „Mal etwas Anderes. Ihr Butler hat sich eben bei uns sehr verdächtig benommen. Sie kennen ihn sicherlich schon länger und besser. Was können Sie uns über ihn sagen?“, fragte Mamadou erwartungsvoll.

    „Nun, er ist ein sehr stiller, zurückhaltender Mensch. Er wirkt so schrecklich unpersönlich wie alle hier in diesem Schloss. Er wirkt auf mich ein wenig seltsam, er scheint sich im Gegensatz zum Koch auch sehr unwohl hier zu fühlen. Ich kann wirklich nicht mehr zu ihm sagen.“, erklärte die Spanierin mit einem ehrlichen Bedauern.

    „Trauen Sie ihm einen Mord zu?“, fragte Mamadou sie geradeheraus.

    Die Spanierin nahm einen weiteren kräftigen Zug von ihrer Zigarette und drückte diese dann im Aschenbecher aus. Langsam stieß sie den Rauch aus ihrem Mund aus und blickte ins Leere. Sie schien ein wenig nachzudenken.

    „Nun, ich kann ihn wirklich kaum einschätzen. So emotional wie gerade eben habe ich ihn in den letzten knappen vier Jahren nicht erlebt. Damals war es lediglich auffällig, wie schnell er diesen Job angenommen hatte und wie eifrig er darum bemüht war ihn auch zu kriegen. Bei der Auswahl war mein Mann bereits sehr gehässig mit den Kandidaten umgegangen, zwei von ihnen sind bereits entsetzt frühzeitig abgereist. Manchmal hatte ich den Eindruck, als ob er vor irgendetwas auf der Flucht sei. Ich weiß über ihn aber einfach zu wenig, um auf die Frage ehrlich antworten zu können. Brutal oder ausfallend war er uns gegenüber jedenfalls nie.“, teilte die Spanierin den beiden provisorischen Ermittlern mit.

    Nach einigen Minuten ließen Mamadou und Thomas die junge Lehrerin gehen. Sie trat langsam und fast gebrechlich aus dem Arbeitszimmer. Die Zeit hatte sie mürbe und müde gemacht. Nachdenklich blickten sich Thomas und Mamadou an.

    Gerade Thomas wirkte nervös und fast ein wenig verstört. Er musste diese neuen Informationen erst einmal verdauen und dachte dabei wehmütig an Jeanette. Er war ihr nicht einmal böse. Diese Frau würde für ihn immer ein Mysterium bleiben. Er schalt sich selbst, dass er es zugelassen hatte, wieder neue Frühlingsgefühle für diese femme fatale zu empfinden.

    Mamadou spürte, dass sein Partner bedrückt war und sie nahmen erst einmal wieder Platz, bevor sie sich den nächsten Gast vorknöpfen wollten Thomas knetete sich mit seinen Händen in seinem müden Gesicht. Er atmete tief durch und blickte seinen Kollegen an, der ihn mitleidig ansah. Energisch stand Thomas auf und lief ungeduldig im Arbeitszimmer umher. Ihm schwirrte der Kopf und er hatte große Mühe sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Dies blieb auch Mamadou nicht verborgen.

    „Wenn du willst, dann machen wir eine kurze Pause.“, schlug er vor, doch Thomas schüttelte den Kopf, ging zum Tisch, setzte sich wieder und schlug wütend mit der Faust auf den Schreibtisch, sodass dieser bedrohlich bebte.

    „Nein. Ich will diese ganze Sache endlich aufklären. Ich spüre, dass wir immer mehr erfahren und bald ganz nah an der Lösung dran sind. Bitte ruf Abdullah Gadua zu uns.“, bat Thomas seinen Kollegen und notierte sich einige Informationen auf einem kleinen, roten Notizblock.

    Mamadou sah ihn nachdenklich an, erhob sich dann langsam und blickte noch einmal fragend zurück, bevor er die Tür öffnete. Thomas blickte auf und nickte ihm entschlossen und grimmig zu. Mamadou zuckte mit den Schultern, öffnete die Tür und bat den nächsten Anwesenden zum Verhör ins Arbeitszimmer.

    Er bemerkte dabei, dass sich die Gäste näher beisammen gesessen hatten und eifrig diskutierten. Gwang-jo und Björn Ansgar Lykström standen im Mittelpunkt und lieferten sich ein kurzes, aber heftiges Wortgefecht, das sie abrupt beendeten, als sie Mamadou bemerkten. Dieser überlegte, ob er in irgendeiner Weise eingreifen sollte, doch er entschied sich dagegen. Er bat Gadua zu sich, der ihm ohne Gefühlsregung entgegenschritt und sich dennoch mehrmals zu seiner Frau umwandte, die etwas abseits der Gruppe allein saß, sich nicht an den Diskussionen beteiligte und ihrem Mann beinahe gleichgültig hinterher schaute. Sie wirkte fast schon grimmig und unnatürlich kalt, während Gadua ihr zulächelte und so versuchte ihre Stimmung wieder ein wenig aufzubauen. Er scheiterte kläglich, blickte betreten zu Boden und trat rasch in das Arbeitszimmer, wo Mamadou gemächlich die Tür hinter dem Neuankömmling wieder schloss.

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