• Kapitel 52

     

    Kapitel 52: Freitag, 10 Uhr 35, Dickicht


    Gwang-jo wagte nicht sich zu rühren und starrte schweißüberströmt und von furchtbarer Angst gepeinigt auf die vor ihm stehende Gruppe. Thomas lag immer noch benommen neben dem Baumstumpf, der Butler wälzte sich röchelnd auf dem glitschigen Boden, während Lykström sich schützend vor seine Geliebte gestellt hatte und mit dieser langsam zurückwich.

    Gwang-jo spürte deutlich die Mündung der Waffe in seinem Nacken und hatte durch das Klicken erkannt, dass diese bereits entsichert worden war und sein Leben somit innerhalb von Sekundenbruchteilen auslöschen konnte. Der Koreaner reagiert nicht panisch, denn er hatte erkannt, dass er die Kontrolle verloren hatte. Verzweifelt suchte er nach einem Ausweg aus der Bredouille, doch die Angst, dass er lediglich einen einzigen Versuch mit vergleichsweise geringer Erfolgsaussicht hatte, lähmte seinen unbändigen Tatendrang.

    Der Koreaner versuchte ruhiger zu atmen und das Szenario zu analysieren. Der Butler, Thomas, Björn Ansgar Lykström und Magdalena Osario standen vor ihm, Fatmir Skola war bereits vorher in eine andere Richtung geflohen. Erst jetzt leuchtete dem Koreaner ein, wer ihm die Waffe in den Nacken drückte. Es konnte sich nur noch um den sonst so entspannten Mamadou handeln.

    Genau dieser meldete sich mit entsetzlich kalter Stimme zu Wort, näherte seinen Mund ganz nah an das Ohr des geschockten Koreaners.

    „Wenn du das noch einmal machst und jegliche Art von Gewalt in meiner Anwesenheit anwendest, dann mache ich dich selbst zum Krüppel.“, sprach der Ghanaer mit einer unbarmherzigen Härte, die er sich selbst nicht zugetraut hatte.

    Die extreme Situation nagte an den Nerven aller Beteiligter, die grausame Spannung war beinahe greifbar und das Unheil lag förmlich in der Luft. Der Regen war wieder stärker geworden und prasselte erbarmungslos auf die relativ lichte Stelle im ansonsten undurchdringlichen Dickicht.

    Alle warteten auf eine Antwort des Koreaners, doch der Zufall machte ihnen erneut einen Strich durch die Rechnung.

    Auf einmal war ein unheimliches Heulen zu hören, das nicht mehr weit entfernt sein konnte. Thomas Jason Smith, der sich am Baumstamm hochgestemmt und verstört aufgerichtet hatte, rann ein eisiger Schauer über den Rücken. Auf seinen Unterarmen bildete sich eine Gänsehaut. Auch Björn Ansgar Lykström war nervös geworden, hatte seine Geliebte losgelassen und warf panische Blicke in die Runde.

    Da ertönte das Heulen noch einmal, doch es war nicht das einzige Geräusch. Ein grausamer Schmerzenschrei vermischte sich mit dem Heulen, der den Zuhörern durch Mark und Bein ging. Das Schreien wiederholte sich, nahm noch an Lautstärke an und verwandelte sich nach Sekunden des Schreckens in ein erbärmliches Wimmern.

    Thomas hatte sofort erkannt, wer dort so laut geklagt hatte. Es konnte sich nur um Fatmir Skola handeln!

    Auch Mamadou hatte dies nemerkt und wollte aktiv werden. Er nahm seine Waffe herunter und steckte sie in seine Hosentasche, wobei er dem Koreaner mit dem anderen Arm einen groben Stoß in den Rücken gab. Gwang-jo stolperte vorwärts, trat auf die Beine des benommenen Butlers, rutschte aus und fiel der Länge nach hin.

    Mamadou nähert sich dem blutenden Butler, half diesem auf, legte dessen Arm um seine Schulter und schleifte ihn in Richtung des Trampelpfades, den auch Lykström und seine Geliebte soeben betreten hatten. Dabei hatte der Afrikaner auf Grund der Wunde von der Bärenfalle selbst immer größere Probleme und kam nur langsam und unter Schmerzen voran. Er kämpfte jedoch wie ein Löwe und kein Ton der Klage kam über seine spröden, breiten Lippen.

    Die restlichen Anwesenden musten auch nicht mehr dazu aufgefordert werden die Flucht zu ergreifen. Gehetzt stürzten sie auf den engen Trampelpfad und selbst der vorlaute Koreaner bekam es furchtbar mit der Angst zu tun und dachte nur noch an Flucht.

    Den Abschluss bildete Thomas, der sich noch einige Male ängstlich und hektisch umwandte und dabei das dritte Heulen des Wolfes vernahm, das so laut klang, als ob die Bestie schon neben ihnen stehen würde.

    Dann wandte er sich von dem schicksalhaften Ort ab und hetzte der restlichen Gruppe hinterher, bis er schließlich den gebückt gehenden Mamadou erreicht hatte, der mit seinen letzten Kräften den angeschlagenen Butler stützte.

    Plötzlich stießen die drei auf den Rest der Gruppe, der mitten auf dem Weg stehen geblieben war und nicht weiterschritt. Thomas drängelte sich grob an dem ehrfürchtig erstarrten Gwang-jo vorbei und bekam jetzt selbst einen uneingeschränkten Blick auf das Unbeschreibliche geboten, während ganz in seiner Nähe das vierte Heulen ertönte, das alle Anwesenden erneut ängstlich aufschrecken ließ.

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