• Kapitel 99

     

    Kapitel 99: Samstag, 16 Uhr 40 Mamadous Zimmer


    Als die beiden schließlich die Zimmertür erreicht hatten, war ihre Leichtigkeit schon wieder einer drückenden Konzentration gewichen. Dennoch hatte der kurze Moment des Glücks und der Zuversicht beiden sehr wohl getan, auch wenn in Zeiten wie diesen nichts von großer Dauer zu sein schien.

    Wie abgesprochen wartete die Brasilianerin im Gang, während Thomas Glück hatte, denn die Zimmertür war nicht abgeschlossen gewesen und so konnte er problemlos den Raum betreten. Behutsam schloss er die Tür hinter sich und schenkte seiner Partnerin ein zuversichtliches Lächeln, was diese charmant erwiderte.

    Mamadou hatte offenbar recht spartanisch gelebt. Thomas sah kaum persönliche Gegenstände, die Koffer waren noch eingepackt und er hatte sich nicht einmal der Kleiderschränke oder Schubladen des Nachttisches bedient. Selbst im Badezimmer, dessen Tür leicht offen stand, sah Thomas lediglich eine säuberlich eingepackte Kulturtasche und ein Shampoo, das sich auf einer Halterung in der Dusche befand. Die Handtücher und Badelaken waren sorgfältig gefaltet aufgehangen worden, so als ob sie nie benutzt worden wären.

    Umso mehr fiel Thomas natürlich der Laptop auf, der ein wenig versteckt in einer kleinen Tasche im Schatten des Kleiderschranks stand. Thomas runzelte die Stirn und dachte an das Einladungsschreiben des Direktors, der darauf hingewiesen hatte, dass die Gäste auf elektronische Geräte während ihres Treffens verzichten sollten. Offensichtlich hatte sich der Ghanaer nicht daran gehalten.

    Doch gerade in diesem Ungehorsam konnte eine große Chance liegen. Thomas fühlte sich wie elektrisiert, als der daran dachte, dass man über den Laptop möglicherweise einen Internetzugang hatte und somit die örtlichen Polizeibehörden oder die Küstenwache zur Hilfe rufen konnte. Thomas dachte sogar noch einen Schritt weiter, als er mit einigen zitternden Griffen den Laptop hochfahren ließ. Er war davon überzeugt, dass sein Kollege dies bereits getan hatte. Vielleicht würde Thomas nun sogar erfahren können, warum sich sein Kollege gegen Ende so seltsam und besorgt benommen hatte. Thomas dachte an die letzten Worte seines Kollegen, der ihm irgendetwas von einem Schlüssel erzählen wollte. Der schottische Polizist zermarterte sich das Gehirn, doch er kam einfach nicht auf die Lösung seines Problems. Er konnte sich auf den mysteriösen und bruchstückhaften Hinweis keinen Reim machen.

    Fast unerträglich langsam wurde der Laptop hochgefahren, schließlich erschien der Bildschirm mit einigen wenigen Programmen darauf. Die Ladezeit zog sich allerdings noch hin und Thomas trommelte ungeduldig auf das Gehäuse des Laptops. Zu seinem Glück hatte Mamadou seinen Laptop wenigstens nicht mit einem zusätzlichen Passwort sichern lassen. Mit wachen Augen überflog er die Programme und bemerkte sofort den Outlook Express, der dazu diente E-Mails zu schicken und zu empfangen. Thomas hatte selbst ein solches Programm und öffnete dieses nun rasch mit einigen Doppelklicks. Der Laptop schien zunächst überfordert und öffnete das Fenster nicht sofort. Wütend hämmerte Thomas mit seiner Faust auf den Tisch und biss die Zähne zusammen. Nervös wandte er sich zur Zimmertür um, in der Erwartung, dass jeden Moment dort jemand auftauchen könnte.

    Mit rasendem Herzschlag und drosselndem Atem fixierte Thomas die kleine Mattscheibe und ballte die Hand erleichtert zur Faust, als das Programm endlich fertig geladen hatte. Thomas war erstaunt, als der Laptop ihm ankündigte, dass zwei neue Nachrichten eingetroffen waren. Die erste stammte offensichtlich von einer Thomas unbekannten Frau, die zweite jedoch von einem gewissen Chief inspector Taylor Relliews.

    Rasch öffnete Thomas letztere Nachricht und fand in ihrem Anhang sogar die Nachricht, die der Ghanaer scheinbar am frühen Morgen eilig abgeschickt hatte, denn sie wimmelte vor Rechtschreibfehlern. Murmelnd las sich Thomas die Nachricht durch und spürte eine hektische Erregung dabei in sich aufsteigen, die mehr und mehr einem hitzigen Gefühl der Freude wich.

    „An die zuständigen polizeilichen Behörden der Küstendörfer Bridetown, Chairwell und Cothingstone, sowie die schottische Küstenwache Nord-Nord-Ost: Mein Name ist Mamadou Kharissimi, ich bin stellvertretender Polizeipräsident im dritten Bezirk von Edinburgh. Ich befinde mich derzeit auf Osario Island, etwa sieben Kilometer nördlich von Bridetown gelegen. Die Insel befindet sich in privatem Besitz und ich befinde mich hier mit insgesamt zehn weiteren Gästen, mit denen ich vor einigen Jahren auf derselben Privatschule meinen Schulabschluss erworben habe. Des Weiteren befinden sich noch der Gastgeber mit seiner Gattin im Schloss, sowie ein Butler und ein Koch, wenn ich mich nicht verzählt habe. Seit unserer Ankunft gegen Mittwochmittag dieser Woche ist es jedoch zu mehreren gewaltsamen Todesfällen gekommen. Sieben Menschen sind bereits gewaltsam gestorben, darunter auch die beiden Gastgeber, eine weitere Person hat sich unter enormen psychischen Druck das Leben genommen. Durch Zufall habe ich in dieser Nacht einen entscheidenden Hinweis auf den Täter zu Gesicht bekommen und diesen zur Rede gestellt. Die Person hat mir jedoch gedroht, dass sie bereits diverse weitere Fallen präpariert habe, um weitere Anwesende umzubringen. Über die Motive der Person bin ich mir nicht im Klaren, doch ich vermute, dass es sich um einen persönlichen Rachefeldzug handelt, da die Person in ihrer Jugendzeit viele Demütigungen und sogar Misshandlungen hinnehmen musste, wie ich annehme. Die Person drohte mir, dass sich eine Bombe in einer Kuckucksuhr befinden würde, die per Zeitzünder in die Luft gehen würde. Sie sagte, dass, wenn ich sie umbringen, einsperren oder verraten würde, das gesamte Schloss durch die Wucht der Detonation zerstört werden würde und nur sie selbst den Code kennt, um diese Bombe zu entschärfen. Ich kann also praktisch nicht gegen sie vorgehen, da ich sonst das Leben aller anderen Menschen auch akut gefährden würde. Leider kenne ich mich mit Sprengstoff auch nicht sonderlich gut aus, doch die Person hat mir in Abwesenheit der anderen Gäste die Uhr gezeigt und bewiesen, dass es sich um keinen Bluff zu handeln scheint. Ich werde versuchen den Täter so lange hinzuhalten, bis sie Verstärkung schicken und das Schloss und die Insel stürmen. Es handelt sich um eine extrem gefährliche Situation, daher bitte ich sie umgehenden einzugreifen. Jede Minute unnötiger Zeitverschwendung könnte hier ein Leben kosten. Reagieren Sie sofort! Da ich unter ständiger Überwachung stehe bin ich mir nicht sicher, ob ich auf mögliche Anfragen von ihrer Seite antworten kann, zumal ich meinen Laptop gut versteckt halte. Mit freundlichen Grüße, Ihr Mamadou Kharissimi.“, las sich Thomas vor und so langsam leuchte ihm ein, warum sein verstorbener Kollege so schweigsam, übervorsichtig und bedrückt gewirkt hatte.

    Thomas ärgerte es jedoch ungemein, dass der Ghanaer der Polizeibehörde nicht einmal den Namen des Killers verraten hatte. Thomas konnte sich kaum vorstellen, dass Mamadou diesen Aspekt vergessen hatte, aber warum hätte er den Namen absichtlich außen vor lassen sollen? Vielleicht aus Angst? Oder hatte er ihn tatsächlich in der Hektik vergessen?

    Thomas versuchte selbst darauf zu kommen, wen der Ghanaer als Täter entlarvt haben könnte. Wann war es bloß zu dem Zusammentreffen zwischen ihm und dem Täter gekommen? Wann waren sie gemeinsam in der Bibliothek gewesen, um diese Kuckucksuhr zu untersuchen? Welche der noch lebenden Personen hätte ein Rachemotiv gehabt? Wer unter ihnen war in seiner Schulzeit gedemütigt worden? Waren sie nicht alle auf ihre Art und Weise gedemütigt worden?

    Thomas dachte angestrengt nach, doch er wirkte wie paralysiert, er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Sein Kopf schmerzte, er fühlte sich müde und ausgelaugt und sein Blick wurde immer verschwommener, je länger er auf den flirrenden Plasmabildschirm starrte. Er schloss für einen Augenblick die Augen, atmete tief durch und bediente dann wieder den Cursor, um im Outlook Express die Antwort der Polizeibehörde durchzulesen.

    „Sehr geehrter Herr Kharissimi, auf Grund eines Serverproblems hat uns ihrer Nachricht erst vor wenigen Augenblicken erreicht. Auf Grund der heiklen Wetterlage und der für die heutige Nacht angekündigten Stürme werden wir die von ihnen genannte Insel am heutigen Tag leider nicht mehr erreichen können, da wir es nicht verantworten können, das Leben unserer Piloten oder Bootsmänner aufs Spiel zu setzen. In den Morgenstunden soll sich die Lage jedoch verbessern und die Sturmfront entgültig vorbeiziehen. Wir werden zu diesem Zeitpunkt auf dem schnellsten Weg unser Sonderkommando zu ihnen schicken und vermutlich am späten Vormittag bei ihnen eintreffen. Versuchen Sie den Täter so lange wie möglich hinzuhalten. Grenzen Sie seinen Handlungsspielraum ein, warnen Sie, soweit es Ihnen irgendwie möglich ist, die anderen Anwesenden vor ihm. Wir bräuchten am besten noch genauere Angaben des Täters und die Namen der anwesenden Personen. Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht. Mit freundlichen Grüßen, Ihr Chief inspector Taylor Relliews, stellvertretender Polizeipräsident und Leiter aller Sonderkommandos im Bezirk Nord Nord Ost.“, las Thomas die Antwort laut vor und hielt seinen schweren Kopf dabei mit beiden Händen gestützt, wobei er sich mit den Ellbogen gegen die Tischkante stemmte.

    So sehr er sich auch eben noch über die Nachricht gefreut hatte, so schnell trat bei ihm jetzt die Ernüchterung ein. Wütend schlug er mit der Faust auf den Tisch und sprang grimmig von seinem Stuhl auf. Kopfschüttelnd lief er in dem Zimmer hin und her und wusste nicht, wie er seinem Ärger Luft verschaffen sollte.

    Er empfand es als eine Dreistigkeit, dass die örtlichen Behörden erst am nächsten Morgen eingreifen wollten. Sie wollten einen eventuellen Anflug auf die Insel gar nicht erst probieren wegen des Sturms. Stattdessen nahm man fast billigend in Kauf, dass die überlebenden Gäste in der Zwischenzeit weiterhin in akuter Lebensgefahr schwebten und sich einzeln nacheinander abschlachten ließen. Was dachte dieser stellvertretende Polizeipräsident denn von ihnen? Meinte er etwa, dass sie alle aus Dummheit in die tödlichen Fallen getappt waren und dem Killer dabei tatenlos zugesehen hatten? Konnte er sich nicht vorstellen, dass man alles daran gesetzt hatte, ein System hinter den Morden zu erkennen, um den Täter in irgendeiner Weise zu stoppen? Wie ignorant musste man sein, um solch eine verzweifelten Schrei nach Hilfe einfach auf die leichte Schulter zu nehmen?

    Thomas trat wütend gegen einen der Holzstühle, der krachend gegen die Wand flog und ballte seine Hände zu Fäusten. Er war sich darüber bewusst, dass ihm erneut die Hände gebunden waren, dass er wieder nicht entscheidend eingreifen konnte. Er war auf fremde Hilfe angewiesen und diese ließ sie nun im Stich. Der Schotte spielte kurz mit dem Gedanken, ob er der Behörde ebenfalls eine Nachricht schicken sollte, doch er bezweifelte, dass er mehr Erfolg haben würde, als sein Kollege, dessen engagierten Rettungsversuch Thomas im Nachhinein enorm wertschätzte. 

    In diesem Moment wurde plötzlich grob die Zimmertür aufgerissen und Thomas zuckte zurück und ging in die Knie, in Erwartung eines schnellen Angriffs. Geduckt nahm er eine Abwehrstellung ein und atmete erleichtert auf, als er Elaine Maria da Silva erblickte, die ihm einen erstaunten Blick zuwarf, die Tür hinter sich schloss und Thomas eindringlich anblickte.

    „Gwang-jo kommt gerade die Treppe hoch. Ich wollte unsere Position nicht verraten und habe es vorgezogen mich hier bei dir kurzzeitig zu verstecken. Allerdings solltest du dann auch nicht so einen Lärm machen!“, flüsterte die Brasilianerin eindringlich und bemerkte kurz darauf erstaunt den halb zertrümmerten Stuhl, den Thomas eben erst demoliert hatte. Fragend blickte sie ihren Partner an.

    „Ich habe gerade Mamadous Laptop gefunden. Er hat eine Nachricht an die nächsten Polizeistationen geschickt. Die Sondereinheiten werden frühestens morgen Vormittag eintreffen, wegen des Sturms.“, erklärte Thomas, der sich inzwischen wieder an den Laptop gesetzt hatte und auch noch die zweite Nachricht anschauen wollte. Diese war an eine Frau adressiert worden.

    Thomas öffnete die Nachricht und merkte sogleich, dass sie an die Freundin oder Frau des Ghanaers gerichtet war. Sie war in einer Thomas fremden Sprache verfasst worden, vermutlich Akan, der neben der Amtssprache Englisch meistbenutztesten Sprache Ghanas. Thomas fühlte sich unwohl, als er daran dachte, dass dies die letzte Nachricht gewesen war, die Mamadou in seinem Leben verschickt hatte. Er wollte seinem toten Kollegen diese Privatsphäre nicht nehmen, da der Brief vielleicht eine Art persönlichen Abschied von einer nahestehenden Person darstellte. Mit einem unguten Gefühl schloss Thomas die Datei und blickte sich noch anderweitig auf dem Rechner um und kam dabei zufällig auf den Internet Explorer. Langsam summend baute der Laptop eine Verbindung auf.

    „Verdammt, das könnte vielleicht schon zu spät sein“, brach es inzwischen laut aus Elaine Maria da Silva hervor und sie biss sich danach plötzlich auf die Lippen.

    Besorgt blickte sie zur Tür und hielt den Atem an. Tatsächlich vernahm eilige und tappende Schritte aus dem Flur, die sich jedoch nicht dem Zimmer des Ghanaers näherten. Erleichtert atmete die Brasilianerin auf und ließ sich erschöpft auf das sauber gemachte Bett des Toten fallen.

    Thomas war inzwischen ein anderer Gedanke gekommen. Er überprüfte im Verlaufsmodus die Seiten, die Mamadou zuletzt aufgerufen hatte und stieß dabei auf zwei verschiedene Seiten. Die erste behandelte mehrere Provinzialflaggen verschiedener Länder. Thomas warf flüchtig einen Blick darüber, konnte jedoch auf Anhieb keinerlei interessante Dinge finden. Daher nahm er sich direkt den zweiten Link vor, der ihn zu einer Seite führte, die eine Biographie über einen Politiker namens René Lévesque enthielt. Thomas musste sich eingestehen diesen französischen Namen niemals zuvor gehört zu haben. Wo lagen hier die Zusammenhänge?

    In diesem Moment trat Elaine Maria da Silva zu ihm, die sich stöhnend auf seiner Schulter abstützte und ihren Kopf sanft gegen den seinigen legte. Dabei blickte sie zunächst relativ müde und desinteressiert auf den Bildschirm, bis sie plötzlich erstarrte und die Seite näher betrachtete. Auch Thomas war dieser Wandel nicht entgangen und er wandte sich fragend an seine Begleiterin.

    „Den Kerl auf der Seite kenne ich. Er war einer der bekanntesten Premierminister der kanadischen Provinz Québec. Er hatte die Parti Québécois gegründet und sich für die Abspaltung der Provinz vom restlichen Land und deren Autonomie eingesetzt. Er hat versucht diese Unabhängigkeit durch ein Referendum zu erreichen und ist nur sehr knapp gescheitert. Er war eine sehr kontroverse Persönlichkeit, immer provokant und stoisch, sein Markenzeichen war, dass er ständig Zigaretten geraucht hat.“, berichtete Elaine Maria da Silva atemlos und sah Thomas erwatungsvoll an, doch dieser verstand die Geste nicht und blinzelte seine Partnerin verwirrt an.

    „Woher weißt du das alles?“, wollte er wissen.

    „Ich interessiere mich für Politik, zumal meine beste Freundin Politikwissenschaften studiert hat. Das ist aber zweitrangig, fällt dir denn nichts auf?“, forderte Elaine Maria da Silva ihren Geliebten zu einem kurzen Ratespiel auf, obwohl diesem überhaupt nicht danach war. Er wollte sich gerade ungeduldig beklagen, als er mit leuchtenden Augen einen Einfall hatte.

    „Doch, klar! Gwang-jo hat Politikwissenschaften studiert! Er wird diesen Menschen auch kennen. Aber ich verstehe nicht, warum Mamadou sich über diesen Premierminister schlau gemacht hat, das passt doch gar nicht zum Fall?“, erwiderte Thomas nachdenklich und wirkte seltsam leer und ratlos.

    „Von der Seite aus habe ich die Sache noch gar nicht betrachtet. Ich dachte eigentlich eher an Marilou Gauthier. Immerhin kommt sie auch aus Québec. Das könnte genau passen!“, bemerkte Elaine Maria da Silva und Thomas sah sie erstaunt und mit fiebrigen Augen an.

    Er war gerade aufgestanden und dreht unruhig eine Runde in dem Zimmer seines toten Kollegen. Sein Gedankenapparat arbeitete wie auf Hochtouren. Er wollte gerade etwas erwidern, als er beiläufig aus dem Fenster sah. Das Zimmer befand sich an der Seitenfassade des Schlosses und bot einen guten Blick auf die Steilküste und die ersten Ausläufer des Dickichts. Thomas musste schon zweimal hinsehen und verwirrt blinzeln, um zu erkennen, dass eine dunkel gekleidete Person in aller Eile um das Schloss herumrannte. Noch erstaunlicher war aber der Gegenstand, den die Person in der Hand hielt. Es handelte sich um ein japanisches Katana, dessen scharfes Ende in Blut getränkt war.

    Erregt presste Thomas sein Gesicht förmlich gegen die Scheibe und seine Partnerin trat erstaunt an ihn heran. Thomas kam ihrer Frage zuvor, indem er stumm auf die Person wies, die jetzt geduckt auf die hintere Seite des Schlosses rannte und aus ihrem Blickfeld verschwand, doch als die Brasilianerin endlich nah genug an der Scheibe stand, war die Person auch schon wieder untergetaucht. Thomas dachte kurz nach, fuhr dann herum und rannte eilig auf die Zimmertür zu, die er dann aber bedachtsam öffnete und vorsichtig auf den Gang blickte, da niemand etwas von ihrem Besuch in dem Zimmer erfahren sollte.

    Als Thomas merkte, dass der düstere Gang in völliger Stille vor ihm lag, drückte er sich behutsam durch den Türspalt und nahm seine Partnerin an die Hand. Die Brasilianerin blickte ihn nachdenklich an, während der schottische Polizist sie bis in Richtung der Eingangshalle schleifte. Sie konnte sich noch keinen Reim darauf machen, was ihr Partner überhaupt vor hatte und sein grimmiger und stoischer Gesichtsausdruck wies darauf hin, dass er dies derzeit auch nicht mitteilen wollte, sondern versessen einer spontanen Eingabe zu folgen schien.  Am oberen Ende der Treppe war es die Brasilianerin leid und sie drückte Thomas zu sich herum.

    „Thomas, was hast du überhaupt vor? Würdest du mich vielleicht irgendwie mal aufklären, anstatt mich so brutal mitzuschleifen?“, wollte die Brasilianerin wissen.

    „Wer immer diese Person im Garten war, ich schätze, dass sie durch das zerstörte Fenster des Speisesaals nach draußen gelangt ist. Das Schwert stammt vermutlich aus der Sammlung des Direktors, ich glaube so ein Exemplar in seinem Arbeitszimmer gesehen zu haben. Wir müssen dieser Person folgen und ich wollte dich nicht oben allein lassen.“, erklärte Thomas hektisch und mürrisch und ging dabei schon rasch die Treppenstufen herunter, wobei er manchmal direkt mehrere auf einmal nahm, sodass seine Partnerin Mühe hatte, ihm überhaupt zu folgen.

    „Na schön. Wir sollten aber auch herausfinden, wo die Anderen sind. Du hast doch das Blut gesehen, irgendwer muss mit diesem verdammten Schwert auch verletzt worden sein. Ich hätte nicht gedacht, dass der Killer so schnell wieder zuschlagen würde.“, kommentierte die schöne Brasilianerin ächzend die Situation und wäre mit ihrem pompösen Kleid und ihren edlen Schuhen mit Absätzen fast das ein oder andere Mal böse gestolpert. Zum Glück hatte sie gute Reflexe und schien es gewohnt zu sein, sich mit solcher Kleidung regelmäßig und schnell voran zu bewegen.

    „Ich denke nicht, dass es derselbe Killer war. Er hätte sich nicht so hektisch verhalten und so von uns überraschen lassen, außerdem stimmt die Uhrzeit einfach nicht mit dem Hinweis auf dem Taschentuch des Kochs überein.“, antwortete Thomas und eilte bereits weiter an dem Springbrunnen vorbei in die Bibliothek.

    Der schottische Polizist wollte gerade um die nächste Ecke gehen, als plötzlich ein Schatten um selbige herumeilte und brutal mit Thomas zusammenstieß. Mit einem Schrei der Überraschung verlor Thomas in seinem schnellen Lauf das Gleichgewicht und landete rücklings auf dem Boden. Abwehrend hob er instinktiv die Arme schützend vor sein Gesicht, als die für ihn noch unerkenntliche Person ebenfalls mit erhobenen Armen und verzerrten Gesichtszügen auf seinen Körper stürzte, während Elaine Maria da Silva wie erstarrt stehen geblieben war und mit schreckgeweiteten Augen und offenem Mund die bedrohliche Kollision mitverfolgte.

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