• Epochale Leistungen vollbracht

     

    Von Sebastian Kluth, 01.12.10, 15:15h

     

    Junge-Zeiten-Autoren listen in einer kleinen Serie die aus ihrer Sicht fünf wichtigsten Deutschen auf. Den Anfang macht unser Autor Sebastian Kluth mit seiner Bestenliste.


    Wie oft wurde schon gefragt, welche Person die deutsche Geschichte am meisten geprägt hat, welcher Deutscher oder welche Deutsche am wichtigsten, berühmtesten oder einflussreichsten war oder ist? Gerade in Zeiten allgemeiner Schwarzmalerei, politischer und gesellschaftlicher Blockaden und Sorgen um die Erziehung, Schule und Zukunft der jüngsten Generationen, sollte man sich vor Augen halten, was dieses Land schon erreicht hat. Ein Blick in die Vergangenheit lässt hoffen, dass sich eine solche Entwicklung auch in Zukunft fortsetzen wird. Hier also meine ganz persönliche Liste der fünf wichtigsten Deutschen.
     

     

    1. Otto von Bismarck

    Obwohl ich mit seiner politischen Ideologie größtenteils nicht übereinstimme und ihn auch weniger als Vorbild sehe als die anderen von mir genannten Persönlichkeiten. Egal wie man zu ihm steht, so sind seine Leistungen für Deutschland, so wie es heute existiert, dennoch von zentraler Bedeutung gewesen. Der preußische Ministerpräsident und erste Reichskanzler des Deutschen Kaiserreiches hat nicht nur ein zerstückeltes Deutschland vereinigt, den ersten Kaiser gekrönt und trotz seines Hasses gegenüber Gewerkschaften und Liberalen maßgeblich solche Dinge wie die Einführung einer Rente und Kranken- und Unfallversicherung beeinflusst. Er hat auch das Ansehen des jungen deutschen Staates gestärkt und nach einer Anzahl von Kriegen mit seiner diplomatisch ausgeklügelten Bündnispolitik Deutschland auch außenpolitisch und sogar wirtschaftlich modernisiert und ein krisengebeuteltes Land mit harter Führung in eine friedliche Machtposition gebracht. Ich bin davon überzeugt, dass der Erste Weltkrieg und somit automatisch auch der Zweite Weltkrieg in der Weise, wie sie stattgefunden haben, hätten verhindert werden können, wenn man seine Bündnispolitik nicht später verworfen hätte. Bis heute wurde seine Person in jeder Generation kontrovers behandelt und auch propagandistisch missbraucht, was zeigt, wie bedeutend und vielseitig dieser für das heutige Deutschland wohl wichtigste Mensch war.

    2. Martin Luther

    Der theologische Urheber und Lehrer der Reformation. Er hat sich nicht nur gegen die Ausbeutung der Bevölkerung durch Ablassbriefe der katholischen Kirche aufgelehnt und als Einzelkämpfer dafür sein Leben und seine Ehre riskiert, sondern übersetzte unter dem Tarnnamen des Junkers Jörg auch das Neue Testament in Rekordzeit. Durch diese Übersetzungen ermöglichte er dem Volk später erstmals Zugriff auf religiöse Schriften und trug somit nicht nur zu einem religiösen Umdenken, sondern auch zu einem gesellschaftlichen Umschwung bei.

    Die evangelische Kirche und der Protestantismus basieren mittlerweile weltweit auf seinem Werk, und viele Bibeln werden heute noch nach seiner Vorlage übersetzt. Ich denke, dass die Welt ohne die Bewegung, die dieser Mann ins Rollen gebracht hat, heute weitaus einseitiger und ungerechter wäre und habe ihm zum Teil auch meinen eigenen Glauben zu verdanken.

    3. Karl Marx

    Zu seiner Zeit hatte Marx revolutionäre Theorien und sorgte für einen maßgeblichen Umschwung über die Grenzen Deutschlands hinweg. Er bekämpfte Armut und soziale Ungerechtigkeit, setzte sich für die menschliche Emanzipation in festgefahrenen, konservativen Systemen ein, indem er Gewerkschaften unterstützte und die Vereinigung der Proletarier aller Länder forderte. Er hat mit seinen Werken über den Sozialismus und Kommunismus nicht nur weltweit Parteien beeinflusst, sondern die Vorlage zu Ideologien gegeben, die in den verschiedensten Ländern ausprobiert worden sind.

    Auch wenn seine Idee des Kommunismus meiner Meinung nach utopisch erscheint und bis heute oft von Diktaturen verfälscht und missbraucht wurde und somit auch in der Öffentlichkeit meist entsprechend schlecht dargestellt wurde, so ist der Einfluss dieser Ideologie weitreichend, aktueller denn je und für mich eine der interessantesten und innovativsten Theorien überhaupt.

    4. Albert Einstein

    Der sowohl Deutscher, aber auch Staatenloser, Schweizer, Österreicher und später Amerikaner war. Neben seiner berühmten Relativitätstheorie trug er zur Entwicklung der Kosmologie und Quantenmechanik bei und veränderte durch seine zunächst umstrittenen Theorien das physikalische Weltbild. Unter anderem eine Mengeneinheit und ein chemisches Element tragen heute seinen Namen. Einstein setzte sich auch stark für den Weltfrieden ein, kritisierte das Regime des Dritten Reiches und trug enorm zur Völkerverständigung bei. Er verstand sich als Pazifist, Sozialist und auch als Zionist, so dass ihm sogar die Präsidentschaft des kurz vorher gegründeten Staates Israel angeboten wurde, was er jedoch ablehnte. Zudem plädierte er visionär für die Notwendigkeit eines Weltstaates. Ich finde, dass er nicht nur für die Wissenschaft enorme Fortschritte geleistet hat, sondern auch philosophisch sehr innovativ war und als Vorbild der Anpassung und Völkerverständigung gelten kann.

    5. Joseph Alois Ratzinger

    Besser bekannt als Papst Benedikt XVI. Dies hat weniger mit dem Glauben zu tun, als mit der Tatsache, dass Deutschland durch ihn wieder in aller Munde ist und auch durch die mediale Berichterstattung wieder frischer Wind in festgefahrene, konservative Strukturen der Kirchen kam. Viele Jugendliche zeigen plötzlich wieder mehr Interesse an dem Thema Religion. In Zeiten einer schnellen, globalen Welt besinnt sich der Papst auf die Rückkehr zu christlichen Werten, die Europa über zwei Jahrtausende hinweg geformt haben. Ich denke, dass gerade diese Einstellung heute noch vielen Menschen aus der Seele spricht und die Macht des Papstes noch ein enormes Gewicht hat und zur Anerkennung Deutschlands beiträgt. Aktuell ist er wohl der einflussreichste Deutsche.

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  • Den Optimismus nie verloren

     

    Von Sebastian Kluth, 04.02.09, 15:25h

     

    Die 1938 geborene Tamar Dreifuss berichtet Schülern von ihrer Zeit im Wilnaer Ghetto. Die Zeitzeugin erzählt auf anschauliche Art und Weise auch die Lebensgeschichte ihrer Mutter Jette Schapiro-Rosenzweig.

     
    Konzentrationslager
     
     
    Sinnbild des Holocaust schlechthin: Das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Auch der Vater von Tamar dreifuss wurde im KZ ermordet. Sie selbst verbrachte ihre Kindheit auf der Flucht vor den Nazis, stets begleitet von ihrer Mutter, die darüber ein preisgekröntes Buch geschrieben hat. Kurz vor der Ankunft im Konzentrationslager gelang Jette Schapiro-Rosenzweig die Flucht.

     

    Leverkusen - Ende Januar fand in der Aula des Werner-Heisenberg-Gymnasiums eine Veranstaltung in Gedenken und in Erinnerung an die Auseinandersetzungen mit dem Holocaust statt. Die Zeitzeugin Tamar Dreifuss sollte von ihrer Zeit im Wilnaer Ghetto berichten. Außerdem wurde ein Konzert organisiert. Hauptsächlich waren Lieder zu hören, die an die Zeit des Holocausts erinnern, im Ghetto geschrieben worden waren und das Leid der Menschen widerspiegeln.

    Als geschichtlich interessierte Person ging ich mit relativ hohen Erwartungen zum Vortrag von Tamar Dreifuss. Dort gab es bereits eine Überraschung. Tamar Dreifuss wurde im Jahr 1938 geboren und konnte somit natürlich nur recht wenig von ihren eigenen Erlebnissen berichten, sondern rezitierte stattdessen aus dem Werk „Sag nie, du gehst den letzten Weg“, das ihre Mutter einst verfasst hatte und das von der Tochter später übersetzt worden war.

    Trotz einiger Längen und Zeitsprünge konnte Dreifuss dennoch auf alle Fragen antworten und auf anschauliche Art und Weise die Lebensgeschichte ihrer Mutter - und zum Teil auch von sich selbst - erzählen. Sie berichtete von der Zeit aus dem Wilnaer Ghetto in Litauen, wo im Wald täglich hunderte Menschen, darunter schwangere Frauen und Kinder, von den Nationalsozialisten hingerichtet worden waren. Die Familie wollte zuerst gar nicht wahrhaben, dass dort wirklich systematisch Juden ermordet wurden und konnte erst im letzten Moment reagieren. Die Tochter und Zeitzeugin wurde bei ihrer Tante versteckt, die auch ein Zimmer an ein Mitglied der Gestapo vermietet hatte.

    Dritter Fluchtversuch gelingt

    Dieser Mann bekam zufällig heraus, dass das junge Mädchen eine Jüdin war, doch anstatt sie zu verraten, empfahl er der Tante und ihr die Flucht. Ein seltener und mutiger Akt der Zivilcourage. Das Schicksal aber meinte es nicht gut mit dem jungen Mädchen, das sich bald im Wilnaer Ghetto wieder fand und mit seiner Familie in einem Bunker ein Versteck fand, bevor die Gestapo ihren Vater abholte und auch ihre Mutter und sie auf den Todeszug ins Vernichtungslager schickte. Trotz all dieser Schicksalsschläge betonte Tamar Dreifuss immer, dass ihre Mutter eine heldenhafte Frau gewesen sei, die den Optimismus nie verloren hatte und sich auch nicht von ihrem Kind trennte. So habe die Mutter bis zuletzt gekämpft, zwei Fluchtversuche unternommen, sei zwei Mal erwischt und brutal ausgepeitscht worden, bevor ihr an der letzten Station vor dem Konzentrationslager beim Duschen der Gefangenen die Flucht gelang. Damit besserte sich das Schicksal der kleinen Familie, die sich unter den lediglich 2000 Überlebenden von einst 80.000 jüdischen Bürgern des Wilnaer Ghettos befand, jedoch in keinster Weise. Sie wanderte von einem Unterschlupf zum nächsten und musste sich zeitweilig sogar vor Häschern zwei Tage lang in Hundehütten verstecken und mit den Tieren das Essen teilen. Wie durch ein Wunder überlebten Mutter und Kind die Odyssee durch halb Europa, um später nach Israel zu ziehen, wo Tamar mit zehn Jahren dann endlich die erste Klasse besuchen konnte und elf Jahre dort zur Schule ging.

    Auf ihrem Weg dorthin beschreibt die Augenzeugin im Namen ihrer Mutter die vielfältigsten Persönlichkeiten, wie beispielsweise ein halb verhungertes Kind im Wilnaer Ghetto, das „todernste“ Zwiegespräche mit seiner Puppe führte. Oder den Cousin der jungen Tamar, der in das Gemeindebuch eines Klosters - wo die Familie zeitweise Unterschlupf befand - seine Kunstwerke malte. Noch heute verdient er sein Geld mit der Malerei und hatte unter anderem Ausstellungen in Darmstadt.

    Während die Mutter dank ihrer Stärke überleben und ganz neu beginnen konnte, hatte die Tochter ein grundsätzlich schlechtes Menschenbild. Über viele Jahre hinweg habe sie noch Probleme gehabt, Menschen ungeniert ins Gesicht zu blicken. Hier taten sich den Zuhörern die Abgründe einer zu Kindheitszeiten bereits grausam geprägten Seele auf. Die Erzählungen zogen fast jeden Anwesenden in ihren Bann. Ein leicht bitterer Beigeschmack störte am Ende das Gesamtbild des interessanten Vortrages, als die Zeitzeugin sich sarkastisch lachend fragte, warum sie überhaupt in Deutschland sei und dass sie in Israel mit den dort friedlich lebenden Menschen ihre wahre Heimat gefunden habe.

    Aktualität

    Bedenkt man, dass auch heute immer noch Minderheiten drangsaliert werden und Völker aus allen Regionen der Welt nicht aus den Fehlern der Geschichte lernen, lässt dies den unfassbar schrecklichen Holocaust geradezu aktuell erscheinen. Somit sollte der 27. Januar nicht nur ein Tag im Gedenken an die schrecklichen Taten der Vergangenheit sein, sondern auch ein Appell zur Stärkung der Menschenrechte, der globalen Solidarität und Autonomie der Kulturen.

     

     

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  • Auf Goethes Spuren

     

    Von Sebastian Kluth, 12.11.08, 16:44h

     

    Neben den bekannten Klassikern beherbergt die Stadt in Thüringen auch ein paar Überraschungen. Die Deutsch-Leistungskursler des Werner-Heisenberg-Gymnasiums unternahmen eine Studienfahrt auf den Spuren großer Dichter.

     
    Goethe und Schiller
     
    Denkmal für Dichter: In Weimar wirkte nicht nur Johann Wolfgang von Goethe (l.), sondern auch Friedrich Schiller. Beide wurden in der thüringischen Stadt in Bronze verewigt. (Bild: Archiv)
     

    Weimar/Leverkusen - „Wo finden Sie auf einem so engen Fleck noch so viel Gutes?“ Was schon Goethe erstaunte, erkundeten die Deutsch-Leistungskurse des Werner-Heisenberg-Gymnasiums sowie einige weitere Schüler der Stufe 13 bei einer fünftägigen Studienfahrt nach Weimar. Die „Kulturhauptstadt Europas“ von 1999 hat über Jahrzehnte hinweg die europäische Literatur, Musik oder auch Politik maßgeblich beeinflusst. Die Stimmung war zu Beginn der Fahrt dennoch eher wechselhaft, da manch ein Schüler sich eher eine Reise ins Ausland gewünscht hatte oder mitunter auch nicht ganz freiwillig mitfuhr.

    Auf der Hinreise quer durch Deutschland gab es den ersten Zwischenstopp bereits nahe der hessisch-thüringischen Grenze an der Wartburg. Die ist beispielsweise durch den legendären Sängerwettstreit bekannt, aber auch durch den Reformator Martin Luther, der sich hier versteckte und in nur elf Wochen das Neue Testament der Bibel ins Deutsche übersetzte und dadurch später eine enorme Kulturrevolution in Gang brachte.

    Nach ausgiebiger Besichtigung wurde die Reise fortgesetzt und am Abend kamen wir dann in Weimar an. Die Stadt ist wesentlich vielfältiger und größer, als ich sie mir vorgestellt hatte. Neben dem historischen Zentrum, allerlei anschaulichen Museen, Parks, Kirchen oder Rathäusern gibt es auch moderne Wohnviertel oder Einkaufszentren in der Stadt.

    Auf dem Programm standen natürlich die üblichen Klassiker: Die durchaus beeindruckende und sehr schön gestaltete Anna-Amalia-Bibliothek sowie die Wohnhäuser von Goethe und Schiller. Dabei gab es durchaus interessante Details zu erfahren: Goethe verkroch sich bei einem Angriff der Franzosen beispielsweise feige in den hinteren Räumen und ließ seine Frau ihn und das Haus allein verteidigen, während Schiller gleich zwei Frauen auf einmal heiraten wollte und auch alkoholisch gesehen recht extrovertiert war. Ansonsten wurde uns noch ein Theaterstück vorgesetzt, welches einen klassischen Dichter in modernem Spiel und Gewand präsentieren sollte und dementsprechend, trotz guter spielerischer Leistung, in die Hosen ging und den epochalen Spagat nicht schaffte. Neben diesen Rahmenprogrammen gab es auf der Reise glücklicherweise viel Zeit zur freien Gestaltung, die auch sinnvoll genutzt wurde. So erkundete ich mit einigen Freunden beispielsweise den Park an der Ilm, mit Goethes unspektakulärem Gartenhaus, einer weitaus interessanteren Parkhöhle und einem stilistisch faszinierenden Römischen Haus.

    Auch manche extrem baufälligen Kirchen wurden von uns bestiegen, die einen ganz schön ins Schwitzen brachten und dringend renoviert werden sollten. Als Liebhaber russischer Kultur kam ich auch auf meine Kosten, da es in Weimar neben russisch-orthodoxen Kirchen und diversen sowjetischen Friedhöfen auch einen reizvollen Laden namens „Moskwa“ gibt, in dem man sich neben dem Brotgetränk Kwas auch mit abenteuerlichen Schokoladensorten und russischem Bier versorgen kann. Ein weiteres absolutes Muss sind die schmackhaften Rostbratwürste und das Ehringsdorfer Bier, so dass das kulturelle Programm nahezu perfekt war. Der vorletzte Tag ließ jedoch alle „angenehmen Kulturerrungenschaften“ schlagartig vergessen, denn die Besichtigung des Konzentrationslagers Buchenwald war wie ein Schlag in den Magen. Ich kann nur appellieren, dass nicht nur jeder Deutsche, sondern generell jeder Mensch dieser Welt eines der leider zahlreichen Lager ein Mal im Leben besichtigt. Erst durch seine eigenen Augen kann man überhaupt nur einen Bruchteil dessen begreifen, was sich in unserem Land vor nicht allzu langer Zeit abgespielt hat und in manchen Ländern dieser Erde vielleicht immer noch ähnlich abspielt. Was im Geschichtsunterricht meist steril herüberkommt, wird einem hier mit brutaler Kälte vor die Augen geführt. Weniger der Weltkrieg an sich war das wirklich Erschreckende, sondern die Ideologie und der Genozid, die damit verbunden waren. Ich habe Berichte gelesen, in denen Menschen bei der Besichtigung solcher Konzentrationslager weinend zusammenbrachen oder ihren deutschen Pass einfach wegwarfen. Obwohl ich eher hart im Nehmen bin, kann ich das jetzt gut nachvollziehen. Nach dieser Besichtigung war die Stimmung logischerweise bedrückt, denn man kann von Themen wie Massenmord, Nekrophilie, Demütigung oder menschlichem Schützenfest nicht so einfach umschalten.

    Dennoch wurde der Abschlussabend im Jugendgästehaus noch sehr unterhaltsam und endete für mich persönlich mit einem ganz besonderen Stück Kultur. Auf meinen völlig abwegigen Vorschlag, nachts noch das Schloss Belvedere nahe Weimar zu besichtigen, gingen tatsächlich zwei ebenso abenteuerlustige Mitschülerinnen ein, so dass wir bei sternenklarer Nacht und Mondschein das Schloss, den atemberaubenden Park und einen Friedhof völlig allein besichtigten. Diese Entdeckungsreise war absolut magisch und inspirierend; ein unvergesslicher Moment.

    Nachdem ich dann entsprechend spät zu Bett gegangen war, ging es am folgenden Morgen mit einem völlig orientierungslosen Busfahrer in Richtung Heimat. Einen leider sehr schwer erreichbaren Halt gab es dann noch am Schillermuseum, welches in nur fünf Minuten abgearbeitet wurde und sich in dem idyllischen Dorf Bauerbach befindet, welches an Unaufgeregtheit kaum noch zu übertreffen sein dürfte.

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  • Alles potenzielle Mörder?

     

    Von Sebastian Kluth, 27.05.09, 15:19h

     

    Nach dem Amoklauf in Winnenden fallen die "Friday Night Games", die "Ballerspiel"-Meisterschaften in diesem Jahr aus. Ein Junge-Zeiten-Mitglied macht sich deshalb Gedanken über die Gefahren von Computerspielen.

     
    Computerspieler
     
    Die Fangemeinde der Ballerspiele ist groß. Es gibt sogar eine Deutsche Meisterschaft. BILD: ARCHIV
     
     

    Irgendwo auf unserem Planeten läuft ein junger Mensch Amok, bringt erst zahlreiche Menschen und dann feige sich selbst um. Und alle reagieren immer gleich: Man ist bestürzt, man kann es nicht nachvollziehen, redet von Veränderungen und engagierter Spurensuche - und nach wenigen Wochen ist das Thema wieder vom Tisch. Ändern tut sich herzlich wenig. Was mir aber auch Kopfschmerzen bereitet, ist die eindimensionale Betrachtungsweise vieler Pseudo-Experten.

    Man sucht nach einfachen Lösungen und schiebt die Probleme weniger auf konkrete Personen, sondern auf andere Dinge. Lieblingsziele sind meist die Musik, die den Amokläufer negativ beeinflusst haben soll, oder eben auch die so genannten „Ballerspiele“. Gerade mit dieser Bezeichnung zeigt sich schon, wie wenig Ahnung die Moralapostel haben. Sie reden meist von strategischen Egoshootern, vielleicht meinen sie aber auch gewisse Action- oder Spionagespiele? Egal, es wird alles in einen Topf geworfen.

    Die allermeisten Menschen reizt es einfach, bei solchen Spielen ganz bewusst die Realität außen vor zu lassen. Manchen geht es nur um einen Zeitvertreib, bei dem man neue Leute verschiedenster Länder im Internet kennen lernt, mit denen man kommunizieren muss, um Taktiken zu erarbeiten oder Fehler zu besprechen. Auch wenn man das Ganze allein spielt, kann man hierbei wunderbar die Sorgen des Alltags vergessen und erlebt eine Art Spielfilm, den man praktisch selbst gestalten kann, denn die erwähnten Spiele sind selten eindimensional, sondern lassen viele Gestaltungsmöglichkeiten zu.

    Damit meine ich nicht Schauplätze oder die verschiedenen Waffentypen, sondern die Vorgehensweise. Der erste Spielertyp agiert aus dem Hinterhalt und schaltet im Spiel nur die wichtigsten Gegner aus, der Zweite versucht, sich komplett ohne Blutvergießen durch des Gegners Reihen zu schleichen, um sich um anspruchsvolle Aufgaben zu kümmern, ein Weiterer wagt sich direkt ins offene Kreuzfeuer ohne Rücksicht auf Verluste. Es geht um weit mehr als nur zu „ballern“. Sobald das Spiel beendet ist, kehrt man aber schnell in die Realität zurück, genauso wie nach einer Buchlektüre oder einem Kinobesuch. Das „Räuber und Gendarm“ oder mit Zinnsoldaten spielen früherer Generationen hat heute eben mediale Vielfalt angenommen. Es würde wohl niemand auf die Idee kommen, einen Jugendlichen, der sich einen James-Bond-Film ansieht, das Brettspiel „Risiko“ mag und Horrorhefte à la „Geisterjäger John Sinclair“ liest, als potenziell schießwütigen, diktatorischen und perversen Amokläufer einzustufen. Denn dann dürfte man beispielsweise das Fach „Geschichte“ nicht mehr unterrichten mit all den Bildern und Berichten von brutalsten Schlachten, die sich tatsächlich abgespielt haben. Man dürfte den Kindern auch keine Märchen mehr vorlesen, sonst kämen sie noch auf die Idee, Äpfel zu vergiften oder Leute in Brennöfen zu werfen. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Die schlimmsten Beispiele für die Jugendlichen sind meist Erwachsene, die in Krieg und Terrorismus verwickelt sind und Amokläufe begehen, die medial meist ziemlich untergehen. Es ist eben heutzutage nur eine Randnotiz, wenn ein junger Iraker oder Palästinenser Dutzende von Menschen und sich selbst in die Luft sprengt oder ein afrikanischer Diktator sein Volk zu Tausenden niedermetzeln lässt. Wenn dann aber ein Schüler selbiges tut, dann interessiert es plötzlich jeden - aber nur für ein paar Wochen. Die Ursachen sind meiner Ansicht nach eher im sozialen Umfeld zu suchen. Viele Amokläufer sind sozial desintegriert, haben ein schlechtes Verhältnis zu Eltern und Lehrern, die ihre Probleme verkennen oder ignorieren. Auch unter Gleichaltrigen finden sie kaum Anschluss, werden verspottet und gehänselt oder finden nicht die dringend benötigte Freundschaft oder gefühlvolle Liebesbeziehung. So bleibt vielen dieser Täter meist nur noch die Flucht in andere Welten, über Musik oder Spielkonsolen, um ihren Frust wenigstens dort abzubauen.

    Würde es die „Ballerspiele“ nicht geben, hätten die gefährdeten Jugendlichen höchstens noch ein Ablassventil weniger - und würden noch früher und vor allem häufiger in der Realität zur Waffe greifen! Denn den Amokläufern geht es meist darum: Vergeltung üben, Denkzettel verpassen, Aufmerksamkeit bekommen - notfalls auch nur posthum. Dabei wird die Bezeichnung Amoklauf der Tat nicht einmal gerecht. Denn die ist oft lange im Voraus geplant, die meisten Opfer werden gezielt ausgesucht, die wenigen anderen Opfer geraten eher zufällig ins Schussfeld.

    Bevor sich Erwachsene also Gedanken darüber machen, Spiele oder Musik zu verbieten, sollten sie sich eher um die Kinder und Schüler als Individuen kümmern, um Probleme schon im Anfangsstadium herausfiltern zu können.

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  • Die allerletzte Chance

     

    Von SEBASTIAN KLUTH, 07.05.08, 17:18h, aktualisiert 30.05.08, 21:39h

     

    Schüler des evangelischen Religionsgrundkurses des Werner-Heisenberg-Gymnasiums besuchten die Justizvollzugsanstalt (JVA) Siegburg. Die Häftlinge klagten über fehlende Unterstützung von Behörden.

     
    BILD: KSTA
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    Junge-Zeiten-Mitarbeiter Sebastian Kluth besuchte die JVA in Siegburg.

     

    Leverkusen - - Diakonin Angelika Knaak-Sarayeko ist ständiger Gast in Siegburg. Sie trifft sich in der dortigen JVA mit den Gefangenen, gestaltet die Gottesdienste und hatte die Idee für einen Schülerbesuch. Die fand auch bei Bruno Schmidt-Späing, Lehrer am Werner-Heisenberg-Gymnasium, großen Anklang. Und dann war es soweit. In der JVA angekommen, mussten Personalausweise abgegeben und Mobiltelefone sowie Fotoapparate in ein Schließfach gelegt werden. Dann ging es in den Innenhof. Die ersten Eindrücke: Die glatte, fast zehn Meter hohe Mauer. An anderen Stellen waren doppelte Rollen Stacheldraht zu sehen.

    Kahles Gebäude, vergitterte Fenster

    Wir gingen auf auf einem asphaltierten Weg in Richtung des neuen Gefängnistraktes weiter. Auf einem großen Sportplatz mit Fußballtoren spielten einige Häftlinge. Das Gebäude war kahl, die Fenster der Zellen waren kleinmaschig vergittert. Inzwischen hatten sich sieben Häftlinge zu uns gesellt. Gemeinsam erreichten wir das oberste Stockwerk und gelangten in ein sehr großes, warm eingerichtetes Zimmer, das evangelische Gemeindehaus. Alle nahmen Platz. Für uns Schüler eine ungewohnte Situation. Wir waren im Stuhlkreis von den Gefangenen deutlich getrennt. Die Häftlinge trugen allesamt Jogginghosen, unterschieden sich aber von uns keineswegs durch eine „Anstaltskleidung“. Um die Stimmung aufzulockern, sangen wir ein religiöses Lied. Die Diakonin spielte Gitarre, ein Gefangener trommelte rhythmisch dazu. Er berichtete später, dass er „draußen“ Schlagzeuger in einer Heavy Metal Band sei.

    Überhaupt waren die Gefangenen musikalisch. Zwei waren Rapper, einer davon spielte zudem regelmäßig Klavier bei den Gottesdiensten. Wir erzählten, dass unser Besuch vor allem auf Neugier basiere, aber wir auch das Bedürfnis verspürten, mehr über den Alltag im Gefängnis zu erfahren. Alle Schüler hatten sich zuvor mit der Diakonin getroffen. Auch der Vorfall, als ein jugendlicher Inhaftierter im November 2006 in dieser JVA zu Tode gekommen war, wurde dabei im Unterricht thematisiert. Jetzt wurde uns geschildert, wie ein normaler Tag im Leben eines Häftlings aussieht. Wecken gegen 5.45 Uhr! Meist folgt das Frühstück, dreimal in der Woche auch zunächst der Gang zur Dusche. Einer unserer Gesprächspartner arbeitet an seinem Realschulabschluss, um später eine kaufmännische Ausbildung machen zu können. Der Unterricht im Gefängnis wird von Lehrern einer Abendschule in Siegburg erteilt. Andere sind tagsüber in einer gefängnisinternen Holz- oder Metallfabrik beschäftigt, manche erledigen Aufräumarbeiten und den Küchendienst. Pro Tag haben die Häftlinge in der Regel eine Stunde Freigang. Hin und wieder sei es in dieser Zeit zu Auseinandersetzungen mit Mitgefangenen kommen, berichteten die Häftlinge.

    Einzelgänger und Außenseiter

    Ein Gefangener erwähnte, dass gerade die russischen Insassen unter sich bleiben und sich mit Vorliebe auf Einzelgänger oder Insassen anderer Nationen stürzen würden. Sie würden sich selbst weiterhin zu Außenseitern machen und nach solchen Vorfällen gesonderte Freigangszeiten bekommen. Es gebe aber auch Ausnahmen. Einer unserer Gesprächspartner, selbst Russe, bestätigte jedoch das geschilderte Verhalten bei dem Großteil seiner Landsleute. Der Tag der Gefangenen endet offiziell um 21 Uhr mit dem Einschließen in die Zelle. Die Einzelzellen durften wir uns nicht ansehen. Sie sollen zwei mal vier Meter umfassen, die Toilette befindet sich unabgetrennt mitten im Raum. Die Gefangenen berichteten, dass die Beziehungen in der JVA eher Zweckgemeinschaften gleichen. Viele ehemalige Häftlinge, die versprochen hätten, ihren Schicksalsgefährten regelmäßig zu schreiben, würden sich nicht mehr melden. Auch vermeintliche Freunde von „draußen“ würden sich mit den Gefangenen nicht mehr abgeben wollen. „Wir leben am Rande der Gesellschaft“, stellte ein Gefangener fest. „Viele denken, im Gefängnis zu sein wäre cool, weil man da als besonders hart anerkannt wäre, aber das ist Bullshit.“ Im Gefängnis merke man schnell, wer die wirklichen Freunde seien und wer zu einem stehe. „Oft ist es so, dass du niemanden hast“, merkte ein anderer Häftling an. Andere sagten, man müsse im Gefängnis seine allerletzte Chance nutzen und sich als besonders willensstark erweisen. Ein Gefangener kritisierte die mangelnde Unterstützung einiger Behörden. „Ich werde das Gefängnis in zwei Monaten verlassen und habe nur über die Diakonin Informationen über mögliche Jobangebote erhalten.“ Das Problem sei aber, dass es „draußen“ Anmeldefristen gibt, die er nicht kenne und deshalb nicht einhalten könne. „Zudem muss ich erst einmal einen manchmal langwierigen Antrag stellen, damit ich ein Bewerbungsschreiben erstellen darf. Damit stehe ich wieder vor neuen Problemen, obwohl ich an meiner Lage etwas ändern will,“ führte einer der Häftlinge aus. Er sprach von Wohnheimen für ehemalige Gefangene, die er für kontraproduktiv hält. „Man ist dort doch wieder von der Gesellschaft ausgegrenzt und es dauert nicht lange, bis man mit einem der Mitbewohner aneinander gerät und da viele Leute nur auf Bewährung dort sind, müssen sie nach solchen Vorfällen wieder ins Gefängnis.“

    Religionslehrer Bruno Schmidt-Späing hatte einige Lebensmittel mitgebracht. Die Gefangenen bedankten sich und erzählten, dass die „Fabrikarbeiter“ pro Tag nur 10,95 Euro verdienen. Etwa die Hälfte davon wird dem Gefangenen als Übergangsgeld bei der Haftentlassung ausgezahlt, die restliche Summe erhält er zum Einkaufen.

    Antrag fürs Kochen

    Einmal im Monat ist für die Gefangenen eine Art Kiosk geöffnet. Die Artikel seien aber teuer. Wer etwas kochen möchte, muss einen Antrag stellen, um in die Küche gehen zu dürfen. Mehr als drei Häftlinge dürfen sich dort nicht aufhalten. Der Besuch des Gottesdienstes ist für viele Häftlinge wichtig. „Es tut einfach gut, mal neue Gesichter zu sehen. Sonst verblödet man in seiner Zelle,“ meinte einer. Zum Abschluss unseres Besuches sollte jeder Schüler jeweils für einen Häftling und umgekehrt ein „Wunschwort“ auf ein Holzstück schreiben: Ein afrikanischstämmiger Häftling schrieb „Kein Krimi“ und meinte „no crime“ (kein Verbrechen). Wenn selbst Häftlinge so denken!

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