•  Kapitel 63: Freitag, 14 Uhr 19, Dickicht

     

    Den Pfad, den sie eingeschlagen hatte, befand sich nahe der steilen Küste und etwa sechs oder sieben Meter unter ihnen schlugen hohe Wellen kraftvoll gegen die grauen Klippen. Das Salzwasser sprühte in ihre Gesichter und durchnässte nicht nur ihre Kleidung, sondern auch den ohnehin schon feuchten und teils felsigen Untergrund, auf dem sich Moos und auch kleinere Algenkulturen gebildet hatten. Durch diese zusätzliche Gefahr bewegten sich die drei Männer nur sehr behutsam vorwärts, wobei der Pfad an sich einfacher begehbar war, da an der Küstenregion weniger Sträucher wuchsen.

     Nach einigen Minuten des schweigsamen Marsches machte der Pfad einen Knick in das Landesinnere und stieg gleichzeitig an. Einige verkrüppelte Wurzeln ragten aus dem felsigen Untergrund und bildeten kleinere Stolperfallen.

     Gelegentlich hielt Thomas am Ende der Gruppe inne und lauschte einige Sekunden lang, in der Hoffnung ein verdächtiges Geräusch oder auch das Heulen des unheimlichen und blutrünstigen Wolfes zu hören. Bis auf die krachende Brandung und das Kreischen einiger Möwen, die in sicherer Distanz um die Insel schwirrten, als ob sie ahnen würden, dass auf dieser ein verhängnisvoller Fluch lag, vernahm er jedoch keinen Laut.

     Durch den Bogen, den der Pfad nun schlug, wurde das Gelände wieder unwegsamer und die Vegetation nahm ihnen bald wieder die Sicht auf die Küste, sodass sie sich ziemlich verloren vorkamen. Im Dickicht war es totenstill, kein Tier regte sich und auch der Regen hatte in diesen Momenten einmal aufgehört.

     Plötzlich ertönte hinter Thomas ein lautes, aggressives Krächzen und der schottische Polizist fuhr mit einem schnellen Reflex herum. Er sah gerade noch einen pechschwarzen Schatten, der auf ihn zuraste und warf sich instinktiv zu Boden. Hart schlug Thomas mit dem Rücken auf einer knorrigen Wurzel auf und landete mit dem Gesicht in der durchweichten Erde. Dennoch gelang es ihm einen Blick auf den unheilvollen Angreifer zu werfen, der mit einem heiseren Geschrei an ihm vorüberhuschte.

     Es handelte sich um einen pechschwarzen Raben, der wohl durch ihre Wanderung im Dickicht aufgeschreckt worden war und darauf sehr erbost reagierte. Thomas hatte das Gefühl, als hätte er das mysteriöse Wesen schon einmal gesehen. Der schwarze, unheilvolle Bote hockte jetzt einige Meter von ihm entfernt in einem verkrüppelten und starren Geäst und blickte den jungen Schotten aus tiefschwarzen und erbarmungslosen Augen an.

     Ein Schaudern rann über den durchschwitzten Rücken des Polizisten und er hatte das Gefühl, als ob das Auftauchen des Tieres nicht ganz zufällig war, als ob es wie eine letzte Warnung vor weiteren, schrecklichen Ereignissen war, die in der unmittelbaren Zukunft lagen. Der Rabe blickte ihn finster an und erhob sich krächzend in die Lüfte, wo er träge seine Runden über dem Dickicht zog.

     Thomas verlor den prophetischen Boten aus der Tierwelt aus den Augen und schüttelte sich benommen. Unwirsch versuchte er seine letzten, pessimistischen Gedankengänge und Eingebungen zu verdrängen und abzuwerten, doch es gelang ihm weniger und ein gewisser Restzweifel blieb doch an seiner Seele haften.

     Langsam erhob sich der Schotte und wurde dabei sogar von seinen beiden Begleitern geschützt, die beunruhigt in den starren und grauen Himmel starrten. Hin und wieder glaubten sie einen schwarzen Schatten zu sehen, doch sie waren sich nicht sicher. Der Rabe verhielt sich ruhig und hatte in eine reine Beobachterposition gewechselt.

     Ein letzter Blick gen Himmel bewies auch Thomas, dass der Rabe verschwunden war, als ob er selbst nur eine Geisteserscheinung gewesen wäre. Vielleicht hatte sich sein dunkles Gefieder aber auch mit den dunklen Wolkenbänken nicht mehr ausreichend kontrastiert und das böse Omen schwirrte in uneinsehbarer Höhe überlegen über ihnen.

     Eine Zeit lang folgten die drei Männer noch den Trampelpfad, der viele Windungen beschrieb und zu keinem Ziel zu führen schien. Die Zeit zog sich zäh wie ein Kaugummi dahin, ohne ihre Uhren hätten sie alle längst jegliches Zeitgefühl verloren. Im Dickicht war es still und sehr nass, als ob selbst die sensiblen Tiere diesen Hort des Unheils meiden wollten. Lediglich einige Mücken bissen sich förmlich in der Haut der Menschen fest, zudem war es unter dem Blätterdach auch ein wenig schwül. Diese Kombination machte ihnen allen zu schaffen und brachte sie gehörig ins Schwitzen.

     Einige Male wurde der Pfad schmaler, die Vegetation dichter. An einer Gabelung des Pfades entschied sich Björn Ansgar Lykström, der den Kopf und die Leitung der Gruppe mehr oder weniger zufällig übernommen hatte, für den linkeren Pfad, der sie kurzzeitig wieder in Richtung der Küste führte. Der Weg ging etwas in die Tiefe und schmiegte sich bedrohlich nah an die grauen Klippen. Der Boden war glitschig und unter ihn lauerte das brodelnde Meer und unzählige Felsen, die an scharfe Pfeilspitzen erinnerten.

     Flach pressten sich die drei Männer an die Wände und schlichen weiter, teilweise mussten sie gar seitwärts gehen. Kleinere Steine oder Rinnsäle von Regenwasser tröpfelten in aller Regelmäßigkeit auf ihre ungeschützten Köpfe. Der Weg führte schließlich in ein kleines, steiles Joch, das in einer kleinen Höhle endete, in der es muffig und dunkel war. Sie war unglaublich in die Länge gezogen, obwohl sie nicht tief in das Landesinnere hineinreichte.

     Thomas schrak auf, als er ein düsteres Kreischen hörte und schwarze Gestalten haarscharf ans einem Gesicht vorbeizuckten und nach draußen flogen. Die Augen der Wesen glühten bedrohlich und diabolisch im schützenden Dunkel der Höhle. Fatmir Skola war vor Schreck in die Knie gegangen und zitterte wie Espenlaub. Die Nerven lagen mehr und mehr bei allen Beteiligten blank.

     Auch Thomas leuchtete nicht direkt ein, dass es sich bei diesen gruseligen Wesen lediglich um aufgeschreckte Fledermäuse gehandelt hatte. Gemeinsam mit dem schwedischen Englischlehrer baute er den Dritten im Bunde allerdings wieder auf und animierte den Albaner, der sich ohnehin im Wechselbad der Gefühle befand und mal ängstlich und zurückhaltend, mal aufbrausend und aggressiv wirkte, zum Weitergehen.

     Vorsichtig schritten sie durch die Höhle, die sich zum anderen Ausgang hin weiter verjüngte und so eng wurde, dass sie eher einem Stollen glich. Der Untergrund war nass und glitschig, zudem stieg das Gelände leicht an und machte auch eine leichte Krümmung zum Landesinneren hin.

     Nach einigen Minuten erreichten sie den düsteren Ausgang, der ihnen die Aussicht auf einen grauen und dichten Himmel bot, während ein schmaler Pfad nun um das Dickicht herum auf die andere Seite der Insel führte. Diese Region war zerklüfteter und hatte viele Steigungen, aber auch Senken. Der höchste Punkt dieser Privatinsel befand sich auch in der Region, nämlich ein steiler Anstieg, der voller Moose und Farne war und auf der höchsten Klippe abrupt zu Ende kam. Die Höhe mochte dort gut und gerne sechzig, vielleicht sogar siebzig Meter über dem Meeresspiegel betragen.

     Plötzlich hielt Lykström, gerade als die drei Männer ein letztes Mal das Dickicht streiften, welches etwa einhundertfünfzig Meter vor der Küste immer verkrüppelter wurde und schließlich ganz endete, abrupt inne. Auf die erstaunten Blicke seiner Begleiter reagierte er mit einem unkonzentrierten Abwinken und lauschte stattdessen in das Innere des Dickichts hinein. Nach wenigen Augenblicken vernahm auch Thomas die Bedrohung.

     Eine dunkle, sonore Stimme schien mit irgendwem oder irgendetwas zu sprechen. Zwischendurch ertönte hin und wieder ein Pfiff, der Thomas an das Pfeifen nach einem fortgelaufenem Hund erinnerte. Schaudernd und zugleich siedend heiß fiel ihm ein, dass dieses Signal auch anderen vierbeinigen Lebewesen gelten konnte, beispielsweise dem wilden Vorfahren des Hundes, der unter irgendeinem Kommando durch diese Wälder streifte.

     Die düstere Stimme kam indes immer näher und wurde gleichzeitig auch beängstigender. Sie kam aus dem Dickicht und würde in wenigen Augenblicken die drei ungeschützten Sucher erblicken. Es blieb ihnen keine Zeit mehr, um sich vor dem drohenden Unheil in Sicherheit zu bringen.

     Bevor Thomas reagieren konnte, raschelte es schon neben ihm im Gebüsch und eine dunkle Gestalt sprang mit einem angriffsbereiten Schrei durch zwei Büsche hindurch. Doch nicht diese Tatsache erschreckte die drei Männer, sondern auch die Pistole, die mitten auf die Stirn des schottischen Polizisten zeigte, der von seinem Gegenüber plötzlich keine drei Meter mehr entfernt stand, sodass jede Flucht zu langsam und zwecklosgewesen wäre.

     Der Schweiß rann dem jungen Schotten aus den Haaren über die Stirn und in die Augen, sein Atem ging schwer und sein Herz pochte in seinen stark hervortretenden Halsschlagadern. Doch trotz dieser unerwarteten Situation überwand sich der Schotte und sprach seinen unerwartenden Gegner mit zitternder Stimme an.

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  •  Kapitel 64: Freitag, 14 Uhr 55, Dickicht

     

     Thomas tat dies nicht etwa wegen seiner Furchtlosigkeit oder seines unbändigen Mutes, sondern einfach deswegen, weil er mit großer Erleichterung erkannt hatte, dass es sich bei seinem Gegner um gar keine Bedrohung handelte.

     Ein zentnerschwerer Stein fiel ihm vom Herzen, als er realisierte, dass Mamadou, sein ghanaischer Kollege vor ihm stand, der seine Waffe sofort sinken ließ, während hinter ihm seine beiden Begleiter aus ihrer Deckung kamen.

    Lachend und herzlich umarmten sich die beiden ungleichen Polizisten, die das Schicksal zusammengeschweißt hatte. In dieser Aktion lag ein enormes Gefühl der Erleichterung. Dennoch gewann Mamadou bald seine alte Distanz und Ruhe zurück und deutete an, dass er im Dickicht das nahe Heulen eines Wolfes gehört hätte.

     Doch auch die nächste Überraschung war nicht weit. Björn Ansgar Lykström hatte sich zwischenzeitlich von der Gruppe entfernt und einen Blick auf die schroffen Felsformationen der Küstenregionen geworfen. Mit Argusaugen nahm er jedes Detail auf und erkannte nach einigen Minuten der Beobachtung plötzlich etwas, das ihn an seinem Verstand zweifeln ließ. Er blinzelte, doch das Bild blieb das Gleiche und so wandte er sich gleichermaßen verwirrt, wie euphorisch zu den anderen fünf Begleitern um, die noch über die Gefährlichkeit des ominösen Wolfes diskutierten.

     „Leute, kommt her und seht euch das an, was ich gerade entdeckt habe!“, rief der eifrige Schwede und wies wie ein alter Seemann großtuerisch auf eine schwer erkennbare Stelle zwischen zwei schroffen Felsen.

     Seine Begleiter waren erst verwundert, erkannten auf den zweiten Blick aber dasselbe wie Lykström und Fatmir Skola war es, der seinem Erstaunen Luft machen musste.

     „Das ist ja ein Ding! Ein geheimer Hafen und zudem noch ein Fischkutter, der darin vor Anker liegt. Wo könnte der bloß herkommen?“, fragte der Albaner laut.

     „Magdalena hat mir zugesichert, dass sich außer der Yacht kein Schiff auf der Insel befindet. Sie spricht wohl nicht nur für sich, sondern auch für ihrem verdammten Ehemann.“, erklärte Lykström zähneknirschend.

     „Wir haben es also mit einem fremden Eindringling zu tun!“, stellte Abdullah Gadua voller Erstaunen fest.

     „Da muss jemand richtig gut manövrieren können, da der Kutter nicht beschädigt ist. Dabei gibt es hier so viele Felsen und Korallenriffs unter Wasser. Das ist eine beachtliche Leistung!“, beurteilte Thomas das Ganze anerkennend.

     „Seht, dort hinten an der Felsnase ist auch eine zusammengerollte Strickleiter. Mit ihr kann man sicher hinunter in diese kleine Bucht, wo der Kutter liegt!“, bemerkte Björn Ansgar Lykström voller Elan und machte sich sogleich auf den Weg zu dem neuen Fundstück.

     Auch Thomas und die anderen Männer folgten ihm, waren aber ein wenig vorsichtiger und weniger schwungvoll. Immerhin war ihre Suche, die eher einer puren Verzweiflungstat entsprungen war, tatsächlich erfolgreich gewesen, auch wenn sie sich eher erhofft hatten irgendwo auf den geflüchteten Butler zu treffen, der bislang aber geschickt verborgen geblieben war.

     Die wetterfeste Strickleiter führte gut fünfzehn Meter halbschräg in die Tiefe, bevor man auf einen größeren Felsvorsprung klettern konnte, von dem aus man über eine Felsscharte langsam die restlichen Meter bis zum Ausläufer des groben Strandes überbrücken konnte.

     Lykström war als Erster vorausgegangen und lief nun rasch auf den seltsamen Kutter vor, rutschte dabei aber auf den glitschigen Felsen aus und stürzte rücklings zu Boden. Fluchend rappelte er sich auf, hielt sich den schmerzenden Rücken und überwand die letzten Hindernisse mit größerer Vorsicht.

     Thomas hatte plötzlich ein drückendes Gefühl in der Magengegend, denn solch ein Szenario war ihm erst vor kurzer Zeit einmal begegnet.

     „Seien Sie vorsichtig. Möglicherweise ist auch dieser Kutter irgendwie präpariert worden. Sie wissen ja, was mit der Yacht passiert ist.“, rief Thomas dem eifrigen Schweden zu.

     „Dummes Gerede! Dieser Killer muss doch selbst irgendwie wieder von dieser verdammten Insel herunterkommen. Er wird sich seinen letzten Ausweg zur Zivilisation nicht einfach wegsprengen.“, konterte Gwang-jo, der mal wieder einen Glimmstängel in seinem Mundwinkel hatte, mürrisch und arrogant.

     Thomas musste einsehen, dass der Koreaner, der sich an den anderen Männern unwirsch vorbeigedrängt hatte, theoretisch recht hatte. Dennoch war er nicht beruhigt. Wer konnte schon wissen, was im Kopf eines psychisch gestörten Killers vorgehen könnte? Wer wusste überhaupt, ob der Mörder nicht noch andere Trümpfe versteckt hielt oder über einen Komplizen verfügte? Könnte es nicht auch sein, dass der Täter nach dem Abschluss seiner grausigen Taten sich selbst ebenfalls ins Reich der Toten befördern würde?

     All diese ungeklärten Fragen ließen den jungen, schottischen Polizist zögern. Auch Lykström schien den Argumentationen des Koreaners nicht ganz zu trauen und war nachdenklich stehen geblieben. So waren es Gwang-jo und Fatmir, die sich auf den Kutter zu bewegten und die Initiative ergriffen.

     Thomas wollte nicht direkt blind auf den Kutter laufen und diesen untersuchen, sondern bewegte sich erst behutsam um ihn herum. Das Schiff war schon ein wenig alt und verrostet, der Anker lag schwer und grau im schlammigen Sand. Die Farbe blätterte bereist von den Bordwänden ab. Thomas vermochte kaum den Namen zu entziffern, der in schwarzen Lettern aufgetragen worden war. Schließlich gelang es ihm immerhin einige Buchstaben mehr zu erraten, als zu erkennen. Die verbliebene Farbe wirkte zwar ungewöhnlich frisch im Gegensatz zum Rest des alten Kutters, doch das Meerwasser schien die nicht richtig getrocknete Farbe schon größtenteils weggespült zu haben. Überhaupt war der ganze Kutter sehr heruntergekommen und stank erbärmlich. Thomas schloss daraus, dass der Täter entweder kein sehr ordnungsliebender Mensch war, was seinem organisierten Vorgehen bezüglich der Morde jedoch krass widersprach, oder dass der Mörder den Kutter irgendwo am schottischen Festland zum Spottpreis erworben hatte.

     Nachdenklich blickte Thomas erneut auf die Buchstabenfolge, die für ihn noch keinen rechten Sinn zu ergeben schien:

     _ L_ _ _   _ E  _ Y S

     Es schien sich hierbei um drei Worte zu handeln, doch Thomas wollte einfach nicht auf die Lösung des Rätsels kommen.

     Plötzlich hörte der Schotte ein grässliches Quietschen und Krachen an Bord des Schiffes und fuhr erschrocken zusammen. Rasch wandte er sich um und zog sich mit einem kurzen Sprung an der flachen Reling hoch. Mühsam kam er auf den alten Holzplanken auf und sah nun auch die Ursache für das eigentümliche Geräusch.

     Vor ihm lag Gwang-jo, der unter einer rostigen Tür begraben lag und sich mühsam wieder von seiner Last befreite. Als Thomas ihm zur Hilfe kommen wollte, winkte der Koreaner barsch ab und verschaffte sich mit einem kraftvollen Tritt gegen die Tür wieder mehr Platz und konnte sich schließlich sogar ganz von seiner unangenehmen Last befreien.

     In diesem Moment trat Fatmir, der noch leicht von seiner letzten Verletzung humpelte, aus den inneren Räumen des Schiffes und machte eine sehr ernste Miene.

     „Schaut euch an, was ich hier gefunden habe.“, teilte er mit und wandte sich dann grimmig wieder um.

     Gwang-jo marschierte stramm hinter dem Albaner hinterher und wollte sich kein Zeichen der Schwäche oder Verletzung anmerken lassen. Dennoch merkte Thomas, dass Gwang-jo leicht hinkte und der Unfall wohl doch nicht ganz ohne Folgen abgelaufen war.

     Der junge Schotte folgte den beiden in den ersten Raum, der praktisch nur aus zwei engen Schränken bestand, in denen einige Regenjacken, Mäntel und Planen herumlagen, sowie ein wenig Verbandszeug und ein hoffnungslos veralteter Feuerlöscher.

     Dahinter führte eine Holztreppe nach unten, wo es sehr muffig roch und relativ dunkel war. Die brüchige Schiffswand ließ immerhin noch einige schwache Sonnenstrahlen ins Innere des Kutters. Thomas erkannte einen verwinkelten Maschinenraum, in dem ein Generator monoton und nervtötend brummte. Viel interessanter war jedoch, was sich im restlichen Teil des Rumpfes befand.

     Thomas blickte sich erstaunt um und konnte seinen Augen kaum trauen. Vor ihm stand ein großer Eisenkäfig, in dem Unmengen von Kot und Urin einen ekelhaften Gestank verbreiteten. Thomas schloss aus diesem Fund, dass dieser Käfig wohl nur eine Art Unterschlupf für den dressierten Wolf darstellen konnte. Neben dem arg verbogenen und kahlen Käfig standen zwei Bottiche mit brackigem Wasser gefüllt, sowie ein Plastiksack, aus dem es bestialisch nach totem Fleisch stank. Einige Ketten und Leinen lagen wild verteilt am Boden.

     Thomas wurde beinahe übel bei dem bestialischen Geruch und sein Magen schien sich revoltieren zu wollen. Der junge Schotte verdrängte diese Nebensächlichkeiten jedoch, denn er wusste nun, dass er auf den geheimen Unterschlupf des wahnsinnigen Täters gestoßen war und hier möglicherweise wichtige Hinweise finden konnte.

     Gemeinsam mit Mamadou, der sich die Nase zuhaltend an seine Seite getreten war, bewegten sie sich auf eine simple Holzplatte zu, auf der mehrer Papiere ausgerollt worden waren. Thomas erkannte auf dem größten dieser Dokumente deutlich die Grundrisse des Schlosses. Diverse Räume und Flure waren hier handschriftlich eingezeichnet und mit kaum identifizierbaren Kommentaren beschriftet worden. Thomas stellte lediglich fest, dass die Ausführung auf Englisch notiert waren, was allerdings nichts heißen musste, da alle anwesenden Gäste schließlich auf einer englischen Privatschule gewesen waren oder dort unterrichteten. Des Weiteren lag neben diesem Dokument ein veraltetes Pergament, auf dem die Umrisse der Insel genauestens markiert worden waren. Sogar die Höhen der einzelnen Klippen und Tiefen der Korallenbänke, Buchten und Felsformationen waren akribisch genau notiert worden. Dennoch befand sich auf diesem älteren Dokument nicht dieselbe Handschrift, wie auf dem anderen Papier. Thomas entdeckte in der linken, unteren Ecke den Namen einer Bibliothek und die Insignien zweier Zeichner.

     „Wenn wir wenigstens eine telefonische Verbindung hätten, dann könnten wir sofort herausfinden, wer dieses Dokument wann und wo am Festland ausgeliehen hat. Der Name der Bibliothek ist mir jedenfalls ein Begriff. Sie befindet sich höchstens zwanzig Meilen vom Festland entfernt in einem Dorf namens Callockbourn.“, bemerkte Björn Ansgar Lykström grimmig und schlug wütend mit der Faust auf die Holzplatte. 

     „Vielleicht sagt uns die Schrift auf dem anderen Dokument ja etwas.“, mutmaßte Mamadou.

     „Mir sagt sie leider nichts. Ich schlage allerdings vor, dass wir, sobald wir zurück im Schloss sind, von jedem einzelnen Gast Schriftproben nehmen lassen werden.“, schlug Thomas energisch vor und erntete ein zustimmenden Nicken seines Kollegen.

     „Schaut euch das hier mal an!“, rief Abdullah von der anderen Seite des Raumes.

     Thomas wandte sich von der Holzplatte ab und inspizierte den düsteren, alten Schrank, den Abdullah Gadua soeben geöffnet hatte. Darin standen im ersten Regal mehrere Becher mit Flüssigkeiten, die fein säuberlich beschriftet waren. Thomas verstand nicht sonderlich viel von Chemie, musste aber kein Prophet sein, um zu deuten, dass es sich hierbei um gefährliche Giftstoffe handelte, denen möglicherweise die ersten beiden Toten zum Opfer gefallen waren. Thomas musste mit Erschrecken feststellen, dass das Regal erschreckend leer wirkte, selbst dort, wo Beschriftungen bereist angebracht waren. Hatte der Täter vorgesorgt und einige der Stoffe möglicherweise schon unerkannt ins Schloss gebracht?

     Mit einem Frösteln wandte Thomas den Blick ab und sah sich das zweite Regal von oben genau an. Dort lagen einige Spritzen, Handtücher und Handschuhe. Der restliche Teil des Schrankes war etwas geräumiger und beherbergte im unteren Bereich ein paar Gummistiefel, sowie auch ein großkalibriges Gewehr, einen Revolver und eine Harpune, die den gesamten restlichen Platz einnahmen.  Thomas schauderte erneut, als er daran denken musste, wie viele grausame Tötungsmethoden sich der Serienkiller ausgedacht haben musste.

                Die Überraschungen rissen jedoch nicht ab. Dieses Mal war es Björn Ansgar Lykström, der einen weiteren Fund gemacht hatte. Neben einem Haufen alten Gerümpels hatte er eine Art Fotoalbum gefunden, welches er behutsam aufgeklappt hatte.

     Thomas konnte seinen Augen kaum trauen, als er sah, wen diese Fotografien offenkundig zeigten. Von dem vergilbten und zerknitterten Papier blickte ihm ein Gesicht entgegen, welches er und alle anderen Anwesenden ebenfalls verdammt gut kannten. Es war sein eigenes Antlitz!

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  •  Kapitel 65: Freitag, 15 Uhr 21, Fischkutter

     

    Auch die anderen Anwesenden, die sich um Lykström und Thomas versammelt hatten, blickten voller Erstaunen auf das Foto und dann auf den schottischen Polizisten, als ob dieser eine geisterhafte Erscheinung sei. Das Bild zeigte Thomas, wie er mit einem Glas Bier in der Kneipe saß, an die er so viele schlechte Erinnerungen geknüpft hatte. Er hatte sein Gesicht jemand anderem zugewandt, der ihm gegenüber zu sitzen schien. Die Augen des schottischen Polizisten füllten sich mit Tränen, als er realisierte, dass es sich dabei um seinen grausam verstorbenen Freund handeln musste, der an jenem verregneten Herbstabend nach einem Handgemenge mit einer Gruppe von Mafiosi sein Leben lassen musste. Noch heute fühlte sich Thomas für den damaligen Zwischenfall verantwortlich, da er dem Pokerspiel zugestimmt und sich mit den Mafiosi eingelassen hatte, um an ein wenig Kokain zu kommen. Seit jener Zeit hatte Thomas nie wieder irgendeine Droge angerührt und konnte heute noch nicht begreifen, dass das Leben seines treuesten Weggefährten wegen ein paar Pokerchips und einigen Gramm Koks ausgelöscht wurde.

     Bevor die restlichen Anwesenden irgendwelche Fragen äußern konnten, hatte Lykström bereits weitergeblättert und ließ das Fotoalbum vor Schreck beinahe fallen, da er nun sich selbst in einer äußerst unangenehmen Situation erblickte. Das Foto zeigte ein dunkles Hotelzimmer, in dem der schwedische Englischlehrer nackt und lediglich von einigen Bettlaken verhüllt über dem Körper der schönen Magdalena Osario thronte und seinen Mund zu einem Schrei tiefster Emotionen geöffnet zu haben schien.

     Eilig blätterte Lykström weiter und man erblickte einen deutlich verjüngten Gwang-jo Park, der sich auf einer Toilette der alten Privatschule befand und einen Revolver auf einen zusammengekauerten, nackten Jugendlichen richtete, der abwehrend die Arme erhoben hatte. Thomas fiel siedend heiß ein, dass zu seiner Schulzeit ein junger, schüchternen Schotte von einem Tag auf den Anderen das Institut verlassen hatte. Der damalige Direktor hatte vorgegeben, dass der ehemalige Schüler an Schizophrenie gelitten hatte und stark selbstmordgefährdet gewesen sei. Nun, fast zehn Jahre nach den Ereignissen, traf die Wahrheit alle Anwesenden wie ein Schlag.

     Empört wandten sich die Anwesenden zu dem Koreaner um, der mit einem Mal ganz bleich geworden war und in Schweiß ausbrach. Selbst Fatmir, der in letzter Zeit eigentlich auf der Seite des cholerischen Koreaners gestanden hatte, wich grimmig von diesem zurück.

     „Was bist du nur für ein abartiger Mensch.“, meinte Fatmir mit einem kalten Kopfschütteln.

     „Wer weiß in welche perversen Dinge du verwickelt bist. Dein Foto haben wir hier noch nicht gesehen.“, stammelte der Koreaner und versucht sein Gegenüber höhnisch anzugrinsen.

     „Es mag sein, dass jeder von uns seine Schattenseiten hat, aber niemand unter uns ist so ein misanthropisches, perverses Arschloch wie du.“, entgegnete ihm Abdullah mit leisem, aber sehr bedrohlichem Unterton.

     Auch Björn Ansgar Lykström konnte sich kaum mehr beherrschen und hatte das Fotoalbum zur Seite gelegt. Drohend trat er auf den Koreaner zu und hatte die Fäuste dabei so geballt, dass seine Knochen weißlich hervortraten.

     Thomas jedoch hatte seine Nerven bewahrt und griff nun endlich ein. Er stellte sich schnell zwischen dem wutschnaubenden Schweden und dem weiterhin trotzigen Koreaner, drückte Lykström grob zurück und sah sich gehetzt und wütend um.

     „Spielt jetzt nicht verrückt! Das ist doch genau das, was der Killer von uns will. Er möchte uns alle gegeneinander ausspielen. Das darf nicht passieren. Wir müssen zusammenhalten  und cool bleiben. Passt auf, was ich euch sage. Möglicherweise findet sich von jedem unter uns ein solches oder ähnliches Bild in dieser Mappe. Ein Bild wird allerdings fehlen!“, bemerkte Thomas und hatte nach anfänglicher Empörung plötzlich die gesamte Aufmerksamkeit auf seiner Seite. 

     „Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann meinst du, dass von uns allen Bilder in diesem ominösen Fotoalbum zu finden sind, mit Ausnahme des Täters?“, fragte Mamadou nach einigen Sekunden nachdenklichen Schweigens nach.

     „Du hast meine Idee erraten. Gib zu, es ist doch ein Versuch wert, nicht wahr?“, erkundigte sich Thomas und erhielt von dem ein oder anderen Anwesenden ein mulmiges Nicken, da sie alle wussten, dass diese Bilder sie in irgendeiner Form bloßstellen würden.

     Doch in diesen Momenten schien dies den Anwesenden fast schon egal geworden zu sein. Die Angst vor dem eigenen Tod, vor der Bedrohung durch einen wahnsinnigen Mörder, war weitaus größer noch, als die Scham vor der eigenen Entblößung.

     Björn Ansgar Lykström nahm das zustimmende Schweigen als Aufforderung an und ergriff wieder das Fotoalbum, allerdings nicht ohne vorher Gwang-jo mit einem bitterbösen Blick bestraft zu haben.

     „Glaube mir, das wird Konsequenzen für dich haben.“, erwähnte der Schwede frostig, bevor er die nächste Seite des Albums aufschlug.

     Auf dieser Seite sah man nun Fatmir, der in einem düsteren Lokal besinnungslos auf einer Couch lag. Neben ihm stand ein Tischchen, auf dem prallvolle Aschenbecher, mehrere Spritzen und einige dreckige Geldscheine lagen. Auf dem Boden lagen wahllos verschiedene Flaschen Alkohol und am Rande des Bildes standen zwei splitternackte Stripperinnen, die einige Geldscheine in ihren Händen hielten und spöttisch auf den Albaner blickten.

     „Das war in meinem Abschlussjahr an der Privatschule. Meine Drogensucht hätte mir beinahe Kopf und Kragen gekostet. Wenn das herausgekommen wäre, hätten meine Eltern mich verstoßen und ich hätte mit dieser Reputation nie den Beruf studieren können, den ich heute anstrebe.“, gab Fatmir mit kratziger Stimme zu, während Björn Ansgar Lykström bereits energisch weiterblätterte.

     „Verdammt, müssen wir uns das jetzt wirklich hier von jedem ansehen?“, beklagte sich Abdullah Gadua unruhig.

     „Wieso so ängstlich? Hast du ein ganz besonders schweres Vergehen begangen?“, erkundigte sich Gwang-jo scheinheilig un böse kichernd.

     Der Katarer blickte ihn mit bebenden Lippen an. Allerdings brachte er kein einziges Wort mehr hervor.

     Auf dem nächsten Foto sah die Anwesenden nun tatsächlich Abdullah, der unwillkürlich zusammenzuckte und sich doch von dem Anblick seiner persönlichen, auf Fotopapier festgehaltenen, Sünde nicht lösen konnte.

     Auf dem Bild befand der junge und muskolöse Katarer sich in einer der behaglich eingerichteten Sportduschen der Privatschule. Das Foto war ein wenig unscharf, doch es war deutlich zu erkennen, dass er nicht allein in der Dusche war. Man sah deutlich die Französin Jeanette Rodin-Gagnon, die ihre Hände und ihren Kopf in eindeutiger Pose dem jungen Abdullah zugewandt hatte.

     „Warst du damals nicht schon mit Marilou liiert?“, wollte Mamadou wissen.

     Abdullah Gadua nickte stumm und der Schweiß brach auf seiner Stirn aus. Thomas warf ihm einen Blick zu, der irgendwo zwischen Erstaunen und Eifersucht lag. Jeanette schien wirklich mit so ziemlich jedem damaligen Schüler eine sexuelle Beziehung gehabt zu haben und dieses Hintergehen tat Thomas in der Seele weh, auch wenn er mit Abstrichen schon immer von diesen Dingen gewusst hatte. Das dies jedoch so große Kreise gezogen hatte, war selbst für ihn jetzt wie ein Schlag ins offene Gesicht. Er war in eine Frau vernarrt gewesen, die ihn eiskalt um den Finger gewickelt und vielleicht nie wirklich ernsthaft etwas für ihn empfunden hatte. Er fühlte sich beim Anblick dieses Bildes leer und resigniert und schüttelte trüb den Kopf.

     Björn Ansgar Lykström hatte jedoch schon wieder weitergeblättert und auch das nächste Bild hatte es ganz schön in sich. Man sah darauf den Direktor, der ein vermutlich minderjähriges Mädchen in einem Himmelbett gefesselt und ihr die Augen verbunden hatte. Die Schülerin war nur noch spärlich bekleidet und man konnte erst beim genauen Hinsehen erkennen, um wen es sich zu handeln schien.

     „Um Gottes Willen, das darf nicht wahr sein! Das ist meine Marilou!“, keuchte Abdullah und wandte sich würgend von der Fotografie ab.

     Selbst Thomas hatte mit diesem Anblick nicht gerechnet und war völlig sprachlos. Schließlich war es sein Kollege Mamadou, der seine Sprache als Erster wieder zurückfand.

     „Ich wusste ja bereits, dass Wohlfahrt ein sadistisches Schwein ist, aber dass sich Marilou mit ihm einlässt, der fast dreimal so alt ist, das will nicht in meinen Kopf!“, kommentierte der Ghanaer das Bild.

     „Wenn ich nur daran denken muss, dass er mit Magdalena ähnliche Dinge angestellt haben könnte...“, begann Björn Ansgar Lykström und ließ den Rest des Satzes unausgesprochen. Sein Gesicht aber war vor Wut, Ekel und Schmerz gezeichnet, sein Kopf war rot geworden und er beherrschte sich nur mühsam. Der Schwede bebte am ganzen Leib und atmete tief und geräuschvoll ein.

    „Wer weiß, vielleicht ist Marilou deshalb heute so kalt und abweisend, ja geradezu verstört. Die Ereignisse von damals werden für sie eine regelrechte traumatische Bedeutung haben. Dazu noch die ganzen anderen Schicksalsschläge, die sie getroffen haben...“, sinnierte Thomas nach einer Weile und merkte aus den Augenwinkeln heraus, dass Abdullah sich ein wenig abseits der Gruppe bewegte und schwer atmend in die Knie gegangen war.

     „Vielleicht ist sie zu solchen Sexspielen gezwungen worden und musste den Mund halten, aber möglichereise hatte sie damals auch solch eine Veranlagung und war nie die schüchterne, brave junge Dame, für die wir sie gehalten haben, sondern eine perverse Lolita.“, wog Mamadou ab.

     „Niemals! Niemals hätte sie so etwas freiwillig getan!“, schrie der Mann der Beschuldigten mit weinerlicher Stimme und schien sich in blinder Wut und Trauer sogar auf Mamadou stürzen zu wollen, doch er hielt sich selbst mühsam zurück, wobei seine gesamten Gesichtsmuskeln zu arbeiten schienen.

     Björn Ansgar Lykström hatte an den Mutmaßungen nicht teilgenommen, sondern mit entschlossener Unbarmherzigkeit bereits die nächste Seite aufgeschlagen, auf der nun Mamadou zu sehen war. Dieser saß in einer völlig verqualmten Kneipe an einem Pokertisch und hatte jede Menge Chips vor sich liegen. Ihm gegenüber erkannte Thomas mit großem Erschrecken den Anführer der Mafiabande, der damals die Schuld an dem Tod seines Freundes getragen hatte.

     Noch bevor irgendjemand eine Frage stellen konnte, hatte Mamadou selbst bereits mit erstaunlicher Ehrlichkeit Stellung bezogen.

     „Es ist eines der dunkelsten Kapitel meines Lebens. Wenn das hier nach Außen dringt, dann wäre ich meinen Beruf als Polizist wohl los. Ich war bereits in jungen Jahren spielsüchtig und ich gewann auch eine Zeit lang sehr regelmäßig und sehr viel. Schließlich wurde ich von diesem Mafioso, den ihr dort seht, in einer Spielhalle entdeckt. Er bot mir an für ihn zu spielen, bei ihm einzusteigen und ich trug einige Turniere für ihn aus, bei denen es um enorm viel Geld ging. Die Gewinne wurden unter uns halbiert. Aber irgendwann verlor ich ein ganz entscheidendes Spiel, es war an diesem Abend. Der Typ drohte mir und gab mir die alleinige Schuld. Ich wollte untertauchen und die Sache der Polizei melden und ihn somit verraten. Kurz bevor es dazu kam, geschah dann damals dieser Mordfall und der Kerl musste untertauchen. Jahre später habe ich die Sache zu Ende gebracht. Vor etwas mehr als einem Jahr ließ ich ihn wegen illegalem Glücksspiel einsperren und er schwor mir mich und meine Familienmitglieder bestialisch zu ermorden, sobald er aus dem Gefängnis herauskäme. Er beschuldigte mich und sagte, dass ich selbst tief in der Spielerszene gesteckt habe, aber seine Anschuldigungen ließen sich nie beweisen. Um genauer zu sein: ich habe ein wenig Beweismaterial auch verschwinden lassen, so auch sämtliche Fotos, dieses hier ist mir aber völlig unbekannt, obwohl es in der nächstbesten Kneipe in der Nähe unserer alten Privatschule verdeckt geschossen wurde. Jedenfalls ließ ich mich damals schnellstmöglich versetzen und zog um, um mich zu schützen. Ich handelte wie ein egoistischer Feigling. Die Haftstrafe dieses Verbrechers läuft in sechs Monaten bereits aus und ich muss gestehen, dass ich furchtbare Angst habe.“, erläuterte Mamadou und war bei seinem Vortrag ganz leise geworden, so als ob seine Stimme kaum noch Kraft hätte und wie ein fades Rinnsal im Wüstensand versickern würde. 

     „Ich hätte nie gedacht, dass du ebenfalls so eine dunkle Seite hast. Du wirkst immer so ehrlich, optimistisch und unbeschwert.“, bemerkte Björn Ansgar Lykström nach einer Weile nicht ohne bewunderndes Erstaunen.

     „Das sagen mir viele. Ich bereue zutiefst, dass es damals so kommen musste und ich gebe zu, dass ich feige war. Ich versuche diese Dinge zu vergessen, sie nicht an mich heranzulassen, sie komplett auszublenden und zu überspielen. Mit der Reise und diesem Klassentreffen wollte ich mich eigentlich nur vor der drohenden Gefahr ablenken.“, gestand der afrikanische Polizist kleinlaut.

     „Es ist unfassbar, dass du mit so einem Mörder und Verbrecher je gemeinsame Sache gemacht hast. Ich rechne es dir zwar hoch an, dass du ihn später eingesperrt und dich selbst überwunden hast. Das alles macht meinen Kumpel von damals aber auch nicht wieder lebendig.“, kommentierte Thomas mit Bitterkeit in seiner Stimme und wandte sich grimmig von seinem erstarrten Kollegen ab.

     „Ich war jung und naiv. Das sollte als Entschuldigung nicht zählen, aber was soll ich denn machen?  Meine Erkenntnis kam viel zu spät, Thomas, viel zu spät.“, gab Mamadou zu und Thomas sah Tränen in den Augen des sonst so frohen Mannes, der mit einem Mal ängstlich und gebrochen wirkte.

     „Ich weiß, du kannst nichts dafür.“, erwiderte Thomas mit belegter Stimme, näherte sich seinem Kollegen und klopfte ihm herzlich auf die Schulter. Mamadou nahm diese Geste lächelnd entgegen und drückte Thomas kurz und innig an sich, bevor er sich löste und seine alte Distanz mit hängendem Kopf und gezwungenem Lächeln wieder aufnahm.

     Björn Ansgar Lykström hatte bereits resigniert ächzend weitergeblättert und sah auf der nächsten Seite eine Art Zeitungsbericht, anstelle eines einfachen Bildes. Die Reportage zeigte das Bild einer Demonstration, die sich offensichtlich gegen islamische Einwanderer in Schottland richtete. Auf manchen Plakaten waren ebenfalls nationalsozialistische Symbole zu sehen. Dem Artikel nach zu urteilen, musste der Protestmarsch vor etwa drei Jahren im Norden Schottlands stattgefunden haben. In der Reportage stand weiter, dass es im Anschluss an die Demonstrationen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und einigen Festnahmen gekommen war.

     Thomas musterte die Reportage aufmerksam, doch er konnte noch keinen Zusammenhang zwischen dem Artikel und einem der ehemaligen Schüler der elitären Privatschule erkennen. Sein Kollege Mamadou, der sich von seinem kurzen Moment der Schwäche wieder erholt hatte, war jedoch bereits fündig geworden und war froh, dass er nun wieder eher positiv auf sich aufmerksam machen und sich selbst ein wenig ablenken konnte.

     „Guckt mal auf die Person ganz links in der zweiten Reihe!“, rief er eifrig und trat selbst ganz dicht an den Zeitungsartikel heran, den auch Lykström nun näher musterte.

     „Meinst du diese junge Dame dort? Moment, das darf doch nicht wahr sein! Jetzt erkenne ich sie auch! Das ist Paola Francesca Gallina!“, stellte der Schwede fest und blickte völlig verdattert in die Runde.

     „Dort wo Gott Zuhause zu sein scheint, versteckt sich oft das größte Übel.“, stellte Gwang-jo lakonisch fest.

     „Solch eine religiöse Person? Die immer so friedlich wirkte und anderen Menschen über Nächstenliebe lehren soll?“, fragte auch Fatmir völlig verzweifelt.

     „Religiös muss nicht gleich fromm bedeuten, fanatisch trifft es hier wohl besser.“, stellte Gwang-jo Park grimmig fest.

     „Das wird ja immer unfassbarer, immer verrückter.“, murmelte Thomas, der in einer Mischung aus Angst und Faszination auf Lykström blickte, der bereits wieder unbarmherzig die nächste Seite energisch aufschlug.

     Auch die nächste Seite zierte ein kurzer Zeitungsbericht. Dort war von Fankrawallen nach einem Spiel zwischen Celtic Glasgow und den Glasgow Rangers die Rede, bei denen mehrere Polizisten brutal zusammengeschlagen wurden, nachdem ein Celtic Fan bei einer Auseinandersetzung niedergestochen wurde und an seinen Verletzungen noch im Krankenhaus gestorben war. Im Vordergrund des Bildes, auf dem man Polizisten sah, die einige Hooligans in Handschellen abführten, sahen die Anwesenden den kalten und rebellischen Blick des wohl größten Fußballfans, der damals zur Privatschule gegangen war und kurz vor seinem Tod sogar noch ein Fußballtrikot geschenkt bekommen hatte.

     „Malcolm McCollaugh.“, sprach Thomas aus, was alle Anderen sahen.

     Björn Ansgar Lykström wollte mit diesemrecht offensichtlichen Fall keine Zeit mehr verlieren und hatte bereits weiter vorgeblättert zu einem Bild, auf dem man wieder einen Zeitungsartikel sah. Man sah auf dem einzigen Bild eine Yacht und drei Männer, die in Handschellen abgeführt wurden. Der Artikel sprach von einem aufgedeckten Menschenhändlerring, der auf diversen Schiffen und Yachten Menschen aus der dritten Welt unter sklavischen Bedingungen verkauft und in andere Länder gebracht hatten. Einer der verhafteten Männer, die allesamt wegen Mangel an Beweisen später freigelassen wurden, war eindeutig der verstorbene Fatmir Gülcan. Die Festnahme hatte vor drei Jahren auf einer kanarischen Insel stattgefunden.

     „Meint ihr, dass der Täter vielleicht mehr über den Fall weiß? Glaubt ihr, dass der Killer Informationen darüber hat, dass Gülcan doch schuldig war und zu Unrecht freigesprochen wurde?“, warf Abdullah fragend in den Raum.

     „Wer weiß das schon. Der Killer scheint eine Art Rächer zu spielen und möchte uns vielleicht für unsere Fehler und Verbrechen büßen lassen. Jedenfalls verfolgt und analysiert der oder die Unbekannte mit einer solchen Kälte unsere Jugendsünden, dass es eine völlig fanatische Vergeltung sein muss.“, stellte Mamadou mit einem trockenen und kratzigen Gefühl in der Kehle fest.

     „Das ist alles sehr seltsam. Paola Francesca Gallina wird auf fast schon satanistische Weise umgebracht und nun sollen hinter solchen Taten edle Vergeltungsmotive im Namen einer selbsternannten Gerechtigkeit eines Verblendeten stecken?“, fragte sich Thomas laut.

     „Vermutlich wird die Lösung irgendwo dazwischen stecken.“, mutmaßte Abdullah knapp.

     „Ein letztes Bild bleibt noch übrig.“, warf Lykström ungeduldig und bitter ein und schlug die letzte Seite des makabren Fotoalbums um.

     Auch die letzte Seite war mit einem Artikel oder besser gesagt mit einem Interview beklebt. Darin sprach ein anonymer Mann darüber, dass er in einem zwielichtigen Rotlichtmilieu von zwei sadomasochistischen Dominas fast zu Tode gequält worden war. Dieses Etablissement war auch auf einem Foto abgebildet, unter dem die große Frage stand, ob eine berühmte Horrorautorin tatsächlich mit an der Tat Schuld war, sowie an fünf weiteren Misshandlungen.

     „Hierbei kann es sich offensichtlich nur um Elaine Maria da Silva handeln.“, stellte Abdullah mit einer gewissen Abscheu in seiner Stimme fest und auch Thomas erschauderte, als er in dem Interview nähere Details der unterwürfigen Misshandlung erfuhr. Dennoch konnte er sich nicht dagegen wären, dass die kalte Brasilianerin auf ihn eine seltsame Faszination ausübte, auch wenn diese noch nicht sehr weitreichend war.

     So hart und entschlossen Thomas auch ansonsten war, bezüglich des weiblichen Geschlechts hatte er sich oft hilflos gefühlt, als ob er all seinen Willen bei dem Anblick einer schönen Dame sofort verlieren würde. Bei Jeanette war es so gewesen und bei der Brasilianerin drohte es nun ähnlich zu werden. Thomas schaffte es nicht gegen sich gegens eine erregten und semiperversen Fantasien zu sträuben und fühlte sich doch klammheimlich enorm schuldig.

     Mamadou versuchte inzwischen auch ein Fazit aus den schockierenden Entdeckungen zu ziehen und wandte sich an die restlichen Anwesenden in dem stinkenden Schiffsrumpf.

     „Nun haben wir jede Menge Bilder und Artikel gelesen. Unsere Hypothese war ja, dass lediglich der Täter nicht hierunter zu finden sei.“, bemerkte der Ghanaer ruhig und analytisch und hatte zu alter Souveränität zurückgefunden.

     Es war schließlich Gwang-jo, der ihm kalt und entschlossen ins Wort fiel.

     „Genau darauf habe ich auch die ganze Zeit geachtet. Meine Theorie hat sich bestätigt! Ich weiß nun, wer der Mörder ist!“

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  •  Kapitel 66: Freitag, 15 Uhr 40, Fischkutter

     

    Alle Augenpaare starrten nun den Koreaner an, der das Gefühl des hochmütigen Triumphes genoss, nachdem er vor wenigen Augenblicken noch die Verachtung aller Anwesenden auf sich gezogen hatte. Im gesamten Kutter war es so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Lediglich das ferne Rauschen des unruhigen Meeres und das unheilvolle Knarren der alten und morschen Schiffsplanken sorgten für eine grausige, atmosphärische Untermalung dieser spannungsgeladenen Szenerie.

     Die Anwesenden dachten nach, gingen gedanklich noch einmal die Fotos und Artikel durch und suchten nach der verbliebenen Person, nach der greifbar nahen Lösung, die sich ihnen vermeintlich jetzt präsentieren sollte. Thomas zermarterte dich den Kopf, spürte eine rege Unruhe in sich und zitterte vor Erregung. Die Enthüllungen der letzten Minuten hatten auch ihn völlig überrascht und er musste sich erst einmal langsam wieder ordnen.

     Sein Kollege Mamadou war wieder einmal der Schnellste unter ihnen und brach das unangenehme und ehrfürchtige Schweigen wie ein kraftvoller Blitzschlag den wolkenverhangenen Himmel.

     „Es bleibt niemand übrig, lieber Gwang-jo.“, stellte der Ghanaer knapp und ein wenig hämisch fest.

     „Aber sicher. Du denkst vielleicht zu einfach.“, konterte der Koreaner mit einem überheblichen und trockenen Lachen.

     „Dann kläre uns doch bitte auf.“, antwortete Mamadou ruhig und war mit einem Mal wieder sehr ernst.

     Der Koreaner zehrte jedoch noch von dem Gefühl der Aufmerksamkeit für seine Person und machte eine lange Kunstpause, bevor er endlich stolz seine Enthüllungen preisgab.

     „Ihr mögt recht haben, dass von uns Schülern und Lehrern, die hier anwesend sind, niemand mehr übrig bleibt. Doch zwei andere Menschen, die auf dieser Insel leben, bleiben sehr wohl übrig. Zum einen der alte und rüstige Koch, der zu solchen Taten in seinem Alter aber kaum noch fähig sein dürfte, da sind wir uns sicherlich einig. Zum Anderen gibt es da aber noch diesen kriminellen Butler, aus dem niemand so ganz schlau wird und der uns bereits seit Tagen an der Nase herumführt. Er ist die einzige Person, die übrig bleibt. Ich hatte von Anfang an recht: Er ist der Mörder!“

     Nach dieser Aussage herrschte zunächst allgemeines Schweigen. Auch Thomas ließ sich die Worte des Koreaners durch den Kopf gehen. Auch wenn Gwang-jo beinahe schon auf fanatische Weise die Schuld dem Butler in die Schuhe schieben wollte, so musste er zugeben, dass er mit seinen Argumenten durchaus nicht falsch lag. Der Butler hatte in der Tat verdächtige Stimmungsschwankungen gehabt, dürfte die Insel wie seine Westentasche kennen und war auch auf jenen Fotos nicht vorhanden.

     Dennoch sprachen einige Sachen dagegen. Er konnte gewisse Bilder damals einfach nicht gemacht haben, es musste sich um eine andere Person handeln, die ihre Mitmenschen damals perfekt beobachtet und geradezu akribisch analysiert hatte, was ihr heute insofern zu Gute kam, als dass sie bislang noch keinen Fehler gemacht hatte und jedes Opfer auf eine ganz eigene, persönliche Weise ermordet hatte. Zudem glaubte Thomas dem Butler, dass dieser unschuldig sei und seine Einschätzungen gegenüber anderen Menschen waren bislang fast immer instinktiv richtig gewesen. Im selben Moment dieser Überzeugung fiel Thomas aber auch wieder siedend heiß ein, wie seine ehemalige Geliebte, die Französin Jeanette Rodin-Gagnon, ihn hintergangen, ausgenutzt und mit ihm gespielt hatte. Wenn er sich in ihr getäuscht hatte, konnte er sich dann nicht auch im Butler täuschen?

     Schließlich war es wieder Mamadou, der zu der gewagten Analyse des Koreaners Stellung bezog und diesen damit fast zur Weißglut trieb.

     „Ich finde deine Argumentation etwas einseitig. Erstens leuchtet mir kein Motiv ein. Der Butler kennt weder alle unsere Vergangenheiten, noch könnte er diese Fotos damals selbst gemacht haben. Ich bin davon überzeugt, dass einer der ehemaligen Schüler dahinter steckt oder sogar der Direktor selbst.“, mutmaßte Mamadou laut.

     „Diese ganze Diskussion bringt uns nicht weiter. Wir sollten die Mappen und Schriftstücke hier sicher stellen und später auf die eben vorgeschlagene Schriftprobe zu sprechen kommen.“, schlug Abdullah vor und versuchte gleichzeitig einen aufkommenden Streit bereits frühzeitig zu schlichten.

     „Ich weiß nicht so genau, ob das eine gute Idee ist. Wenn der Killer hierhin zurückkommt und merkt, dass wir das Versteck entdeckt haben und er vielleicht fürchten muss endgültig aufzufliegen, dann rastet dieser Wahnsinnige unter Umständen soweit aus, dass er bei nächster Gelegenheit Amok läuft..“, warf Björn Ansgar Lykström kritisch ein.

     „Wir haben eigentlich nur zwei klare Möglichkeiten. Entweder wir lassen die Sachen hier so wie sie sind oder aber wir nehmen entscheidende Beweismaterialien mit und verbrennen den Rest dieses verdammten Kutters.“, schlug nun Thomas vor.

     „Wenn wir Letzteres tun, dann sollten wir darüber aber auch schweigen und mit keinem der anderen Schlossbewohner über unsere Entdeckungen reden, denn dies könnte den Mörder frühzeitig warnen, sofern er sich nicht ohnehin schon unter uns befindet.“, warf Lykström ein und sah sich langsam und mit einem flauen Gefühl im Magen um.

     „Da finde ich den letzten Vorschlag noch einigermaßen in Ordnung. Wenn wir den ganzen Zunder hier in Flammen aufgehen lassen, dann hat der Killer keinerlei Möglichkeiten mehr und wird auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Entweder er gibt direkt auf oder er verhält sich dann wie ein verwundetes Tier und wird bald irgendwelche Fehler machen, da er sich angegriffen fühlt.“, argumentierte Gwang-jo, der nun ein wenig versöhnlicher schien und seine Meinung dieses Mal fast schon auf diplomatische Art und Weise abgeben wollte.

     „Ich finde auch, dass wir nicht ganz passiv bleiben können. Wir nehmen das Fotoalbum mit, sowie die Notizen und Mappen, den Rest verbrennen wir. Ich habe eben an Deck einige Benzinkanister gesehen. Damit sollte unser Vorhaben kein Problem mehr darstellen.“, meldete sich nun auch Fatmir zu Wort. 

     „Dann sind wir uns ja soweit einig. Wir sollten uns vorher aber noch genauer umsehen. Vielleicht finden wir doch noch einige konkrete Hinweise auf die Identität des Kutterbesitzers.“, forderte Thomas seine Begleiter auf und wirkte einigermaßen erleichtert, dass trotz all der Überraschungen niemand einen großen Streit vom Zaun brechen oder sich gegen den Vorschlag stellen wollte.

     Die Anwesenden durchforsteten somit noch die letzten Räume des düsteren, stinkenden Fischkutters. Auch hier waren die Funkgeräte hoffnungslos zerstört, der Täter hatte wohl an alles, offensichtlich sogar an eine Entdeckung seines Unterschlupfes gedacht. Diese Tatsache machte Thomas irgendwie Angst, denn er konnte sich nicht gänzlich dem Gefühl entwehren, dass dieser Fund vielleicht eine Falle war und vom Täter sogar über kurz oder lang einkalkuliert worden war. Lauerte der oder die Verrückte möglicherweise schon irgendwo jenseits der hohen Klippen und beobachtete die sechs Männer mit Argusaugen und einem diabolischen Lächeln?

     Je mehr Thomas entdeckte, je mehr Indizien er aufspürte, desto unklarer wurde die Sache für ihn. Er fühlte sich wie bei einer ergebnislosen Schnitzeljagd, die ihn von einer Hölle in die nächste zu schicken schien. Immer wenn ein mutmaßlicher Verdächtiger greifbar erschien, entpuppte sich die heiße Spur als falsche Fährte. Der junge Polizist ballte die Fäuste und spürte eine blinde Wut und Ohnmacht in sich aufsteigen, die ihn gleichzeitig erregte. Er schwor sich die Ermittlungen mit Mamadou zu verschärfen, erneute Einzelgespräche zu führen und den Schrifttest durchzuführen.

     Nach etwa zehn Minuten hatten die beiden Polizisten wider Willen die notwendigen Beweisstücke aus dem brüchigen Kutter geschafft.

     Nach einer kurzen Absprache wurde die letzte Entscheidung noch einmal allgemein bestätigt. Der unheilvolle Kutter sollte verbrannt werden. Wie zum Protest ertönte ein harsches und ohrenbetäubendes Donnern, das sie alle aufschrecken ließ. Ein greller Blitz zuckte wie ein lebloser Arm über dem grauen, unruhigen Meer auf. Ein erneuter Sturm bahnte sich an und ein möglicher heftiger Regenschauer hätte das Feuer direkt wieder löschen können. Daher trieben sich die sechs Männer gegenseitig zur Beeilung an.

     Gwang-jo und Fatmir leerten die Benzinkanister und verteilten das stinkige Nass nicht nur an Deck, sondern auch im Schiffsrumpf und in einer spärlich eingerichteten Kajüte. Nach etwa fünf Minuten verließen die beiden harten Männer den Kutter. Alle blickten bereits erwartungsvoll auf Abdullah Gadua, der sein Feuerzeug opfern wollte, welches er, nachdem er vor vier Jahren schon mit dem Rauchen aufgehört hatte,  ohnehin nur noch für besondere Anlässe benutzte und mehr oder weniger zur Zierde bei sich trug.

     Langsam klappte der immer noch leicht verstört wirkende Katarer sein edles Zippo auf und eine halbhohe, bläulich lodernde Flamme schoss empor. Abdullah schloss die Augen und sandte ein Stoßgebet gen Himmel, bevor er das Feuerzeug mitten auf das Deck warf.

     Von dort aus vernahmen sie alle ein aggressives Fauchen als Zeichen der Entzündung des Kraftstoffes. Langsam züngelten die Flammen an den morschen Holzplanken entlang und fanden dort rasant schnell die geeignete Nahrung. Bald schoss das Feuer lichterloh in den trostlosen Himmel und ein Krächzen des Gebälkes läutete den endgültigen Zerfall des Kutters ein, den die sechs Gefährten wider Willen in einer Mischung aus Ehrfurcht, grimmiger Freude und Nachdenklichkeit verfolgten.

     Ein düsteres Grollen kündigte auch bald das Gewitter an, welches jetzt unausweichlich erschien und die sechs Männer machten sich gemeinschaftlich auf den Rückweg über die Strickleiter, die sie danach durchtrennten und achtlos in die Bucht warfen, in welcher der Kutter endgültig zusammengebrochen war. Hin und wieder hatte man kleinere Explosionen aus dem Inneren des Schiffes gehört, die vermutlich die Zerstörung anderer Kanister oder mancher Chemikalien bedeuteten.

     In dem Moment, als der Kutter fast völlig ausgebrannt war und sich die Flammen flach über die aschfahlen Überreste legten, öffnete auch der Himmel seine Schleusen und überfiel die Gruppe fast sinflutartig.

     Thomas verharrte noch kurz an der äußersten Klippe der Insel. Während der Regen ihm seine Haare wirr ins Gesicht drückte, blickte er starr auf den Kutter, dessen Bug gerade im Begriff war völlig zusammenzubrechen. Danach ertönte ein schiefes Kreischen, vermutlich von alten Metallstreben, die sich nun in Wohlgefallen auflösten.

     Thomas dachte nach. Hatten sie mit der Zerstörung des Kutters einen wichtigen teilsieg erringen können? Hatten sie die Mordwaffen des wahnsinnigen Mörders zu wertlosem Schrott verbrennen und seine bestialischen Pläne somit völlig ruinieren können? Waren dem Täter nun die Hände gebunden? Würde er bei der Entdeckung seines zerstörten Kutters völlig durchdrehen und entscheidende Fehler machen? Würde er sich aufgeben und den Freitod wählen?

     Thomas wurde von den stechenden Fragen förmlich überfallen und sein Blick trübte sich.

     „Komm Thomas, lass uns schnell zum Schloss zurückkehren!“, rief ihm Mamadou zu, der als Einziger außer der Gruppe noch auf den zurückgebliebenen Thomas wartete, der nun langsam und wie betäubt  sein Gesicht vom Kutter abwandte und in Richtung des Dickichts schritt.

     Den Rückweg ging man nun nicht mehr getrennt, denn man wollte kein unnötiges Risiko eingehen. Mamadou und Thomas trugen alle wichtigen Unterlagen in den Innentaschen ihrer Mäntel und appellierten noch einmal an alle, dass die Entdeckungen zunächst unter ihnen bleiben sollten. An die Suche nach dem völlig überhastet geflüchteten Butler dachte bei diesem Wetter und nach den schwer im Magen liegenden Funden niemand mehr. Man wollte erst einmal die neuesten Entdeckungen verdauen und zum Teil auch auswerten. Zudem wurde der Regen immer stärker und die schmalen Trampelpfade waren bereits völlig verschlammt und kaum noch zugänglich. So wurde beschlossen die Suche nach dem labilen Butler zu verschieben. Thomas wollte sich zudem nicht zu lange abseits des Schlosses aufhalten, denn er wusste nicht, wann und wo der verrückte Serienmörder wieder zuschlagen würde und wollte versuchen seinem Gegner zukünftig mit den neuen Informationen ein wenig mehr voraus zu sein, um seine nächsten Schritte zu erahnen.

     So marschierten die sechs erschöpften Männer schweigsam durch den ungemütlichen Wald und kamen dabei nur langsam voran. Auf ihrem Weg entdeckten sie weder irgendwelche Spuren des ominösen Wolfes, noch auch nur eine Haarspitze des geflüchteten Butlers, der ja sogar eine gefährliche Waffe hatte mitgehen lassen.

     Nach einer guten halben Stunde hatten sie gemeinsam das verwucherte Dickicht durchquert und den düsteren Schlosspark erreicht. Gerade als sie sich auf die Eingangstür zu bewegten, ertönte weit hinter ihnen ein klagendes Heulen, so als ob der Wolf den zerstörten Kutter entdeckt hatte und nun ein schauriges Rachelied anstimmen wollte. Mit einem Schaudern traten die sechs Männer auf das Eingangsportal zu und waren zum ersten Mal seit der Ankunft auf dieser unglückseligen Insel sogar froh, zurück in das warme Schloss zu kehren.

     Nach der Ankunft profitierten die Anwesenden zunächst von ihren Duschen und vereinbarten danach, dass sie sich um 17 Uhr wieder im Eingangsbereich treffen wollten. Auch die nervös wartenden Gästen, unter denen sich sogar der schweigsame Koch befand und die sie zum Teil am Eingangstor empfangen hatten, bekamen lediglich diese knappe und zunächst unbefriedigend wirkende Nachricht mitgeteilt und fieberten der nächsten Zusammenkunft bereits entsprechend pikiert und ungeduldig entgegen.

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  •  Kapitel 67: Freitag, 17 Uhr 09, Eingangshalle

     

     Neun Minuten waren seit dem vereinbarten Treffpunkt bereits verstrichen und Thomas war sogar, entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten, überpünktlich erschienen. Erst nach und nach waren die weiteren Gäste aufgetaucht, wobei diejenigen, die nicht an der Erkundungstour über die Insel teilgenommen hatten, aufgeregt miteinander tuschelten. Alle waren auf die Präsentation der Ergebnisse gespannt.

     Doch die Person, die sonst immer, abgesehen von Gwang-jo, am ungeduldigsten von allen reagierte, war noch immer nicht erschienen. Der selbsternannte Schlossherr und ehemalige Direktor Wohlfahrt war und blieb verschwunden. Thomas saß wie auf heißen Kohlen und wurde immer unruhiger, bis er endlich das nervöse Schweigen brach.

     „Wir warten eigentlich nur auf Doktor Wohlfahrt. Es ist sonst gar nicht seine Art zu spät zu kommen. Wer hat ihn zuletzt gesehen?“, fragte Thomas ungeduldig.

     „Vermutlich sein Butler oder sein Koch.“, mutmaßte Marilou Gauthier leise und mit einem unschuldigen Schulterzucken. Ihr schien die Versammlung unangenehm zu sein, sie wirkte schüchtern und auch irgendwie angespannt.

     „Wo befinden sich die beiden?“, wollte Thomas ungeduldig wissen.

     „Der Koch bereitet inzwischen das Abendmahl vor. Der Butler ist immer noch nicht aufgetaucht und scheint sich irgendwo im undurchdringlichen Wald in einem Unterschlupf aufzuhalten. Wir hatten eigentlich alle damit gerechnet, dass Sie ihn finden würden.“, bemerkte Magdalena Osario nicht ohne Spott.

     „Wir haben ihn leider nicht gefunden. Es wird mittlerweile auch zu dunkel und stürmisch. Wir werden wohl frühestens am nächsten Morgen wieder nach ihm suchen können.“, bemerkte Thomas vorsichtig und versuchte dabei explizit mit keinem Wort seine Entdeckungen zu thematisieren. Dennoch zog er den giftigen Zorn der Spanierin auf sich.

     „Wollen Sie uns nun sagen, dass sie zwei Stunden völlig ergebnislos die Insel durchkämmt haben?“, herrschte sie Thomas ungläubig an.

     „Fast. Es gibt tatsächlich einen neuen Hinweis, den wir aber nicht benennen möchten. Da hier in der Gruppe ohnehin jeder den Anderen beschuldigt, haben wir aber daran gedacht, dass ein jeder von Ihnen auf ein einfaches Blatt Papier schreibt, wen er für den Mörder hält, warum und welche Indizien es dafür gibt.“, wich Thomas dem Thema aus und brachte nun eine ganz neue Ermittlungsmethode ins Spiel.

     Tatsächlich wollte er das Gesagte nur als Grund vorschieben, um an die Handschriften jedes Anwesenden heranzukommen, um diese mit den Funden aus dem Schiff zu vergleichen. Seine ehemaligen fünf Begleiter widersprachen ihm nicht und schienen seine Absicht erkannt und glücklicherweise – Thomas fiel ein Stein vom Herz – sogar akzeptiert zu haben.

     Die restlichen Anwesenden sahen sich jedoch verstört an und konnten den Ausführungen des Schotten nicht folgen. Vor allem Magdalena Osario war mit der neuen Vorgehensweise alles Andere als einverstanden.

     „Ich konne da nicht so ganz mit, Herr Smith. Was soll diese Geheimniskrämerei? Was haben Sie mit uns vor? Ich bin eher dafür, dass wir uns jetzt zunächst darum bemühen den Direktor zu finden. Er steckt möglicherweise in größter Gefahr und wir müssen alles dafür tun, damit ihm in unserem Schloss nichts mehr geschieht. Danach schenken Sie, Herr Smith, uns reinen Wein ein und im Anschluss daran gehen wir vielleicht auf ihre seltsamen Ermittlungsmethoden ein.“, entgegnete die Spanierin selbstbewusst und wurde selbst von ihrem Geliebten dabei überrascht angesehen, da dieser mit einem solchen Einsatz für den Direktor von ihrer Seite überhaupt nicht gerechnet hatte.

     „Ich finde die Idee gut. Wer weiß, was mit dem Direktor jetzt schon alles passiert sein könnte. Auf dieser verdammten Insel ist doch niemand mehr sicher!“, meldete sich Marilou Gauthier eindringlich zu Wort.

     „Er ist um diese Uhrzeit doch immer bei den Haifischbecken, wenn ich mich nicht täusche.“, warf Abdullah nun ebenfalls ein, der seine Arm behutsam um den Hals seiner steif stehenden Frau gelegt hatte und ihr einen Kuss in den Nacken gab.

     „Sehr richtig. Elaine war ja erst gestern dort mit dem Herrn Professor beschäftigt.“, deutete Gwang-jo kalt ein und kreuzte den Blick der Brasilianerin, deren Augen gefährlich und kühl wie Rasierklingen aufblitzten.

     „Heute war dies nicht der Fall. Falls du also wieder eine neue Verschwörungstheorie planst oder haarsträubende Verdächtigungen in den Raum wirfst, solltest du dir überlegen, ob dies nicht gewisse Konsequenzen für dich haben könnte.“, gab Elaine kalt und überlegen zurück und verzog ihr hübsches Gesicht zu einer bedrohlichen Fratze, sodass es selbst dem großmäuligen Koreaner den Atem verschlug.

     „War das etwa eine Drohung?“, fragte er leise und kalt, nachdem er einige Sekunden nachgedacht hatte und spürte gleichzeitig, dass alle Anwesenden verstummt waren und den aufkommenden Streit mit inzwischen nahezu krankhafter Neugierde verfolgten.

     „Ich würde es eher einen Ratschlag nennen.“, bemerkte Elaine Maria da Silva mit ebenso kalter Stimme.

     Gwang-jo verzerrte sein Gesicht zu einer Grimasse, ballte die Fäuste und trat langsam auf die Brasilianerin zu, die keine Anstalten machte, in irgendeiner Weise vor ihrem cholerischen Gegenspieler zurückzuweichen. Sie lächelte provozierend, als sie das Flackern im Blick des Koreaners sah und wie dessen Kopf hochrot wurde. Eine gedrückte Spannung lag förmlich in der Luft und alle Anwesenden wirkten wie erstarrt und trauten sich nicht, in diesen Konflikt irgendwie einzugreifen.

     Schließlich fasste sich doch jemand ein Herz, nämlich Mamadou, der entschlossen in der Mitte des Personenkreises stand und sich elegant vor den Koreaner schob, der den Polizisten wutschnaubend zur Seite stoßen wollte und plötzlich gar mit seiner rechten Faust zu einem heftigen Schlag gegen den hilfsbereiten Ghanaer ausholte.

     Mamadou duckte sich gerade noch im letzten Augenblick und bekam mit einem blitzartigen Reflex mit seiner linken Hand noch das Handgelenk des Koreaners zu fassen, welches er brutal zur Seite hebelte. Der Koreaner schrie vor Überraschung und Schmerz auf und taumelte zur Seite, wo ihn der Fußfeger des Polizisten traf, der ihm das Gleichgewicht nahm und brutal zu Boden fallen ließ.

     Erst jetzt ließ Mamadou das Handgelenk los und brachte schnell einige Schritte zwischen sich und dem Koreaner, der vor Wut und Erniedrigung aufschrie und nach dem Afrikaner spuckte.

     Jetzt war es Thomas, der in die Mitte lief und seinen Kollegen, der sich nun seinerseits enorm gereizt fühlte, vor einem weiteren Angriff zurückhielt. Wie ein Derwisch wandte sich Thomas um und herrschte brüllend die Anwesenden an und machte seiner Verzweiflung und seinem Unverständnis deutlich Luft.

     „Seid ihr denn alle völlig durchgedreht? Wir können es uns nicht weiter leisten, uns gegenseitig so zu behandeln wie wilde Tiere. Wenn wir jetzt keinen kühlen Kopf bewahren, dann nehmen wir diesem Killer noch die Arbeit ab und bringen uns gegenseitig um! Hört mit diesem verdammten Provozieren auf! Es geht hier nicht mehr um die eigene Macht oder die Frage, wer das größere Ego hat, es geht hier nur noch um das blanke Überleben. Das sollte in eure Köpfe rein!“, ereiferte Thomas sich so stark, dass der Speichel im hohen Bogen von seinen Lippen sprühte und seine Halsschlagadern pulsierend hervortraten.

     Der emotionale Ausbruch des Schotten hatte seine Wirkung tatsächlich nicht verfehlt und die Anwesenden verfielen in ein peinlich berührtes, aber auch ängstliches Schweigen. Die Kontrahenden begruben auch für eine Weile das Kriegsbeil und zogen sich in die Gesamtgruppe zurück. Erst nach einigen Sekunden der unerträglichen Stille brach Mamadou kleinlaut das Schweigen.

     „Er hat völlig recht. Lasst uns gemeinsam in den Keller gehen und nach diesen Haifischbecken sehen. Irgendwo muss der Direktor ja doch stecken.“

     Schweigend setzte sich die Gruppe in Bewegung und steuerte auf die uralte und staubige Treppe zu, die in die Tiefen der Kellergewölbe führte. Als der Letzte die Eingangshalle verlassen hatte, ertönten ein dumpfes Grollen und ein krachender Blitz, der den gespenstischen Eingangsbereich jäh und unwirklich erleuchtete. Von weit draußen war irgendwo ein schauriges Heulen zu hören, welches jedoch vom prasselnden Regen bald wieder übertönt wurde.

     So war die Eingangshalle wieder in eine monotone Stille getaucht, bis es plötzlich mehrere Male an der Eingangstür klopfte und dumpfe Schreie der Verzweiflung zu vernehmen waren. Niemand konnte dem Unbekannten das Tor öffnen, denn die Anwesenden waren inzwischen gemeinschaftlich in die Kellergewölbe gegangen. Obwohl der unbekannte Ankömmling sich die Lungen wund schrie, drang kaum ein Laut durch das solide Holz ins Innere des Schlosses. Seine Bemühungen waren nicht von Erfolg gekrönt und so  nahmen die heftigen Schläge gegen das Portal nach einiger Zeit dann regelmäßig ab, bis sie schließlich ganz ungehört verklungen waren, ebenso wie auch die verzweifelten Hilferufe.

              Nach etwa fünf Minuten war dann alles vorbei und es kehrte eine drückende Totenstille ein, bei der sogar das Unwetter merklich abflaute. Von dem verzweifelten Menschen oder dem schaurigen Geheule des Wolfes war nichts mehr zu hören. Kalt und unheilvoll war es in der gigantischen Eingangshalle, in der mehr als noch zuvor jede Harmonie und alles Leben völlig ausgestorben war.

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