•  Kapitel 73: Freitag, 18 Uhr 46, Turmzimmer

     

    Da Thomas mit körperlicher Kraft nicht weiter kam, versuchte er die Methoden zu verwenden, die er erlernt hatte, als er zur Polizeischule gegangen war. Damals war bereits von bewaffneten Geiselnahmen die Rede gewesen und wie man mit den Tätern psychologisch umgehen musste und wie man sie nervös machen konnte. Sein Ausbildungsleiter hatte immer betont, dass man bei einem Geiselnehmer lebenswichtige Zeit gewinnen konnte, wenn man ihn in ein mehr oder weniger sinnvolles Gespräch verstrickte und so langsam die Gelassenheit und Konzentration des Dominators abbauen konnte, um dann selbst überraschend zu agieren.  Thomas hatte diese Methoden bislang nie verwendet, doch diese alte Schulung war für ihn nun zu einer Art letzten Strohhalm geworden, um sich aus dem Sumpf der Gewalten und Intrigen herauszuziehen.  Er hatte immer gehofft, nie selbst in ein Geiseldrama verwickelt zu werden und die aktuellen Ereignisse waren noch viel grausamer und bizarrer, als er sie sich bereits vorgestellt hatte. Immerhin aber hatte er es hier eher mit einem Nebenmann des Übeltäters zu tun, der leicht beeinflussbar war. Zudem war der Täter eigentlich ein guter alter Freund und ehemaliger Bandkollege von ihm. Thomas sammelte also noch einmal seinen ganzen Mut, legte sich auf eine rasch entworfene und provisorische Taktik fest und versuchte sein Glück, zumal sein Mitgefangener völlig still und regungslos wirkte und der Butler immer noch bewusstlos zu sein schien. Allein die Tatsache, dass er die drückende Stille unterbrechen konnte, hatte Thomas in seinem Vorhaben bestätigt.

    „Fatmir, hör mir bitte zu. Wir sind nicht deine Feinde. Wir wollen niemanden umbringen und auch den unbekannten Mörder nicht decken. Wir haben doch alle zusammen nur ein Ziel, wir sitzen alle im selben Boot. Wir wollen überleben, wir wollen den Mörder finden und von dieser verdammten Insel herunterkommen.“, begann Thomas und versuchte eine Art solidarische Brücke zwischen dem Albaner und ihm zu bauen.

    „Das glaube ich kaum. Ihr deckt den Mörder, wendet euch gegen den Rest der Gruppe, indem ihr ihn verteidigt. Der Butler ist ein enormes Sicherheitsrisiko und wenn wir ihn ausschalten, dann wird sich unsere Situation stabilisieren. Da ihr aber versuchen würdet ihn zu befreien, müsst ihr halt auch die Konsequenzen tragen.“, gab Fatmir kalt und mechanisch zurück, als ob er diese Sätze auswendig gelernt habe.

    „Wir wollen nur nicht, dass der Butler völlig zu Unrecht für etwas bestraft wird, was er gar nicht getan hat. Schau dir doch Gwang-jo an. Er ist skrupellos und würde jeden potentiellen Gegner sofort einsperren oder umbringen. Der Mörder hat doch nur vorgehabt eine gewisse Unruhe in die Gruppe zu bringen, alle Anwesenden gegeneinander auszuspielen. Das ist ihm jetzt gelungen, denn wir können uns nicht mehr vertrauen, das Lager wird in mehrere Gruppen gespalten und keiner weiß mehr, wem er sich anschließen soll.“, bemerkte Thomas, der auf keinen Fall so leicht aufgeben wollte.

    „Das ist deine Meinung. Ich persönlich denke, dass wir in so einer zerfahrenen Situation gerade jemanden wie Gwang-jo brauchen, der konkrete Vorstellungen hat und eine absolute Führungspersönlichkeit ist.“, erwiderte Fatmir fast schon gelangweilt und spielte lässig mit dem Schweizer Messer, dessen erstaunlich lange Klinge er bereits morbide lächelnd ausgefahren hatte.

    „Wir müssen alle an einem Strick ziehen, es reicht nicht, wenn eine Person willkürlich über unsere Köpfe hinweg entscheidet. Gerade der Begriff der Führungspersönlichkeit sollte dich doch  nachdenklich machen, wenn du einmal an gewisse geschichtliche oder politische Aspekte denken würdest.“, versuchte sich Thomas weiterhin und sprach dabei zunehmend hektischer.

    „Wie du bereits selbst festgestellt hast, sind sich alle Anwesenden uneinig, niemand weiß mehr, wo es lang geht. Wenn wir uns ganz demokratisch verhalten würden, dann würde jeder den Anderen beschuldigen und wir kämen doch zu keinem Ergebnis. Und beim sterben wäre dann ganz demokratisch jeder der Erste.“, argumentierte Fatmir und brachte Thomas mit dieser sturen Reaktion entgültig zur Weißglut.

    „Wer zur Hölle sagt uns denn, dass der Weg dieses misanthropischen und ignoranten Koreaners der einzig richtige ist? Wer sagt uns denn, dass er nicht selbst der Mörder ist und gleich zurückkommt um uns vier ganz leicht der Reihe nach auszuschalten? Du hast dich verändert, Fatmir, du folgst blind einem Despoten, der in seinem Wahn mit jeder Stunde einen anderen Anwesenden als Mörder darstellt.“, schrie Thoams seinen ehemaligen freund leidenschaftlich an und der Speichel sprühte unkontrolliert von seinen leicht aufgeplatzten Lippen.

    „Er hat sich auf den Butler festgelegt und ich bin davon überzeugt, dass dieser dreckige Bastard tatsächlich dahinter steckt. Das hat nichts mit Gwang-jo zu tun, das ist meine eigene Überzeugung.“, begehrte Fatmir trotzig auf und ließ sich trotz seiner scheinbaren Selbstsicherheit auf eine langatmige Situation mit Thomas ein, der von diesem Verhalten irgendwie profitieren wollte.

    „Ich bin davon überzeugt, dass er nicht dahinter steckt. Er ist völlig labil, vor allem mental und jetzt auch physisch gesehen. Der Mörder geht jedoch eiskalt und perfekt strukturiert vor. Er scheint jeden von uns perfekt zu kennen, er weiß von unseren Schwächen und von unseren Sünden aus der Vergangenheit. Du hast doch die Bilder auf dem Fischkutter gesehen, woher sollte denn dieser Butler sie herhaben?“, herrschte Thomas seinen Bewacher an.

    „Er wird sich in den Unterlagen und Archiven des Direktors oder von Magdalena Osario heimlich umgesehen haben. Die ganzen Akten und Unterlagen von uns werden irgendwo hier lagern und er hätte fast jederzeit Zugriff darauf gehabt.“, entgegnete Fatmir nach einigen Sekunden des zögernden Schweigens.

    Thomas lachte laut auf und spürte eine zornige Hitze in sich aufsteigen. Er merkte jedoch, dass Fatmir langsam die Argumente auszugehen schienen und er den verblendeten Albaner immerhin zu einer vielseitigeren Reflektion der Dinge zwang. Mühsam kniff Thomas die Lippen zusammen und spürte wie die stramme Kordel tiefer ins seine Haut schnitt. Seine Handgelenke begannen zu schmerzen.

    „Das glaubst du doch wohl selbst nicht! Du denkst, dass Magdalena Osario und Wohlfahrt diese Bilder geschossen haben?“

    „Gerade unser Direktor wollte immer für Zucht und Ordnung sorgen und hat uns strengstens überwacht...“, setzte Fatmir an, wurde jedoch sofort wieder von dem aufbrausenden Thomas unterbrochen.

    „Du denkst, dass er sich selbst fotografiert, während er eine Schülerin sexuell belästigt? Falls die Fotos entdeckt worden wären, hätte ihn das ins Gefängnis gebracht und den Job gekostet! Ganz zu schweigen von seiner Ehe und seinem öffentlichen Ansehen. Falls du denkst, dass Magdalena Osario davon wusste und die Dinge auch noch fotografiert hat, dann hätte sie wohl nicht so lange mit diesem Scheusal unter einem Dach gelebt.“, argumentierte Thomas weiter.

    „Ihr war das sicher ganz egal, sie hatte ja selbst einen Geliebten. Die ganze Ehe war doch ohnehin nur eine einzige Komödie.“, entgegnete Fatmir ihm, doch er klang nicht mehr so überzeugt, wie noch vor wenigen Augenblicken.

    „Aber sie hatte doch damals noch keinen Geliebten! Damals waren der Direktor und sie nicht einmal verheiratet!“, widersprach der Schotte frustriert.

    „Ich traue Wohlfahrt durchaus zu, dass er das Bild selbst geschossen und als Erinnerung behalten hat. Wer weiß, wie viele Schulmädchen noch denselben Weg gehen mussten wie damals Marilou. Er hat bestimmt eine ganze Sammlung solcher Bilder in seinen Archiven liegen und der Butler ist irgendwann darauf gestoßen.“, redete sich der Albaner stockend heraus und rückte nun unruhig auf dem Holzschemel hin und her, den er sich inzwischen herangezogen hatte.

    Thomas hielt erst einmal inne und ließ sich den Verlauf des Gespräches erneut durch den Kopf gehen. Zwar hatte Fatmir an Überzeugung und Selbstbewusstsein verloren und war auch auf relativ naive Weise auf die Diskussion eingegangen, doch Thomas hatte leider noch kein letztes, schlagkräftiges Argument, mit dem er den Albaner wieder auf seine Seite ziehen konnte. Deswegen gab sich der schottische Polizist selbst eine Auszeit, doch die monotone Stille störte seine Konzentration und trieb ihn nach wenigen Augenblicken wieder zur Weißglut. Unverständlich war für ihn auch das Verhalten Abdullahs, der sich kein einziges Mal in die Diskussion eingemischt hatte und völlig passiv geblieben war.

    In dem Turmzimmer war es mittlerweile fast stockdunkel, der heftige Regenfall prasselte weiter gegen das Dach und hallte gewaltig nach. Der schottische Butler, stöhnte von Zeit zu zeit auf und zurrte vergeblich an seinen Fesseln. Sein Wimmern ließ Thomas ein kaltes Schaudern über den Rücken laufen.

    Fatmir saß nun wieder unbeweglich auf seinem Stuhl und spielte gelangweilt an seiner Waffe herum, warf hin und wieder einen verächtlichen Blick auf den Butler und erhob sich von Zeit zu Zeit, um ein paar Schritte zu gehen oder nach draußen zu gucken, wo es außer einer undurchdringlichen Schwärze aber wohl nicht viel zu sehen gab. Danach setzte er sich wieder auf seinen angestammten Platz und so verging die Zeit elendig langsam. Minuten reihten sich an Minuten und Stunden an Stunden und Thomas hatte wenigen Augenblicken schon beinahe jegliches Zeitgefühl in dem kalten und dunklen Turmzimmer verloren. So sehr Thomas auch arüber nachdachte, er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, fühlte sich dreckig und verschwitzt und zermarterte sich den Kopf darüber, wie er wieder ein Gespräch mit dem Albaner aufbauen sollte. Mit der Zeit hatte er den Gedanken daran schon fast aufgegeben und hing müde und apathisch in seinen strammen Fesseln. Selbst die gescheuerten Wunden an seinen Gelenken schmerzten jetzt nicht mehr, denn alle seine Sinne wirkten wie betäubt.

    Von den restlichen Gästen war überhaupt nichts zu hören. Thomas fragte sich, ob sie gerade allesamt von Gwang-jo in irgendeinem Raum mit seiner Waffe in Schach gehalten wurden oder ob Mamadou möglicherweise wenigstens rhetorisch versucht hatte, den fanatischen Koreaner irgendwie zur Vernunft zu bringen oder die anderen Gäste aufzuwecken und zu einer kleinen Revolution zu animieren. Mit großer Sorge fragte sich Thomas auch, wann und wie der Mörder wieder zuschlagen würde, denn er ging stark davon aus, dass sich der Täter nicht unter den vier Anwesenden im Turmzimmer befand. Es war mehr seine Intuition, die ihm dies sagte, denn er hatte für diesen gedanken keine stichhaltigen Beweise oder Begründungen.

    Plötzlich wurde Thomas aus seinen düsteren Gedanken gerissen, da Abdullah am anderen Ende des Bettes auf einmal anfing zu stöhnen. Selbst Fatmir hielt inne und steckte seine Waffe in die Hosentasche. Der Albaner wirkte einigermaßen nervös, als er aufstand und sich behutsam dem Gefesselten näherte.

    „Was ist mit dir los? Was willst du von mir?“, herrschte Fatmir sein Gegenüber an und Thomas versuchte verzweifelt seinen Kopf noch mehr zu drehen, um wenigstens aus den Augenwinkeln heraus die Szene verfolgen zu können.

    Er sah Abdullah, der reglos und erschöpft in seinen Fesseln lag und seinen Bewacher, der sich kritisch zu ihm heranschlich. Thomas hatte plötzlich eine elektrisierende Vorahnung, zitterte vor Aufregungen und wand sich in seinen Fesseln von einer Seite zur Anderen, um noch mehr mitzubekommen.

    „Mir geht es schlecht. Ich brauche dringend ein Glas Wasser.“, stöhnte Abdullah gerade geräuschvoll.

    „Wir haben hier aber kein Wasser.“, gab der Albaner zögernd zurück.

    „Doch, bestimmt. Irgendwo in dem Schrank wird der Butler sicher etwas zu trinken aufbewahrt haben.“, schlug Abdullah tonlos vor.

    „Ich werde kurz gucken gehen. Komm bloß nicht auf die Idee, hier mit irgendwelchen faulen Tricks zu spielen.“, gab Fatmir nach einigen Augenblicken des Zögerns zurück und wandte sich von den drei Gefangenen ab und dem ziemlich verwüsteten Holzschrank zu.

    Mit dem Rücken zu ihnen durchsuchte der Albaner einige Schubladen und nahm sich nach einiger Zeit die rechte Hälfte des Schrankes vor, wo er ganz unten mehrere alte Wasserflaschen fand. Argwöhnisch musterte er die Flaschen und wandte sich langsam um. Thomas begegnete in diesem Moment dem Blick Abdullahs, der sich ein wenig zur Seite gewandt hatte und ihm kurz mit einem kaum angedeuteten Lächeln zuzwinkerte, bevor er in seine alte Position verfiel.

    Die Spannung in Thomas wuchs mit jeder verstrichenen Sekunde. Was hatte Abdullah bloß vor?

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  •  Kapitel 74: Freitag, 20 Uhr 33, Turmzimmer

     

     Langsam näherte sich Fatmir dem Gefangenen mit der Wasserflasche, blickte Abdullah noch einmal prüfend an und schraubte dann vorsichtig den Verschluss der Flasche auf.

     Diesen Moment der Unachtsamkeit nutzte Abdullah sofort aus. Blitzschnell zuckte sein linkes Bein hoch und traf den Albaner am Kinn, der stöhnend nach hinten taumelte und schwer zu Boden fiel. Die Flasche entglitt seinen Händen und schlug dumpf auf dem Boden auf, ohne dabei jedoch kaputt zu gehen.

    Der Katarer rappelte sich langsam auf und rieb sich dabei seine Handgelenke. Irgendwie war es ihm gelungen sich unbemerkt aus den Fesseln zu lösen. Thomas vermutete, dass er dies irgendwie zum Teil schon während des Gespräches zwischen Fatmir und ihm bewerkstelligt hatte und deshalb so still und passiv geblieben war. Thomas empfand durchaus Anerkennung für diese listige Maßnahme.

    Abdullah ergriff die Gunst der Stunde, packte die Wasserflasche und stürzte sich auf den Albaner, wobei er noch recht wacklig auf den Beinen war. Thomas sah aus den Augenwinkeln heraus, dass Fatmir sein Messer gezückt hatte und es blitzschnell nach oben recken wollte, doch sein Kontrahent war schneller gewesen und hämmerte die Wasserflasche mit brutaler Wucht auf den Kopf seines Gegners.

    Thomas hörte ein hässliches Klirren, als die Flasche in tausend Splitter zerbarst und sah wie sich die Augen des Albaners verdrehten und dieser völlig regungslos nach hinten kippte und auf den schweren Dielen aufschlug. Das Schweizer Messer glitt ihm dabei aus den Fingern.

    Abdullah hatte sich selbst kaum auf den Beinen halten können und war halb kniend vor seinem Aufpasser zusammengesunken. In seiner rechten Hand hielt er noch den zersplitterten Flaschenhals, aus einer Wunde an seinem Unterarm, die wohl ein Splitter verursacht hatte, tropfte ein heller Blutstrahl auf die Dielen.

    Ächzend ließ Abdullah den Flaschenhals fallen und griff stattdessen nach dem Messer des Koreaners, das er zögernd aufhob. Dann drehte er sich herum und wankte an dem Bett vorbei auf Thomas zu, vor dem er sich niederkniete. Abdullah wirkte erschöpft, war völlig durchgeschwitzt, seine Unterarme waren wund gescheuert und blutig. Aus blassen Augen starrte er Thomas an, der ihm anerkennend zunickte.

    Abdullah fuhr die Klinge aus dem erbeuteten Schweizer Messer und machte sich sodann an den Fesseln des schottischen Polizisten zu schaffen. Nach etwa einer Minute waren diese erfolgreich durchtrennt und Abdullah sank erschöpft stöhnend zurück, die zitternden Arme ausgebreitet und die Augen geschlossen.

    Thomas massierte sich seine Unterarme und richtete sich nun ebenfalls zögernd auf. Er bekam ein leichtes Schwindelgefühl, stand jedoch nach wenigen Sekunden wieder recht sicher auf den Beinen. Langsam ging er zu seinem Befreier und reichte diesem die Hand. Abdullah ergriff sie mit einem dankbaren Nicken und Thomas zog ihn auf die Beine.

    „Danke dir.“, brachte Abdullah erschöpft über die Lippen.

    „Nein, ich habe dir zu danken. Das war echt genial, wie du das geschafft hast.“, gab Thomas zu und trat dann auf den bewusstlos daliegenden Albaner zu.

    Er kniete sich zu ihm nieder und nahm dessen Verletzung in Augenschein.

    „Ich hoffe nur, dass er nicht tot ist. Das würde ich mir nie verzeihen.“, bemerkte Abdullah plötzlich mit einem ängstlichen Unterton.

    Thomas antwortete nicht direkt, sondern tastete nach dem Puls des Albaners und untersuchte auch dessen Stirn, die lediglich eine bereits dick anschwellende Beule, jedoch keine aufgeplatzte Wunde, zeigte. Dann wandte er sich langsam zu Abdullah um.

    „Nein, er ist nur bewusstlos.“, gab er zurück und bemerkte, wie Abdullah tief durchatmete und ein Stoßgebet seiner Religion aussprach und den Kopf dabei gen Himmel reckte.

    Ihm war ganz offensichtlich ein großer Stein vom Herzen gefallen und er wirkte sichtlich erleichtert. Diese positive Meldung gab ihm auch neue Antriebskraft, denn er trat jetzt forscher auf Thomas zu und blickte diesen fragend an.

    „Was machen wir denn jetzt mit ihm?“

    „Ich gestehe es nur ungern, aber wir werden wohl nur die Möglichkeit haben, ihn selbst zu fesseln. Er ist von dem Gerede des Koreaners so verblendet, dass er diesem sofort von unserer Flucht Bescheid geben und nicht mit sich reden lassen würde und die beiden würden wohl selbst vor Mord nicht zurückstecken. Zu unserer eigenen Sicherheit und auch zu der von den anderen Anwesenden im Schloss müssen wir ihn jetzt einsperren und fesseln.“, argumentierte Thomas nach einigen Augenblicken des Nachdenkens.

    „Was machen wir mit dem Butler?“, wollte Abdullah noch wissen und starrte auf das wohl bewusstlose Häufchen Elend, das auf seinem eigenen Bett angekettet lag und von Schweiß und Dreck bedeckt war.

    „Er kann auf keinen Fall hier so liegen bleiben. Ich denke, dass wir ihn in mein Zimmer bringen könnten. Dort können wir ihm das Schweizer Messer geben und er sollte sich dann dort einschließen.“, schlug Thomas vor.

    „Was ist, wenn er wirklich der Mörder ist?“, sprach Abdullah tonlos eine recht unangenehme Frage aus und musterte den regungslosen Butler ängstlich.

    „Er ist es definitiv nicht. Selbst wenn er es wäre, schau ihn dir doch mal an. Glaubst du etwa, dass er in diesem Zustand noch irgendeiner Fliege etwas zu Leide tun könnte?“, fragte Thomas seinen Begleiter mit kritischer Stimme und merkte nun selbst überrascht, wie sicher er klang und wie überzeugt er inzwischen war, dass der Butler nur ein Pechvogel war, der sich zur falschen Zeit am falschen Ort befunden hatte und nun an den ihn beengenden Umständen zerbrach, zumal er keinen der noch Anwesenden, abgesehen vielleicht von der Frau des verstorbenen Schlossherrn, annähernd kannte und einschätzen konnte. Und die meisten Anwesenden reagierten in der Extremsituation trotz ihrer guten Schulung und ihrer verschiedenen Herkunftsländer, Kulturen und Religionen eben empfindlich auf diejenige oder denjenigen, den sie nicht kannten und der fremd war. Und der Mensch steht von Natur aus allem kritisch gegenüber, was irgendwie fremdartig sein könnte. Thomas dachte bei sich, dass dies vielleicht auch der Grund war, warum es so viele Spannungen in der Gruppierung gab. Wäre die Situation weniger extrem, wenn alle Anwesenden Schotten wären? Thomas glaubte dies nicht, denn er wusste, dass Menschen immer unterschiedlich sind und sich scheinbar naturgemäß in Klassen und Rassen unterteilen. Wenn sie also allesamt Schotten wären, würden sie sich vielleicht in zwei gegengeschlechtliche Lager spalten, sich nach Alter oder nach Stärken und Schwächen sortieren und immer weiter abspalten. Man müsste gar nicht versuchen logisch zu denken, denn Menschen haben scheinbar immer den Drang sich irgendwie abzuspalten, herauszustellen, zu unterscheiden, gleichzeitig aber auch irgendwo einzuordnen und geborgen zu fühlen. Dieser Dualismus ist schon komplex genug, aber wenn in so einer Extremsituation keine Geborgenheit und Ordnung mehr besteht und diese Komponente somit eliminiert ist, dann gibt es nur noch die Abspaltung, auf die man sich fokussieren kann und die dann bedrohliche Ausnahme annehmen konnte. Und genau darin sah Thomas das Problem: Er hatte es nicht nur mit einem gefährlichen Koreaner zu tun, sondern mit vielen, kleineren Gruppierungen, die sich immer weiter zerlegten auf Grund des wachsenden Misstrauens und der Häufung der Todesfälle. Der schwächere Fatmir hatte sich an Gwang-jo orientiert und sie hatten eine Zweckgemeinschaft gegründet. Nach der Stümperei des Albaners würde der Koreaner sich aber wohl kaum wieder so eng mit ihm verbünden und weiter abschotten und der Albaner stünde dann auch ganz allein da. Und selbst zwischen Paaren wie Marilou und Abdullah oder den Lehrern Lykström und Osario gab es immer mehr Spannungen. Gute Freunde und enge Partner schweißt das Schicksal zusammen, aber hier war es eher umgekehrt, wie Thomas zu bemerken glaubte. Dies sprach aber auch dafür, dass die Beziehungen zwischen den Individuen nicht mehr wirklich intakt waren – falls dies überhaupt jemals der Fall gewesen war. Die Privatschule hatte damals keine Gemeinschaft geformt, sondern einen Haufen Einzelkämpfer aus allen Ecken der Welt rekrutiert und dann verfeinert, eine einsame Elite, wobei manche nicht einmal der Elite angehörten und einfach nur einsam waren. So wie Thomas selbst, der sich so allein fühlte. Der sinnierende Schotte atmete tief durch und versuchte seine Gedanken wieder zu ordnen.

    Abdullah hatte den Blick gesenkt und nickte langsam, doch wirklich überzeugt schien er immer noch nicht zu sein, was die Unschuld des Butlers anging. Auch er schien kurz in sich zu horschen.

    Thomas wandte sich ebenfalls ab und kümmerte sich nun um den bewusstlosen Albaner, den er nun mit seinen eigenen Waffen schlug und an das Bettgestell fesselte. Thomas hatte in seiner Ausbildung auch solche Dinge gelernt und war mit seinem Ergebnis zufrieden, als er merkte, dass er die alten Methoden nicht verlernt hatte. Der Albaner würde sich aus seinen Fesseln kaum eigenständig befreien können.

    Entschlossen richtete sich Thomas auf und wandte sich nun dem Butler zu, der inzwischen sogar die Augen aufgeschlagen hatte und Thomas apathisch anblickte. Mit einem Frösteln bemerkte der junge Polizist, dass der Butler einfach durch ihn hindurch sah und nicht mehr Herr seiner Sinne zu sein schien. Er hatte nicht das Bewusstsein, sondern eher den Verstand verloren. Auch als Abdullah, der direkt neben ihm stand, den Butler ansprach, zuckte dieser nicht einmal mit den Wimpern.

    Thomas ergriff das Schweizer Messer und durchschnitt damit mühsam die Bettlaken, die den Butler gefesselt hielten. Ängstlich blickte der Butler auf die Klinge und fing an zu wimmern und unruhig zu werden. Thomas schaffte es kaum den Gefangenen zu beruhigen und brauchte viel Zeit und Geduld, bis er endlich alle Fesseln durchtrennt hatte.

    Auch danach, als Thomas sich erschöpft zurückbeugte und das Messer in seinen Hosentasche steckte, reagierte der Butler nicht und schien nicht einmal mehr wahrzunehmen, dass er wieder ein freier Mann war. Thomas sah ein, dass er keine Zeit zu verlieren hatte und es keinen Sinn hatte auf den Verwirrten weiter einzureden.

    Mit einer Kopfbewegung forderte Thomas Abdullah dazu auf die Füße des Butlers zu ergreifen, während er selbst die Arme ergriff. Dieser ließ dies mit sich machen und gab keinen Ton mehr von sich. Thomas wurde ganz anders, als er sich bewusst wurde, dass er einen Wahnsinnigen auf seinen Schultern trug, der dem Tod mittlerweile näher stand als dem Leben. Der Butler schien erneut das Bewusstsein verloren zu haben, seine Haut war schweißbedeckt und er atmete schwer ein und aus. Seine mittlerweile verkrusteten und eitrigen Wunden waren nicht medizinisch behandelt worden. Thomas nahm sich vor den Verletzten in seinem Zimmer wenigstens irgendwie notdürftig zu pflegen und ihn ein wenig zu waschen.

    Vorsichtig näherten Abdullah und Thomas sich der steilen Wendeltreppe und hielten zunächst inne. Kein Geräusch war aus den unteren Stockwerken zu hören, gespenstig lag die steile und düstere Treppe vor ihnen. Das Knarren der Holzstufen ging ihnen durch Mark und Bein und beide wirkten nervös und hielten mehrmals inne, da sie große Angst hatten, doch noch von irgendjemandem bemerkt zu werden.

    Nach einigen Minuten hatten sie das Ende der alten Treppe erreicht und waren dankbar, dass sie nun auf einem ausrangierten, roten Teppich laufen konnte, der die Geräusche ihrer schweren Schritte ein wenig dämpfen konnte.

    Vorsichtig geduckt bewegten sich die beiden vorwärts und die Last auf den Schultern fügte Thomas immer mehr Schmerzen zu. Sein Nacken war völlig angespannt und auch die angestrengten Bewegungsabläufe taten ihm nicht sehr gut.

    Die beiden Träger und der benommene Butler kamen an der breiteren Treppe vorbei, die in die Eingangshalle führte. Plötzlich vernahmen sie Stimmen und versteckten sich rasch im Schatten einer Nische, in der eine altertümliche Vase stand.  Der Butler stöhnte leicht auf und Thomas durchfuhr ein heißes Schaudern. Eilig presste er seine Hand gegen den Mund des Butlers, der darauf hin verstummte und wieder in einen fiebrigen Traum versank. Abdullah blickte ihn ängstlich und bedeutungsschwanger an.

    Inzwischen waren zwei Personen in die Eingangshalle getreten. Thomas konnte aus seinem ungünstigen Blickfeld zwar nicht erkennen, um wen es sich handelte, doch er konnte die Stimmen rasch zuordnen. In der Empfangshalle befanden sich offensichtlich die arg gebeutelte Schlossherrin Magdalena Osario und der despotische Gwang-jo.

    „Glauben Sie mir, ich werde Sie von hier aus genau im Auge behalten. Versuchen Sie keine miesen Tricks oder eine Flucht, die wird Ihnen auf dieser gottverdammten Insel ohnehin nichts bringen.“, befahl der Koreaner energisch wie gewohnt.

    „Es geht mir nur um meinen Vater. Ich möchte Blumen an sein Grab legen und seinem Tod gedenken. Er ist genau heute vor einem Jahr um diese Uhrzeit gestorben und wurde hier auf dieser Insel beigesetzt.“, erwiderte Magdalena Osario mit belegter Stimme.

    „Es wundert mich, dass Sie jetzt überhaupt noch an ihren verreckten Alten denken können! Aber mir kann es eigentlich auch egal sein, wenn Sie sich draußen den Tod holen wollen. Beeilen Sie sich aber damit und lassen Sie die Tür offen stehen. Ich muss jetzt zurück zu dem Rest der Gruppe, bevor denen irgendwelche Dummheiten einfallen.“, gab der Koreaner barsch zurück und man hörte wie sich das Eingangsportal unter protestierendem Quietschen öffnete.

    Danach entfernten sich die Schritte des Koreaners rasch und man hörte nur einen hohlen Pfeifton, da der Wind mit eisiger Gewalt in die Halle strömte. Von draußen her hörte man ein dumpfes Donnern und ein Blitz erhellte das Dunkel des Schlosses.

    Abdullah und Thomas warteten noch einige Augenblicke ab, bevor sie die Deckung der Nische verließen und vorsichtig den Gang entlang schlichen. Nach wenigen Augenblicken kam Thomas an seiner Zimmertür an, die nicht abgeschlossen war. Ächzend drückte er sie auf und trat mit Abdullah in den düsteren Raum, wo er den benommenen Butler vorsichtig auf sein Bett legte. Danach sank er neben diesem zu Boden und atmete tief durch, Abdullah stand nervös in der Tür und blickte hin und wieder in den Gang.

          Thomas wollte sich nach einigen Augenblicken gerade wieder aufrichten, um den Butler zu verarzten, als er plötzlich einen lautes Krachen und kurz darauf einen ohrenbetäubenden, langgezogenen Schrei höchster Angst hörte, bevor es urplötzlich wieder totenstill war.

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  •  Kapitel 75: Freitag, 21Uhr 01 Eingangshalle

     

    Thomas zuckte panisch zusammen und schreckte sofort hoch. All seine Sinne waren jetzt in höchster Alarmbereitschaft und auch sein Begleiter war instinktiv in den Flur gestürmt und blickte sich hektisch um.

    Der schottische Polizist wusste zunächst überhaupt nicht, wie er auf diesen unheimlichen Zwischenfall reagieren sollte. Der Schrei hatte so geklungen, als ob die Person, die ihn unter größten Qualen ausgestoßen hatte, relativ weit entfernt gewesen wäre.

    Abdullah stand immer noch nahe der Tür zum Gang und zitterte wie Espenlaub. Ängstlich blickte er Thomas an und stürmte dann in höchster Panik weiter den Gang in Richtung der Eingangshalle entlang. Thomas wollte ihn noch zurückhalten, da er befürchtete, dass Abdullah sie alle durch diese unbedachte Aktion verraten könnte.

    Fluchend stürzte der bedrückte Schotte ebenfalls in den Gang und sah noch, wie Abdullah bereits in großer Eile auf die breite Treppe zusteuerte, die hinunter in die Eingangshalle führte. Doch er war nicht die einzige Person gewesen, die auf den grausigen Schrei aufmerksam geworden war.

    Thomas hörte rasche Schritte in der Eingangshalle und plötzlich einen überraschten Ruf.

    „Was zur Hölle machst du hier?“, brüllte Gwang-jo in einer gefährlichen Mischung aus Erstaunen und grenzenloser Wut.

    Abdullah hielt in der Bewegung inne und schien nun entgültig völlig verunsichert zu sein. Thomas biss sich auf die Lippen und ärgerte sich über das Fehlverhalten seines Begleiters, der die ohnehin schon prekäre Situation noch verschlechterte.

    „Der Schrei! Es ist etwas passiert!“, stammelte Abdullah hilflos und Thomas hörte wie Gwang-jo nach kurzem und grimmigen Zögern die knarrende Tür des Eingangsportals aufriss und wie angewurzelt stehen blieb. Nach einigen Sekunden des Verharrens stürmte er energisch nach draußen, der kräftige Wind blies währenddessen das Eingangsportal zu, welches mit einem dunklen und entgültig klingenden Geräusch schwer ins Schloss fiel.

    Diesen Moment der Abwesenheit des Koreaners wollte der schottische Polizist nutzen, zückte sein erbeutetes Messer und stürzte nun ebenfalls in die düstere Eingangshalle. Von der anderen Seite her kamen auch die restlichen Anwesenden zusammen, die sich bis dahin wohl in der Bibliothek aufgehalten hatte.

    Mamadou erkannte den schottischen Polizisten als Erster und humpelte erstaunt als Erster auf ihn zu. Wenigstens der Ghanaer ließ sich durch die Extremsituation nicht isolieren und blieb der Zweckgemeinschaft mit dem schottischen Kollegen vorerst treu.

    „Thomas, wo kommst du her?“, fragte er atemlos.

    „Wir konnten uns befreien und fliehen. Abdullah hat Fatmir überwältigt, wir sind gerade erst aus dem Turmzimmer gekommen. Was ist hier passiert?“, wollte Thomas seinerseits wissen und blieb in seinen Ausführungen recht wortkarg.

    „Ich weiß es selbst nicht. Gwang-jo hat uns bislang mit seiner Waffe in Schach gehalten. Wir konnten ihn dazu überreden, dass wir den Leichnam des Wolfes suchen könnten, den der Butler angeblich umgebracht hat. Wir haben allerdings lediglich ein paar Blutspuren gefunden, der Regen hatte ohnehin schon fast alles weggewaschen. Von dem Wolf gab es tatsächlich keine Spur. Gwang-jo hat dies natürlich wieder darin bestätigt, dass der Butler gelogen hat und dies entsprechend kundgetan. Allerdings war der Koreaner sehr nervös und ungeduldig und hat uns genauestens überwacht und dann rasch wieder im Schloss zusammengetrommelt.“, erläuterte der Ghanaer aufgeregt.

    „Ich glaube kaum, dass der Butler uns angelogen hat.“, gab Thomas knapp zurück.

    „Ich weiß es nicht, Thomas.“, gab Mamadou ratlos zurück.

    Thomas wandte sich plötzlich ab und stellte sich in die Nische hinter dem Eingangsportal, da es plötzlich an selbiger hektisch geklopft hatte. Von draußen hörte man die gedämpft fluchende Stimme des Koreaners, der nun ausgesperrt war und ähnlich wie Abdullah völlig unbesonnen reagiert hatte.

     Der Schotte bemerkte mit zunehmender Beunruhigung, dass allen Anwesenden langsam die Nerven durchbrannten, selbst der sonst so friedfertige Mamadou wirkte völlig mitgenommen.

    Alle Gäste blickten sich erwartungsvoll an, als ob jeder von dem Anderen erwarten würde, dass er dem tyrannischen Koreaner die Tür öffnen müsste. Schließlich war es Marilou, die vortrat und sich ein Herz nahm und das Eingangsportal energisch aufriss. Thomas war von der frischen Dynamik der sonst so verstörten Frau sehr überrascht. Auf der anderen Seite wäre es dem Schotten lieber gewesen, wenn man den Verrückten ausgesperrt hätte, aber es war ja auch noch Magdalena Osario irgendwo da draußen.

    Kaum hatte sich das hohe Portal geöffnet, als Gwang-jo völlig cholerisch und hektisch über die Schwelle stürzte und plötzlich von dem präzisen Kinnhaken der Kanadierin gestoppt wurde, die ihn eiskalt anblickte.

    Gwang-jo war von dieser Aktion völlig überrascht, taumelte zurück und an dem Eingangsportal vorbei und hielt sich seine aufgeplatzte Unterlippe. Bevor der Koreaner seine Überraschung verdauen konnte, griff Thomas ein und stürzte sich in den Rücken seines ungeliebten Gegners. Er wollte endlich die Gunst der Stunde nutzen und sich den Koreaner gefügig machen.

    Dieser war darauf auch nicht vorbereitet und musste einen brutalen Schlag in den Nacken kassieren, der ihn zu Boden zwang. Der nächste Handkantenschlag des schottischen Polizisten schickte den Koreaner entgültig ins Reich der Bewusstlosigkeit. Gwang-jo verdrehte die Augen und fiel flach auf den Bauch.

    Thomas ergriff rasch die Pistole, die dem Koreaner aus der Hand gerutscht war und reichte sie dem heranstürmenden Mamadou. Dieser nickte ihm dankend zu. Beide blickten nachdenklich auf den bewusstlosen Koreaner und überlegten, was sie mit ihm nun anstellen sollten.

    Bevor die beiden jedoch einen Entschluss fassen konnten, war von draußen ein weiterer Schrei aufgeklungen, dieses Mal jedoch weitaus leiser und kraftloser. Thomas warf sich herum und stürzte über die offenstehende Tür hinaus in den düsteren und völlig verschlammten Garten. Nur im Westen der Insel war die dichte Wolkendecke ein wenig aufgebrochen und tauchte den Garten in ein diffuses Licht.

    Thomas wollte seinen Augen kaum trauen, als er das unheimliche Szenario mit eigenen Augen sah. Auf der linken Seite des Gartens bemerkte er mehrere Grabsteine, wobei vor einem der größten ein relativ frischer Strauß Blumen lag. Dies war jedoch nichts Außergewöhnliches, sondern viel mehr die leblose Magdalena Osario, die völlig steif und mit starr geöffneten Augen wie eingefroren im Schlamm vor dem Grab lag.

    In diesem Moment ertönte ein erneutes Grollen und ein gewaltiger Blitz stürzte aus dem düsteren Himmel auf die Insel herunter. Dieser Blitz wurde mit einem Krachen irgendwo vom Dach des Schlosses aus abgeleitet und schlug vehement in den Körper der Spanierin ein, sowie in den daneben stehenden Grabstein, der durch diese Wucht krachend zerbarst und in unendliche viele Einzelteile zertrümmert wurde.

    Thomas zuckte völlig verwirrt herum und warf einen Blick hoch zur Fassade des Schlosses, wo auf dem Vordach ein äußerst wackliger Blitzableiter stand. Er glaubte nicht daran, dass dieser Blitzeinschlag, der in wenigen Augenblicken offensichtlich gleich zwei oder gar drei Mal an derselben Stelle erfolgt war, purer Zufall war. Thomas fühlte ein Schaudern in seinem Rücken, als er daran dachte, dass der Mörder erneut zugeschlagen und auch diese Tat bereits im Voraus perfekt und bis ins Detail geplant hatte. Woher hatte der Täter wissen können, dass Magdalena Osario genau um diese Zeit die Grabstätte ihres Vaters aufsuchen würde? Woher wusste der Killer, wann genau ihr Vater damals gestorben war?

    Je länger Thomas auf dieser unheilvollen Insel verweilte, desto mehr Fragen stellten sich ihm und desto weniger Antworten konnte er darauf finden. Er wurde aus diesem allwissend erscheinenden Täter einfach nicht schlau.

    Wie in Trance taumelte er über die Treppe hinweg durch den völlig überfluteten und arg mitgenommenen Garten und näherte sich dem grausam erstellten Leichnam der Spanierin, der an einigen Stellen bereits völlig dunkel und verschmort war. Ein strenger Geruch kam dem jungen Schotten entgegen, der ihm den Magen umzudrehen schien.

    Er überwand seinen Ekel, umrundete die wenigen Gräber und hockte sich dann rasch neben der toten Magdalena Osario nieder, die vor dem Grabstein ihres Vaters hockte, in dem lediglich dessen Name, dessen Geburts- und Todesdatum, sowie die römische Zahl II eingesetzt worden war.

    „Thomas, komm von da weg, das ist zu gefährlich!“, schrie Mamadou vom Eingangsportal her und brachte den verstörten Thomas wieder zur Besinnung. Schnell ergriff er den Körper der Spanierin und zerrte ihn ächzend von dem Grab weg. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte er noch ein seltsames schwarzes Pulver, welches eine rostige Metallplakette bedeckte, die neben dem Grabstein fast unerkenntlich im Schlamm versunken war. Thomas vermutete, dass durch diese Geräte der Tod der Spanierin gesteuert worden war, doch er kannte sich mit solchen naturwissenschaftliche Phänomenen zu wenig aus und verwarf den Gedanken wieder, zumal die düstere Wolkenwand weiterhin bedrohlich rumorte.

    Mühsam schleppte er die Spanierin von den Grabsteinen weg und nahm ihren leblosen Körper in die Arme, als plötzlich Björn Ansgar Lykström auf ihn stürzte, ihn brutal zur Seite stieß und den regungslosen Körper seines Verlobten in seine Arme riss und ihn wie verrückt mit Küssen bedeckte. Dann ließ er ihren Körper in seinen Armen zu Boden gleiten, blickte in den Himmel und entsandte einen gequälten Schrei in die dunkle Nacht.

    Thomas, der auf dem matschigen Grund ausgerutscht war, starrte wie betäubt auf die gespenstische Szene und nahm kaum mehr war, wie Mamadou zu ihm kam, ihm auf die Beine half und zurück ins Schloss drängte.

    Erst als die beiden wieder am Eingangsportal angekommen waren, wandten sie sich um und blickten in einer Mischung aus Mitgefühl und verzweifelter Wut auf den schwedischen Englischlehrer, der sein Gesicht in den durchnässten und durchschmorten Kleidungsstücken seiner Geliebten vergraben hatte. 

    Nach einigen Momenten wandte Thomas das Gesicht von dem grausamen Szenario ab und schloss das Eingangsportal, da er dem Trauernden und der Toten noch eine gewisse Intimität eingestehen wollte.

    Sein Blick fiel nun auf den Koreaner, der aus seiner Bewusstlosigkeit inzwischen erwacht war und ihn feindselig anstarrte. Mamadou hatte mitgedacht und hielt ihn mit seiner Waffe, die er nun endlich zurück bekommen hatte, in Schach. Gwang-jo hinderte dies nicht daran verächtlich auf den Boden zu spucken.

    „Da haben wir es! Kaum ist es diesem Bastard und dem Killer gelungen sich zu befreien, da stirbt die nächste Person unter uns.“, griff er Thomas mit bitterer Wut an, doch dieser erwiderte dessen Blick nur kalt und konnte sich eine hämische und zugleich makabre Antwort nicht verkneifen.

    „Wenn der Butler oder ich der Mörder wären, dann hätten wir dich als Erstes umgebracht.“, gab Thomas frostig zurück.

    Gwang-jo blickte den schottischen Polizisten kalt an, sein Gesicht verfärbte sich zu einer zornigen Röte und erst als Mamadou mit seiner Waffe in das Blickfeld des Koreaners trat, fühlte dieser sich dazu gezwungen ein wenig zurückzuweichen. Langsam entfernte er sich von den beiden Polizisten und trabte benommen, aber wutschnaubend in Richtung der Bibliothek. Weder Mamadou noch Thomas hinderten ihn daran.

    Mit einem Mal hatte Thomas einen Einfall und erinnerte sich wieder an den verletzten Butler. Entschlossen wandte er sich zu Mamadou.

    „Behalte die Situation hier unter Kontrolle. Ich werde noch einmal nach dem Butler sehen, er braucht dringend medizinische Verpflegung.“, flüsterte Thomas ihm sein Vorhaben vorsichtig vor, sodass die restlichen Gäste nichts davon mitbekamen.

    Thomas kam diese Ausrede ganz gelegen, um sich von dem neuen Todesfall ein wenig abzulenken, der ihn eher betäubend, als schmerzlich getroffen hatte. So grausam es auch klang, aber inzwischen hatte Thomas mit den Toten kaum mehr Mitgefühl und hatte sich an die schlimme Regelmäßigkeit der Todesfälle geradezu gewöhnt.

    „In Ordnung, du kannst dich auf mich verlassen.“, gab Mamadou nickend zurück und Thomas wandte sich bereits zur Treppe hin, als Abdullah auf ihn zutrat und ihm die Hand auf die Schulter legte.

    „Thomas, es tut mir Leid wegen meiner überstürzten Reaktion eben. Ich habe mich wie ein naives Kleinkind verhalten.“, meinte er betreten und fast schon sanftmütig.

    Thomas ergriff die Hand Abdullahs und nickte ihm seufzend zu.

    „Das kann ich dir nicht verübeln. Über kurz oder lang werden wir auf dieser Insel noch alle durchdrehen. Das Grauen findet einfach kein Ende.“, gab der schottische Polizist zurück.

    „Darf ich dich nach oben begleiten und dir helfen?“, hakte Abdullah nach.

    „Ja, das wäre vielleicht gar nicht schlecht. Man sollte in diesem Schloss nirgendwo mehr allein hingehen. Nicht einmal mehr in sein Zimmer oder auf Toilette.“, stimmte Thomas zu und blickte noch einmal mahnend zu den restlichen Anwesenden, die steif und ratlos im Eingangsbereichs standen und immer mehr wie Marionetten wirkten.

    Danach traten die beiden Männer auf die breite Treppe zu und atmeten sichtbar auf, als sie die düstere Empfangshalle und die bedrückende Stimmung, die dort herrschte, hinter sich gelassen hatten.

    Als Thomas sich erneut umwandte, sah er, wie sich das Eingangsportal öffnete und ein völlig durchnässter Björn Ansgar Lykström durch die Tür trat. In seinen Armen hielt er immer noch den toten Körper der Spanierin, den er mitten in der Eingangshalle zu Boden gleiten ließ. Die restlichen Anwesenden betrachteten die Szene in einer Mischung aus Abscheu und Angst. Mamadou schloss das Portal mit einem dumpfen Geräusch.

    Thomas wandte sich wieder um, denn er wollte dem schweren Abscheid des verliebten Schweden von seiner Geliebten nicht unbedingt beiwohnen. Stattdessen steuerte er jetzt auf seine Zimmertür, die geschlossen vor ihm lag. Plötzlich hielt er inne. Siedend heiß fiel ihm ein, dass er die Tür bei seinem überstürzten Aufbruch nicht verschlossen hatte. Wer aber hatte sie dann zugemacht?

    Der Polizist bekam eine eisige Gänsehaut, atmete tief durch und riss mit grober Entschlossenheit die Zimmertür auf, wo ihn sofort der nächste Schock traf.

    Sein Zimmer war völlig leer. Der Butler war erneut verschwunden!

     

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  •  Kapitel 76: Freitag, 21Uhr 19 Thomas Zimmer

     

    Entsetzt stürmte Thomas in sein Zimmer und riss auch die Tür zu seinem Badezimmer auf, welches ebenfalls leer vor ihm lag. Thomas stolperte hektisch zurück in sein Zimmer und inspizierte das Fenster, was jedoch verschlossen war und dem Butler wohl kaum als Fluchtweg gedient haben könnte. Der schottische Polizist begegnete dem Blick Abdullahs, der völlig bleich und ratlos in der Tür stand und fast apathisch den Kopf schüttelte.

    Thomas drängten sich eine Menge unangenehmer Fragen auf, die wie ein Hornissenschwarm durch seinen Kopf schwirrten. Warum war der Butler geflohen? Wo wollte er hin? Wollte er sich selbst oder einem der anderen Anwesenden irgendetwas antun? Hatte er die Heftigkeit seiner Verletzung möglicherweise nur vorgetäuscht? Hatte der cholerische Koreaner mit seinen hanebüchenen Anschuldigungen letztlich doch recht gehabt?

             Für Thomas wurde die Situation immer verworrener und er wandte sich hektisch seinem Begleiter zu.

    „Abdullah, geh nach unten und sage Mamadou Bescheid. Er soll ein paar Gäste hier hoch schicken. Wir müssen das Schloss durchsuchen und den Butler wiederfinden!“, befahl Thomas seinem Gegenüber, der aus seiner Lethargie erwachte und sich eilig in Bewegung setzte.

    Thomas atmete tief durch und überlegte angestrengt, wo er selbst seine Suche beginnen sollte. Er entschied sich schließlich dafür, erst das Turmzimmer zu untersuchen. Möglicherweise war der undurchschaubare Butler zuerst dorthin zurückgekehrt, um mit dem gefesselten Fatmir abzurechnen. Als Thomas daran dachte, dass er es gewesen war, der den Albaner nun in diese möglicherweise lebensbedrohliche Situation gebracht hatte, wurde ihm ganz anders. Sein Gewissen meldete sich zu Wort und trieb ihn zu höchster Eile an.

    Gehetzt stürzte der junge Polizist auf den dunklen Gang. Aus den Augenwinkeln heraus sah er die düsteren Porträts, die an den Wänden hingen und ihn kritisch zu beäugen schienen. In der Dunkelheit schienen die streng gekleideten Personen zu einem abstrakten Leben erwacht zu sein. Thomas fühlte ein kaltes Schaudern und spürte doch im selben Moment, wie der Schweiß auf seiner Stirn perlte und ihn in eine fiebrige Erregung versetzte.

    Thomas passierte die breite Treppe zum Eingangsbereich, wo er sah, wie Abdullah hektisch gestikulierend auf Mamadou einsprach, der gerade ungläubig zu Thomas hinaufblickte. Dieser wollte jedoch keine Zeit verlieren und gelangte nach einigen Momenten zu der steilen Wendeltreppe. Er nahm mehrere Stufen auf einmal und sprang behände nach oben. Die Treppe knirschte bedrohlich, Staub wurde aufgewirbelt und beeinträchtigte das Sichtfeld des Polizisten.

    Mit letzter Kraft stürzte Thomas durch die solide Holztür und stolperte in den Raum. Schwer atmend blickte er sich um und begegnete dem eisigen Blick Fatmirs, der aus seiner Bewusstlosigkeit bereits wieder erwacht war. Wenn Blickle töten könnten, dann wäre Thomas jetzt wohl tot umgefallen. Der Albaner sprach jedoch kein Wort, klagte sein Gegenüber nur mit seinen frostigen Blicken an und gerade diese brutale Stille traf Thomas noch stärker.

    Verwirrt blickte Thomas sich im Raum um und sah diesen unverändert. Mit pochendem Herz wollte er sich bereits abwenden und zurück in den unteren Bereich des Schlosses gelangen, als er innehielt und nachdachte. Konnte er es verantworten Fatmir weiterhin gefesselt und unbeaufsichtigt in diesem Raum zu lassen? Würde der Butler Jagd auf den Albaner oder auch den Koreaner machen, die ihm so viel Leid zugefügt hatten? Könnte der immer noch anonyme Mörder auch hier zu schlagen und in Fatmir ein weiteres hilfloses Opfer finden?

    Thomas atmete tief durch und wandte sich schweren Herzens dem Albaner zu, zückte das Schweizer Messer und wurde von seinem Gegenüber mit einem aggressiven Spucken empfangen. Grimmig wischte sich Thomas den Speichel aus dem Gesicht, doch sein Solidaritätsgefühl siegte über seinen Stolz und er machte sich energisch an den Fesseln des Albaners zu schaffen. Dieser blickte ihn düster von der Seite an und versuchte Thomas plötzlich sogar eine Kopfnuss zu geben, doch der schottische Polizist drehte seinen Kopf rechtzeitig zur Seite und setzte seine Arbeit unaufhaltsam fort.

    Plötzlich hörte er hinter sich ein Knarren und das Klappern der Tür und erstarrte. Mit einem Mal war es völlig still im Turmzimmer, selbst Fatmir blickte den neuen Ankömmling mit geweiteten Augen an.

    Wie in Zeitlupe drehte sich Thomas um die eigene Achse und blickte in das harte Gesicht von Björn Ansgar Lykström, der leise und bedrohlich näher schritt. Sein Gesicht war kalt und wirkte seltsam schmal oder abgemagert im diffusen Licht, er schien verständlicherweise noch unter dem Schock des Todes seiner Geliebten zu stehen.

    „Was machst du mit ihm?“, fragte er schließlich kalt und trostlos, nachdem er langsam durch das Turmzimmer geschritten war und an dem verdreckten Fenster stehen geblieben war.

    „Wir können ihn nicht hier allein lassen. Der Mörder oder der Butler könnten ihn umbringen wollen und er wäre völlig hilflos.“, bemerkte Thomas und sah, wie der Schwede diesen Kommentar mit einem anerkennenden und doch spöttischen Nicken quittierte.

    „Ich würde eine Person, die mit diesem despotischen Koreaner sympathisiert oder gar kollaboriert, in keiner Weise helfen. Du scheinst ein sehr sozialer Mensch zu sein.“, bemerkte der Schwede trocken.

    „Niemand ist es Wert auf so grausame Weise zu sterben. Wir sollten uns alle im Speisesaal oder in der Bibliothek zusammensetzen, sodass der Mörder nicht mehr anonym agieren kann.“, schlug Thomas vor und hoffte, dass er seine schon lang geplante Taktik nach all den hektischen Ereignissen der letzten Stunden endlich in die Tat umsetzen konnte.

    Der Schwede nickte nur nachdenklich und blieb unbeweglich, während Thomas nun endlich die letzten Fesseln durchtrennte und den grimmig blickenden Fatmir ruckartig befreite. Der schottische Polizist rechnete mit einem wütenden Angriff, aber stattdessen rappelte sich der Albaner ächzend auf und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Stirn, auf der sich bereits eine riesige, gelbfarbige Beule gebildet hatte. Fatmir hatte offensichtlich Gleichgewichtsstörungen und musste von Thomas gleich gestützt werden. Der Albaner war von Schweiß durchnässt und roch recht streng. Die sich überschlagenden Ereignisse waren auch an ihm nicht völlig spurlos vorbei gegangen.

    In diesem Moment trat auch Abdullah über die Schwelle ins Zimmer, er wirkte gehetzt und blickte sich hektisch um. Erstaunt blickte er auf Thomas und Fatmir, wandte sich um und hetzte wieder zurück in den unteren Bereich des Schlosses, da er immer noch auf der eifrigen Suche nach dem unter ominösen Umständen verschollenen Butler war.

    Thomas stützte seinerseits immer noch den Albaner, der sich inzwischen ein wenig beruhigt hatte, obwohl er den schottischen Polizisten partout nicht anblicken wollte, und führte diesen ebenfalls in Richtung der Treppe.

    Björn Ansgar Lykström hatte das dreckige Fenster mittlerweile mit einem hässlichen Knarren geöffnet. Regen prasselte in das Turmzimmer und ein kräftiger Wind blies durch den ohnehin schon recht kalten und ungemütlichen Raum. In aller Ruhe zündete sich der Schwede eine Zigarette an und warf das brennende Streichholz achtlos aus dem Fenster. Nachdenklich blies er den blauen Dunst in die Luft und verfolgte die wilden und schlierenartigen Drehungen des Rauches in einer melancholischen Monotonie.

    Thomas sah ein, dass der Schwede möglicherweise eine kurze Auszeit brauchte und bat ihn nicht darum ihm zu helfen. Der Albaner lief inzwischen selbst wieder, wenn er auch noch wacklig auf den Beinen war und unentwegt flüsternd in seiner Muttersprache fluchte. Nach einigen Augenblicken erreichten die beiden ohne weitere Zwischenfälle den unteren Gang, wobei Thomas doch fast einmal auf der steilen Treppe weggerutscht wäre und sich noch soeben an eine brüchige Holzwand hatte klammern können. Doch je weiter er mit dem Albaner ging, desto sicherer wurde dieser auf seinen Beinen und umso leichter wurde der Abstieg. An einen gewaltsamen Widerstand schien Fatmir zu keinem Zeitpunkt zu denken, doch Thomas traute seinem alten Freund dennoch nicht über den Weg.

    Als die beiden im unteren Gang ankamen, trat bereits Elaine Maria da Silva auf die beiden zu und legte ihre grazile Hand, die mittlerweile von einem schwarzen Seidenhandschuh umhüllt war, auf die Schulter des Schotten.

    „Wir haben bereits einige der Zimmer durchsucht, aber der Butler ist hier nicht zu finden. Das Schloss ist aber auch relativ groß und er wird die besten Schlupflöcher kennen.“, erzählte sie ihm mit rauchiger Stimme und Thomas empfand ein nicht unangenehmes Frösteln in seinem angespannten Nacken.

    Thomas nickte eifrig, doch seine Kehle war wie zugeschnürt. Er wandte sich rasch um, denn er wollte dieses peinliche Zusammentreffen sofort abbrechen, da es ihm seltsam unangenehm war. Mit großer Erleichterung bemerkte er, wie Mamadou aus einem Zimmer auf den Gang trat und auf Thomas zusteuerte.

    Der junge Polizist lehnte sich erschöpft an die Gangwand und stieß dabei zufällig an einen alten Kerzenständer, der auf seiner Schulterhöhe befestigt war. Der edle Kunstgegenstand ruckte ein Stück zur Seite und Thomas trat überrascht zurück, als er plötzlich ein tiefes Grollen und Knarren vernahm.

    Seine Augen weiteten sich, als sich eines der übergroßen Porträts auf der linken Wandseite plötzlich wie von Geisterhand zur Seite schob und einen dunklen, recht kleinen Gang freigab, der in eine düstere Höhle führte, an dessen Ende der schottische Polizist lediglich noch den Ansatz einer alten Leiter bemerkte.

    Völlig überrascht trat Thomas zurück und rieb sich die Augen, um sicher zu gehen, dass er sich das unglaubwürdige Szenario nicht nur einbildete. Ein Seitenblick auf Mamadou und Elaine Maria da Silva bewiesen ihm, dass er noch keine Halluzinationen hatte. Der Ghanaer stand mit offenem Mund neben ihm, während die Augen der Brasilianerin vor Erkundungsdrang und Faszination fast schon fanatisch aufleuchteten.

    „Verdammt, das ist ein Geheimgang. Thomas, du bist genial.“, rief die Brasilianerin und schmiegte sich eng an den Rücken des Schotten, der dies gar nicht mehr richtig wahrnahm und wie gebannt auf das schwarze Loch starrte.

    „Vielleicht ist das unsere heiße Spur. Ich werde mich unten rasch nach einer Taschenlampe umsehen.“, bemerkte nun auch Mamadou eifrig, wurde jedoch von den schweren Schritten unterbrochen, die von der alten Wendeltreppe herkamen.

    Langsam trat Björn Ansgar Lykström hervor und zückte mit einem gezwungenem Lächeln eine kleine Taschenlampe, die an seinem Schlüsselbund befestigt war und die eine solch enorme Strahlungskraft besaß, dass sie Thomas grell blendete, als der Schwede sie probehalber einschaltete.

    „Ich komme wohl wie gerufen. Folgt mir.“, bemerkte der Schwede trocken und betrat ohne Zögern per Klimmzug den niedrigen Gang.

    Elaine Maria da Silva löste sich lächelnd von Thomas und gelangte mit einem sportlichen Klimmzug ebenfalls in den geheimen Gang, wobei Thomas ein kurzer Blick unter den schwarzen Rüschenrock der düsteren Brasilianerin gewährt wurde. Der Schotte wandte seinen Blick nicht sofort ab und musste sogar kurz Schmunzeln. Ein wenig Ablenkung tat ihm jetzt scicherlich auch gut, auch wenn es kein Zeitvertreib der feinen schottischen Art war. Instinktiv trat er ebenfalls auf die Öffnung zu und kletterte mühelos und doch mit einem flauen Gefühl im Magen, das ihn symbolisch an eine der unheilvollen Vorahnungen erinnerte, die er schon des Öfteren gehabt hatte. Thomas hockte sich gebückt in den geheimen Gang, blickte sich aber noch einmal zu Mamadou herum, der ihm geduldig zunickte.

    „Ich werde hier bleiben und die Lage unter Kontrolle behalten. Pass auf dich auf.“, meinte er, als das übergroße Porträt plötzlich wieder wie von Geisterhand hinter Thomas zuschlug und ihn mit seinen beiden Begleitern in der fast vollkommenen Dunkelheit einsperrte.

    Nervös wandte er sich um und klopfte von innen an den soliden Rahmen, doch das Bild wollte sich um keinen Zentimeter zur Seite bewegen. Impulsiv schlug er dagegen, als er eine feine Hand auf seiner rechten Hüfte spürte und die Stimme der mysteriösen Brasilianerin direkt an seinem rechten Ohr. Alle Nackenhärchen stellten sich bei Thomas unverzüglich auf.

    „Habe keine Angst. Jetzt geht das Abenteuer erst richtig los.“

     

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  •  Kapitel 77: Freitag, 21Uhr 35 Geheimgang

     

    Björn Ansgar Lykström hatte bereits das obere Ende der alten Leiter erreicht und leuchtete argwöhnisch in die Tiefe. Dann wandte er sich zu seinen Begleitern um und stockte, als er die Brasilianerin eng an den schottischen Polizisten geschmiegt sah, der einen hochroten Kopf bekam und die mysteriöse Dame energisch abdrängte. Doch Elaine Maria da Silva ließ sich davon kaum beeindrucken, lächelte ihm süffisant zu und wandte sich stolz zu dem Schweden um, der seinen Blick stumm zu Boden gerichtet hatte und so tat, als habe er nichts bemerkt.

    „Hier geht es nicht besonders tief herunter. Dort unten ist ein weiterer Gang, der genau in die andere Richtung führt, also praktisch unter dem Hauptgang her zurück in Richtung der Eingangshalle.“, informierte der Schwede die zu ihm huschende Brasilianerin, nickte betreten und schwang sich dann über die Öffnung hinweg.

    Im darunter gelegenen Gang wurde es schlagartig dunkel, der milchige Schein der Taschenlampe war kaum noch zu erahnen. Thomas sah nur den schattenhaften Umriss der mysteriösen Brasilianerin. Er spürte eine zornige Wut in sich aufsteigen, als er realisierte, wie diese mit ihm spielte und wie willenlos er sich ihr gegenüber verhalten hatte. Er wusste genau, dass diese Person schlecht für ihn war, doch er konnte ihr gleichzeitig ebenso wenig widerstehen, wie der ermordeten Französin, die ihn immer wieder betrogen hatte. Seit seiner Jugendzeit war er Frauen gegenüber völlig willenlos und hatte nie wirklich viel Glück in der Liebe gehabt.

    Dieses Gefühl der Unterlegenheit wollte er sofort abstellen und zwang sich energisch zu einer Gegenreaktion, um sein gebeuteltes Selbstwertgefühl wieder ein wenig zu reparieren. Rasch kroch er deswegen der verführerischen Brasilianerin nach, legte nun seinerseits seine Hand auf ihre samtweiche Schulter und näherte seinen Mund ihrem Ohr.

    „Warum machst du das mit mir? Warum lässt du das nicht einfach sein? Es ist mir absolut unangenehm, ich bin nicht an dir interessiert.“, hauchte er ihr trotz seiner gegenteiligen Aussage sehr erregt ins Ohr, nachdem er sicher gestellt hatte, dass ihr schwedischer Begleiter bereits in den nächsten Gang gekrochen war und vom dem Gespräch nicht viel mitbekommen konnte.

    Die Brasilianerin wandte sich grazil um, verdrehte ihren Körper mit der Leichtigkeit eines Schlangenmenschen und presste ihre kalten Lippen nun ihrerseits an das Ohr des nervösen Schotten, der ein seltsames Zittern in sich spürte.

    „Glaube mir, mein lieber Thomas, ich habe genug Männer in meinem Leben kennen gelernt, um beurteilen zu können, was sie wollen und was nicht. Deine Körpersprache ist eindeutig, du solltest dich nicht dagegen sträuben.“, flüsterte sie ihm zu und bewegte ihre Hand langsam in seinen Schritt.

    Thomas atmete tief durch und wollte zurückweichen, als die Brasilianerin ihm sanft in sein Ohrläppchen biss und spöttisch lachte. Entsetzt schüttelte der Schotte den Kopf.

    „Wie kannst du an solche Dinge denken, während hier im Schloss eine Person nach der anderen abgeschlachtet wird?“, frage er und seine Stimme troff vor Verachtung und Unverständnis, als er die Hand der Brasilianerin energisch wegdrückte.

    „Ich brauche die Nähe eines starken Mannes. Du scheinst mir noch der vernünftigste und mutigste hier zu sein. Frauen gegenüber magst du hilflos sein, aber gerade das gefällt mir an dir.“, bemerkte sie spöttisch und griff nun mit beiden Hände an die Hüften des Schotten, der in dem engen Gang kaum ausweichen konnte. 

    „Warum suchst du die Nähe eines mutigen Mannes, wenn du doch selbst so erfahren und selbstsicher bist?“, wollte Thomas mit bebender und gepresster Stimme wissen.

    „Wenn wir uns allesamt isolieren, dann kommt hier niemand lebendig heraus. Ich denke, dass wir ein gutes Team bilden würden und gute Chancen darauf hätten, aus dieser Hölle zu entkommen. Du magst es nicht glauben, aber auch ich habe Angst, obwohl mich diese extrovertierte Art des Mordens auch irgendwie fasziniert.“, gab die Brasilianerin mit rauchiger Stimme zu und ging mit ihren spitzen Fingern weiter auf Wanderschaft.

    „Du willst mich einfach ausnutzen und darauf werde ich bestimmt nicht eingehen!“, widersprach der Polizist und schüttelte brüsk den Kopf, was Elaine lediglich zu einem überheblichen Lächeln animierte.

    „Wer sagt denn, dass du nur ausgenutzt wirst und nicht selbst profitieren könntest? Ich bin vielleicht nicht so, wie du es dir vorstellst. Aber beurteile ein Buch niemals nur nach seinem Einband, Thomas: „Do not judge a book by its cover. Das solltest gerade du als Polizist doch wissen.“, flüsterte Elaine Maria da Silva dem Schotten zu, dessen Mund verwundert aufklappte und der diese Aussagen kaum zu deuten vermochte. Denn seine Gedanken stemmten sich gegen den Sinn des Gesagten, während sein Körper ihm bereits die Antwort auf die ungestellten Fragen gab.

    Thomas spürte eine gewisse Erregung in sich aufsteigen, gepaart mit einer großen Sorge, die ihn klammheimlich bedrückte.

    „Wer sagt mir denn, dass du nicht hinter all dem steckst?“, wollte Thomas nervös wissen, doch seine Stimme hat an Energie und Willen verloren, stattdessen rann gleichzeitig ein kaltes und heißes Schaudern über seinen Rücken.

    Die spitzbübischen Augen der Brasilianerin blitzten spöttisch auf und Thomas las in ihnen ein eindeutiges Versprechen, welches die mysteriöse Dame noch einmal wörtlich bestätigte.

    „Niemand kann dir das sagen. Du spielst mit dem Feuer. Aber du kannst diesem Feuer nicht widerstehen und es wird dich verbrennen. Stehe einfach allem offen gegenüber. Man lebt schließlich nur einmal. Irgendwie werden wir diesen Horror überstehen, das spüre ich einfach und ich will es auch einfach. Und ich bekomme immer was ich will!“, hauchte die Brasilianerin den Schotten an und näherte ihre Lippen dabei sehr seinem Gesicht.

    In diesem Moment meldete sich Björn Ansgar Lykström aus dem unteren Schacht räuspernd zu Wort. Thomas war dem Schweden richtig dankbar für die Unterbrechung, die ihm eine kurze Verschnaufspause bietete.

    „Hier unten sind ist eine Kreuzung, es gibt zwei Wege. Einer nach links und einer nach rechts. Ich schlage vor, dass wir erst den linken nehmen.“, rief er zu seinen Begleitern.

               Elaine Maria da Silva blickte Thomas noch kurz und tiefgründig an, als würde die Seele dieses Mannes wie ein Buch vor ihr aufgeschlagen liegen. Thomas fühlte sich erbärmlich hilflos und war schweißüberströmt. Er atmete tief durch, als die Brasilianerin sich abwandte und nun ihrerseits die rostige Leiter in Angriff nahm.

    Thomas hatte dann zum ersten Mal einen Blick auf den schmalen Gang, der ihn überhaupt umgab. Er war völlig verstaubt, in den Ecken hingen zahlreiche alte Spinnenetze und die Luft war stickig und verbraucht. Die Wände bestanden größtenteils aus alten, roten Ziegelsteinen, die mittlerweile relativ blass wirkten.

    Auch Thomas begab sich nun an den Abstieg und kletterte die rostige Leiter hinab, die ein unheimlich quietschendes Geräusch verursachte, als ob sie gegen die erneute Last protestieren wollte. Thomas  schwirrten wieder zahllose Fragen durch den Kopf und gleichzeitig dachte er noch an die erregenden Worte und Gesten der Brasilianerin, die ihn wie eine Marionette steuern konnte. Er versuchte sich zu beruhigen, wischte sich den Schweiß von der Stirn und ordnete seine verworrenen Gedanken, um sich auf die aktuelle Problemsituation zu konzentrieren. Hatte der unheimliche Butler von dem Geheimgang gewusst und sich irgendwo in einem unbekannten Gewölbe versteckt?

    Diese zentrale Frage lief ihm nach, als er in dem unteren Schacht angelangte, der noch flacher war, sodass er sich flach auf den Boden legen musste und auf harten Ziegelsteinen herkroch. Vor ihm rappelte sich Elaine Maria da Silva gerade auf und lief geduckt in die linke Richtung. Eine fast handgroße und schwarze Spinne huschte ihr hinterher. Thomas fröstelte und beschleunigte sein Tempo, in der Hoffnung weiterem Ungeziefer aus dem Weg zu gehen.

             Nach wenigen Metern rappelte auch er sich auf und sah einen quer laufenden Gang, der vor ihm nach links oder nach rechst führte. Die linke Seite schien etwas älter, schmaler und verdreckter zu sein, während man im rechten Teil fast aufrecht gehen konnte. Zudem ging der rechte Teil noch ein Stück in die Tiefe und verschwand in einer dunklen Biegung.

    Thomas blieb keine andere Wahl als dem eingeschlagenen Weg des Schweden zu folgen und krabbelte nun seinerseits durch einen leicht ansteigenden Schacht. Weit vor sich sah er die Umrisse des schwarzen Rockes der Brasilianerin und die helle und sanfte Haut ihrer makellosen Beine.

    Mit einem Mal hörte Thomas ein verschrecktes Quieken und bemerkte mit großen Unbehagen eine dicke Ratte, die aus einem dunklen Loch über den Gang kroch und sich ihm näherte. Ihr grauer Schwanz peitschte angriffslustig hin und her und das fiese Tier bleckte seine kleinen, aber spitzen Zähne.

    Thomas zitterte und schlug mit der geballten rechten Faust nach vorne, um den Nager irgendwie zu vertreiben. Die fette Ratte quiekte empört auf und schnappte nach der Faust des Schotten, der diese noch im letzten Moment zurückziehen konnte. Fluchend versuchte er mit der anderen Hand nachzusetzen und sah mit großer Erleichterung, dass der hässliche Nager den Kampf aufgab und in irgendein dunkles Loch huschte. Lediglich der haarige, lange Schwanz hing noch aus dem Loch und zuckte konvulsivisch.

    Mit einem flauen Gefühl im Magen kroch Thomas weiter und sah weit vor sich den flackernden Schein der Taschenlampe. Der enge und ansonsten völlig dunkle Gang machten ihn nervös und als das Licht der Taschenlampe plötzlich ausging, wurde er nur noch nervöser. Um sich herum hörte er ein undefinierbares Rascheln, weiter vorne ein hohles Scharren.

    Thomas kroch in einer panischen Kraftanstrengung vorwärts und erreichte plötzlich das Ende einer weiteren rostigen Leiter. Hektisch rappelte er sich auf und erklomm Sprosse um Sprosse. Nach wenigen Augenblicken hatte er das Ende erreicht und sah zu seiner großen Erleichterung rauch wieder den milchigen Schein der Taschenlampe und zudem einige seltsame Löcher in der Wand, vor denen der Schwede und die Brasilianerin prüfend stehen geblieben waren.

    Auch Thomas stieß nun zu den beiden und blickte angestrengt durch die Löcher, die genau parallel auf seiner Augenhöhe lagen. Angestrengt kniff er seine Augen zusammen und staunte nicht schlecht, als er auf den Gang blickte, in dem sein Zimmer lag. Wenn er sich ein wenig schräg stellte, konnte er sogar seine eigene Zimmertür erkennen. Aus den Augenwinkeln heraus sah er auch Abdullah, der ratlos durch den Gang lief und irgendjemandem etwas zurief.

    „Diese Löcher sind die Augen der Porträts, die auf dem Gang hängen. Wenn der Killer davon wusste, dann konnte er uns praktisch die ganze Zeit beobachten und konnte sich nach einer Tat in diesen Schleichweg zurückziehen.“, bemerkte Björn Ansgar Lykström mit gepresster Stimme, da er auf alle Fälle vermeiden wollte, dass ihn jemand in dem Gang hören konnte.

    „Ich möchte nur zu gerne wissen, wo dieser Gang endet.“, bemerkte Elaine Maria da Silva und war bereits weiter gegangen.

    Zögernd folgte Björn Ansgar Lykström ihr, Thomas bildete das letzte Glied der kleinen Gruppe. Der Gang machte einen leichten Knacks nach rechts und endete plötzlich vor einer Wand, die ein wenig seltsam aussah.

    Prüfend klopfte die Brasilianerin dagegen und mit einem Mal gab das Wandstück nach und fiel mit einem dumpfen Krachen in einem kleinen Raum zu Boden. Die getarnte Wand war nichts Anderes als ein loses Holzbrett gewesen.

    Entschlossen trat Elaine Maria da Silva in den kleinen, dunklen Raum, der völlig verstaubt und stickig war. Auch der schwedische Lehrer folgte ihr und nickte nachdenklich.

    „Ich glaube, dass ich weiß, wo wir uns befinden.“, murmelte er nach einiger Zeit.

    Thomas war inzwischen auch in den Raum getreten, der kaum ausreichend Platz für die drei Anwesenden bot. An den Wänden standen alte Regale, auf denen verrostete Eimer, staubige Lappen oder auch einige Büchsen und Kannen standen. In der Ecke des Raumes stand ein antikes Radiogerät, daneben eine kleine Couch, die völlig heruntergekommen und durchlöchert war. Sogar einige alte Medizinkoffer und Wasserkästen standen hier herum.

    „Heraus mit der Sprache.“, forderte die Brasilianerin den Schweden ungeduldig auf.

    „Das ist der alte Vorratsraum des Schlosses. Der Raum wird seit Jahren nicht mehr genutzt, so weit ich weiß. Die Tür auf dem Gang ist völlig unscheinbar und von außen verschlossen und wohl niemandem mehr zugänglich.“, bemerkte der Schwede.

    Doch die Überraschungen rissen nicht ab. Thomas blickte auf eines der Regale und hob zufällig prüfend eine noch nicht verstaubte Wasserflasche hoch, sowie zwei milchige Plastikbehälter in denen eine undefinierbare Flüssigkeit schwamm. Daneben lagen zusätzlich noch zwei Plastikspritzen. Für Thomas ließen diese Entdeckungen nur einen einzigen Schluss zu.

    „Nicht ganz. Hier muss vor kurzem jemand gewesen sein. Nach diesen Instrumenten zu urteilen, haben wir eines der Schlupflöcher des Mörders gefunden.“, entgegnete der engagierte Schotte mit pochendem Herzen und sah seine beiden schreckensbleichen Begleiter grimmig dabei an.

     

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