• Kapitel 23: Donnerstag, 9 Uhr 56, Speisesaal



    Weniger als eine halbe Stunde war seit der zweiten bedrohlichen Entdeckung des Tages vergangen, als Thomas und Mamadou in frischen Anziehsachen den Speisesaal betraten, der sich schon weitestgehend gefüllt hatte. Ein unruhiger Direktor lief am Tischende hin und her und klatschte entschlossen in die Hände, als er die beiden Ankömmlinge sah. Diese nahmen rasch Platz. Thomas warf einen Blick auf seine beiden Sitznachbarinnen. Elaine Maria da Silva wirkte ruhig, lächelte ihm süffisant zu und wirkte in keiner Weise beunruhigt, während Paola Francesca Gallina kreidebleich war und nervös mit ihren geradezu sehnigen Händen auf der Tischkante herumtrommelte.


    „Meine sehr verehrten Gäste. Auf Grund des gestrigen Todesfalls möchte ich ihnen mitteilen, dass wir, da die Leitungen lahm gelegt sind, uns genötigt fühlen diese Insel und das Schloss noch heute zu verlassen. Um ihnen die Zeit einzuräumen ihre Sachen zusammenzupacken und noch in aller Ruhe Mittag zu essen, schlage ich ihnen vor, dass wir uns um exakt 15 Uhr an meiner Yacht treffen.“, teilte der Direktor mit nervösem Tonfall mit und sah sich lauernd um.


    „Eine Frage, Herr Direktor. Werde ich mir kurz zuvor noch erlauben dürfen das Schiff ein wenig näher zu betrachten? Sie versprachen mir bei unserer Ankunft gestern, dass sie mir noch den Maschinenraum zeigen wollten.“, meldete sich Fatmir zu Wort und erntete für eine solche Lappalie einen frostigen Blick des Direktors.


    „Von mir aus dürfen sie sogar die Maschinen anmachen und die Yacht steuern, wenn es Ihnen beliebt.“, gab Doktor Marcel Wohlfahrt mühsam knurrend zurück.


    Mürrisch wandte er sich an die verbleibenden Gäste und eröffnete das Frühstück, als sich nun auch Paola Francesca Gallina fingerschnipsend zu Wort meldete.


    „Herr Direktor, ist an dem Gerücht etwas dran, dass es sich bei dem gestrigen Vorfall um einen Mord handelt?“, fragte die Italienerin nervös.


    „Nein. Es gab keinen Mord und so wahr ich hier stehe wird es in meinem Schloss auch keinen Mord geben!“, fuhr er sie an und schlug wütend mit der Faust auf den Tisch, sodass dieser bedrohlich wackelte, während die Fragende sich ängstlich zurückzog und sich nervös und pikiert umsah.


    In diesem Moment trat Jeanette Rodin-Gagnon in den Speisesaal. Der Direktor schien vorher übersehen zu haben, dass noch nicht alle Personen anwesend gewesen waren. Die Französin wirkte seltsam bleich und als noch erstaunlicher empfand Thomas die Tatsache, dass sie in ihrer linken Hand ein Rosenbouquet hielt. Nervös taumelte die bildhübsche Dame auf Thomas zu, der sich instinktiv erhob und ihr verwundert entgegentrat.


    Die restlichen Gäste tuschelten nervös und blickten der Französin eher feindselig, als besorgt entgegen. Offenbar brachte man sie insgeheim mit dem gestrigen Vorfall in Verbindung.


    „Was zur Hölle...?“, fragte Thomas, der als Einziger mit einer düsteren Vorahnung vor Schreck aufgesprungen war, doch er hatte seinen Satz noch nicht einmal beendet, als die junge Französin plötzlich die Augen verdrehte und ihm entgegenfiel. Die Rosen ließ sie dabei fallen, sodass sie wild zerstreut auf dem Boden lagen.


    Thomas fing Jeanette sofort auf und ging mit ihr in die Knie. Ihr Gesicht wirkte blass und unbeweglich, ihre Augen waren geschlossen. Voller Angst fühlte er ihre schweißnasse Stirn und sprach sie nervös an, doch sein großer Schwarm zeigte keinerlei Reaktionen. Verwirrt tastete er nach ihrem Puls und wollte sie auf die Beine zerren, doch da brach ihr Körper in sich zusammen und glitt zu Boden. Dumpf schlug sie inmitten der Rosen auf und rührte sich nicht.


    Thomas ging in die Knie, fasste nach der zarten Hand der Französin und Tränen schossen in seine Augen. Kopfschüttelnd flüsterte er ihren Namen, legte seinen Kopf lauschend auf ihre wohlgeformte Brust, doch er hatte die bittere Wahrheit bereits erkannt und musste den schockierenden Tatsachen leider ins Auge sehen. Er warf seinen Kopf zurück, seine Haarsträhnen hingen wirr über seine tränenverschmierten Wangen. Ächzend holte er Luft und ließ die aufgeschreckten Gäste an seiner Erkenntnis durch einen schmerzerfüllten Schrei teilhaben.


    „Sie ist tot!“

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  • Kapitel 24: Donnerstag, 10 Uhr 02, Speisesaal


    Es herrschte mit einem Mal absolute Stille im zuvor noch so lärmerfüllten Speisesaal. Die Gewissheit der Aussage des trauernden, jungen Schotten ließ selbst die Kühnsten und Vorlautesten unter ihnen erstarren. Manche wandten sich ab, bei anderen flossen still die Tränen und manche blickten starr und ungläubig auf die junge Französin, die vor ihren Augen tot zusammengebrochen war. Niemand kam zu Thomas, um ihm aufzuhelfen oder zu trösten, es rührte sich niemand vom Fleck. Still weinte der schottische Polizist und drückte sein Gesicht gegen die zarte Schulter der Toten. Die Tränen rannen von seinem Gesicht auf ihr farbenfrohes und weit geschnittenes kleid, dass sie am heutigen Morgen trug und welches im krassen Gegensatz zu dem düsteren Wetter und der gedrückten Atmosphäre des Schlosses stand. Es sah beinahe makaber aus, wie Thomas die Tote zärtlich an sich drückte, während Rosen um das Paar herumlagen. Er fühlte dabei keine Scham, er hatte die Menschen um sich herum völlig vergessen und es schien ihn auch niemand stören zu wollen.

     
    Sekunden wurden zu Minuten bevor sich endlich die erste Person rührte. Es war Mamadou Kharissimi, der langsam auf Thomas zutrat und betreten seine Hand auf die zitternde Schulter des Trauernden legte. Mamadou, der sonst so positiv wirkte und immer einen Rat wusste, sah Thomas schweigend und verkniffen an. Draußen schlug ein Blitz mit infernalischem Krachen ein und eine Windbö peitschte den Regen unter ohrenbetäubendem Lärm gegen die Fenster des Speisessaals.

     
    Dies war so etwas wie das Erwachen aus einer düsteren Trance für die meisten Anwesenden. Björn Ansgar Lykström löste sich von Magdalena Osario, die sich ängstlich an ihn gepresst hatte und schluchzend den Kopf schüttelte. Der schwedische Lehrer drängte sich an dem Schlossherrn vorbei, der ihn finster anstarrte und einen Blick auf seine Frau warf, die sich abgewandt hatte und aus dem Speisesaal stürmte. Lykström trat indessen an Thomas heran, der mit tränenverschmiertem Gesicht den Kopf schüttelte. Der Schwede kniete sich nieder, tastete nach dem Puls der Französin und sah sie sich genauer an.


    Mit einem Mal bemerkte er, dass die Tote eine Hand zur Faust geballt hatte. Sie hielt die Spitze eines Papiers umfasst. Der Schwede öffnete die Hand der schönen Französin, die noch zerbrechlicher, aber auch starrer als sonst wirkte. In ihrer Handfläche lag eine angebissene Schokoladenpraline, die sich noch teilweise in einem roten Papier eingewickelt befand.


    Auch Thomas hatte dies bemerkte und zuckte erschrocken hoch. Er kniete sich neben den Schweden und schüttelte entsetzt den Kopf. Als dieser ihn fragend ansah, erhob sich Thomas entrüstet und marschierte eiligen Schrittes aus dem Speisesaal. Niemand machte Anstalten ihn aufzuhalten, doch Mamadou folgte ihm nach kurzem Zögern, während Lykström die Leiche weiter examinierte und dann auf den Direktor zutrat, der emotionslos in die Leere starrte. Der Schwede sprach ihn energisch an, doch erst beim zweiten Versuch blickte der Schlossherr ihn abschätzig an und musterte ihn von oben bis unten. Lykström forderte von ihm, dass er seinen Butler beauftragen solle, den Leichnam der Französin in den Keller zu befördern und unmittelbar die Polizei anzurufen.


    „Was den Leichnam angeht muss ich Ihnen zustimmen, was die andere Sache betrifft, so geht das nicht.“, antwortete er trocken und blickte den Schweden lauernd an. Dieser zeigte sich empört, griff dem alternden Direktor an die Schultern, näherte sich dessen Gesicht mit dem seinen, doch der Schlossherr stieß ihn brüsk zurück und wischte sich demonstrativ den Staub von dem Schulterbereichs eines braunen Anzugs, den der Schwede gerade noch geklammert hatte.


    Lykström wollte protestieren und es sah für einen Moment aus, als wolle er auf sein Gegenüber losstürmen und den alternden Direktor attackieren. Das Gesicht des Schweden verfärbte sich rot vor Zorn und er ballte energisch die Fäuste und kniff seine Lippen zusammen. Mit einem Mal starrten alle anwesenden Gäste auf die beiden und erwarteten mit bedrückender Spannung eine Eskalation. Sogar Thomas war in der Bibliothek stehen geblieben und blickte auf die spannungsgeladene Szene im Speisesaal zurück.


    Doch es kam doch nicht zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung, denn der Schlossherr wandte sich langsam seinen Gästen zu und richtete das Wort an diese.


    „Ich habe eine Weile überlegt, aber ich denke, dass nun die Zeit gekommen ist sie alle aufzuklären, auch wenn es hart ist. Ich mahne sie alle zu größter Aufmerksamkeit und Vorsicht, denn unter uns befindet sich leider Gottes ein skrupelloser Mörder.“


    Die Gäste starrten sich entsetzt an, Aufschreie waren zu hören, einige schüttelten ungläubig ihre Köpfe, musterten ihre Sitznachbarn voller Angst. Paola Francesca Gallina ertrug diesen erneuten Schock nicht und fiel ohnmächtig von ihrem Stuhl. Hamit Gülcan eilte zu ihr, berührte ihr Gesicht und hob die Italienerin in die Höhe. Er näherte sich mit ihr einer altmodischen Ledercouch, die in der Ecke des Speisesaals neben einigen Topfpflanzen stand und bettete sie darauf. Endlich kam auch der Butler zu Hilfe, wenn auch provozierend gemächlich. Unruhig und starr erkundigte er sich, ob er etwas tun könne und wurde von dem sonst eher ruhigen Hamit Gülcan angefahren auf der Stelle ein Glas Wasser zu besorgen. Pikiert wandte sich der Butler ab.


    Inzwischen war Lykström wieder an den Direktor getreten und schüttelte entsetzt den Kopf. Seine Aggressivität war verschwunden und hatte einer offenen Ratlosigkeit Platz gemacht.


    „Was sagen Sie da, Herr Direktor?“


    „Sie haben alle richtig gehört. Malcolm McCollaugh wurde vergiftet, das haben mir gestern Mamadou Kharissimi und Thomas Jason Smith nach ihren Untersuchungen mitgeteilt. Wir wollten selbstverständlich die Polizei rufen, doch dies ist uns nicht gelungen.“, teilte der Direktor mit und blickte sich lauernd um, in der Hoffnung eine verräterische Geste oder Nervosität bei einem der Anwesenden zu bemerken. Es gelang ihm nicht, zudem wurde er von Lykström, der in sein Blickfeld trat gleich wieder abgelenkt.


    „Was meinen Sie denn damit? Drücken Sie sich klarer aus!“


    „Ganz wie Sie wollen, Herr Lykström.“, antwortete der Direktor abschätzig und legte dabei eine besondere Betonung auf die erste Silbe des schwedischen Namens, sodass es wie „Lüg“ klang, was dieser mit einem finsteren Blick registrierte.


    „Sämtliche Telefonleitungen des Hauses wurden durchtrennt. Das Funkgerät der Yacht war heute Morgen ebenfalls zerstört. Irgendjemand will uns manipulieren und scheint unseren Ideen immer um einen Schritt voraus zu sein. Damit ist jetzt Schluss. Wir werden alle gemeinsam heute Nachmittag das Schiff betreten und niemand wird ungesehen irgendeine neue Schandtat beginnen können. Gehen Sie alleine auf ihre Zimmer, packen Sie ihre Sachen und kehren Sie dann unverzüglich zurück in den Speisesaal. Wir werden hier Mittag essen und gemeinsam bis zur Abfahrt hier verweilen.“, schloss der Direktor seine entschlossene Rede.


    Unter den Zuhörern brach ein unwirsches, verschrecktes Gemurmel aus, viele Anwesenden tauschten entsetzte Blicke oder schüttelten ratlos ihre Köpfe. Paola Francesca Gallina brach in Tränen aus und bekreuzigte sich, bevor sie sich zitternd erhob und den Speisesaal verließ. Hamit Gülcan blickte ihr starr und mit hängenden Schultern nach. Thomas stand immer noch in der Tür und blickte starr in den Speisesaal. Mamadou stand schweigend neben ihm und wirkte von der aufgeflammten Wut und Trauer seines Kollegen fast peinlich berührt, denn er wusste damit nicht so recht umzugehen.


    Langsam folgten einige Gäste dem Beispiel der Italienerin und wollten so schnell wie nur irgend möglich ihre Koffer packen. Das vorgesehene Frühstück war längst in Vergessenheit geraten, lediglich die beiden Lehrer und der Direktor setzten sich an den Frühstückstisch, wobei der Österreicher abseits am Tischende saß und Björn Ansgar Lykström, sowie Magdalena Osario sich eng beisammen an der rechten, unteren Seite des Tisches befanden. Der sonst so kühle Butler trat heran und schüttete dem Direktor mit zitternden Händen einen frischen Kaffee aus. Sein Gebieter nahm es mit einem verwunderten Stirnrunzeln zur Kenntnis und der Butler entfernte sich mit steifen, aber raschen Schritten. Im Hintergrund des Raumes baute der Koch ruhig und besonnen einige Tische leer und entsorgte und verpackte einige Speisen, die nun nicht mehr benötigt wurden.


    Die drei Mitglieder der Privatschule schwiegen sich an und aßen lustlos und nachdenklich ihr Frühstück. Selbst der vorzügliche Speck, die knackigen Würstchen und die Spiegeleier schienen ihn kaum mehr zu schmecken. Schließlich ließ die Spanierin ihren Teller geräuschvoll auf ihren Tisch fallen, von dem sie gerade mal einige Bisse genommen hatte. Wütend wandte sie sich an ihren Ehemann, der sie kalt anblickte.


    „Du kannst einfach so ruhig hier sitzen und sagst nichts?“, herrschte sie ihn fragend an und ihre lange, wilde Mähne fiel ihr dabei wirr ins Gesicht.

     
    „Panikmache wäre genau das Falsche an dieser Stelle, liebe Frau.“, erwiderte er gefühllos und biss genussvoll in ein Käsebrötchen.


    „Er hat leider recht. Wir sollten sehen, dass wir die Nerven behalten und so schnell wie möglich von hier verschwinden.“, pflichtete ihm Björn Ansgar Lykström bei, der gedankenverloren sein mit Orangensaft gefülltes Glas fixierte.


    „Aber wir müssen doch herausfinden wer der Täter ist. Am Festland könnte er sich vielleicht schon absetzen.“, begehrte die energische Spanierin auf, die sich nicht unter keinen Umständen unterkriegen lassen wollte.


    „Nicht wenn wir vorher irgendwie die Polizei verständigen.“, gab der Schlossherr lapidar zurück und widmete sich nun seinen Getränken.


    „Hat denn wirklich niemand ein Handy oder vielleicht einen Laptop mit?“, fragte Magdalena Osario erregt.


    „Ich hatte auf die Einladungen ja ausdrücklich geschrieben, dass es ein Aufenthalt der Ruhe und Geborgenheit werden soll, ganz ohne technischen Schnickschnack und Dinge, die uns ablenken könnten.“, erklärte Doktor Wohlfahrt ihr ein wenig arrogant und steif.


    „Ein Aufenthalt der Ruhe! Ein schönes Treffen ist das geworden!“, beklagte sich Magdalena Osario und lachte in einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Sarkasmus.


    „Niemand konnte diese Dinge vorhersehen, so schrecklich sie auch sind. Es gibt keinerlei Spuren, die uns verraten könnten wer der Mörder ist.“, gab der Direktor schulterzuckend zurück und legte sein Besteck beiseite, nachdem er die letzten Bissen verspeist hatte.


    „Nun, vielleicht gibt es doch eine Spur.“, entgegnete Lykström und erhob sich. Aus seiner Hemdtasche nahm er das Papier, was er bei der Toten gefunden hatte, die gerade in diesem Moment von dem Koch und dem wieder erschienenen und sichtbar bleichen, als auch nervös wirkenden Butler in einen Nebenraum abtransportiert wurde. Lykström und Osario starrten den beiden missmutig und mit einem mulmigen Gefühl im Magen nach, während der Schlossherr sich daran gar nicht gestört hatte und sich grinsend den Magen rieb. Nun blickte er aber dem Schweden erwartungsvoll entgegen, der das Papier mit dem Pralinenrest in die Tischmitte legte.


    „Das ist eine edle französische Marke. Die vergifteten Pralinen können nur von jemandem präpariert worden sein, der die Tote bis ins letzte Detail kannte. Er wusste von ihrer Vorliebe für Rosen und Schokolade und hat es geschafft, dass die Französin bei dem Auftauchen dieser Kostbarkeiten keinerlei Zweifel hegte oder Angst hatte diese zu probieren.“, fasste Lykström zusammen und schritt erregt hin und her.


    „Das leuchtet uns allen ein. Allerdings hatte die werte Dame mit so ziemlich jedem männlichen Wesen ein intimes Verhältnis gehabt. Fast jeder könnte demnach von ihren Vorlieben gewusst haben.“, führte der Direktor aus und musterte den schwedischen Lehrer mit einem süffisanten Lächeln, das dieser mit einem grimmigen Blick erwiderte und sich ein wenig ängstlich zu der spanischen Ehefrau des Direktors umwandte, doch diese starrte nur nachdenklich ins Leere.


    „Nun, da haben Sie leider recht. Fast, jedenfalls, mich möchte ich da gerne mal ausschließen. Wenn wir jetzt den Tod von McCollaugh damit in Einklang bringen, dann liegt das Motiv auf der Hand. Ein geschickter Doppelmord aus Eifersucht.“, schlussfolgerte Lykström eifrig.


    „Sie meinen also, einer der anwesenden Herren wäre in die Französin vernarrt gewesen, hat ihren potentiellen Liebhaber ausgeschaltet und danach auch die Unglückliche selbst?“, vergewisserte sich der Direktor und sah das zustimmende Nicken des Schweden.


    Langsam erhob sich der Österreicher und schritt nachdenklich um den Tisch herum, während er sich angestrengt am unrasierten Kinn kratzte. Er trat sehr nah an den Schweden heran und blickte diesen mit grimmigem Blick an. Sein Atem hauchte über das Gesicht des Lehrers und dieser wandte seinen Kopf entnervt zur Seite, als er den überaus schlechten Atem ertragen musste. 


    „Dann wage ich mal die These aufzustellen den Täter zu kennen.“, murmelte der Direktor und blickte in die erstaunten Gesichter der beiden anderen Anwesenden. Nervös hob Magdalena Osario ihre Arme und beugte sich über den Tisch zu ihrem Gatten hin.


    „Wer soll es denn sein?“


    „Thomas Jason Smith.“


    “Wie bitte? Gerade bei ihm kann ich mir das nicht vorstellen. Er ist doch selbst Polizist!“, sprach die Spanierin entrüstet aus.


    „Das mag sein. Er hat sich in der Vergangenheit aber nie kontrollieren können. Er war als Schüler schon rebellisch, hat sich den Regeln wiedersetzt, war stets für Schlägerein oder Alkoholeskapaden zu haben. Zudem hat er ein Motiv. Es wird ja wohl nicht nur mir aufgefallen sein, dass er und Malcolm McCollaugh sich mehr als einmal überaus feindlich angesehen haben, von einigen Gästen habe ich sogar gehört, dass es gestern eine Schlägerei in der Sauna gab zwischen den beiden. Die Schuld wurde zwar auf McCollaugh geschoben, aber der war plötzlich tot. Auch die Beziehung zwischen McCollaugh und dieser französischen Nutte war klar ersichtlich, er läuft ihr immer noch hinterher. Er hat seinen Konkurrenten aus dem Weg geräumt und als die Französin ihn verdächtigte oder keine feste Beziehung mehr mit ihm eingehen wollte, hat er ihr vergiftete Pralinen und Rosen als Liebesbeweis geschickt.“, schloss der Schlossherr seine Erklärungen und blickte die anderen beiden Anwesenden erwartungsvoll an.


    „Nein, so wird es nicht gewesen sein. Wenn er ihr Rosen und Pralinen schickt, dann doch eher, um sie zu beeindrucken und umzustimmen. Er hätte erst einmal abgewartet, wie ihre Reaktion auf dieses Versöhnungsangebot gewesen wäre.“, widersprach die Spanierin ihm energisch und wurde dabei von ihrem schwedischen Geliebten unterstützt.


    „Gerade ein solch emotional gelenkter Mensch wie er, der sich auf Schlägerein einlässt und von dieser Französin einwickeln lässt, der reagiert nicht so analytisch und klug, dass er beispielsweise alle Telefonleitungen kappt. Das passt nicht zu ihm.“, meinte der Schwede.


    „Er ist Polizist, das solltet ihr nie vergessen. Gerade deswegen kann er vermutlich sehr ruhig und geschickt vorgehen, zudem hat er ja auch im Kloster gelebt, ganz so hitzig wie zu früheren Zeiten ist er nicht mehr.“, argumentierte Doktor Wohlfahrt und fixierte seine Frau.


    „Ich weiß nicht, es gäbe genügend andere Möglichkeiten.“, meinte diese nach kurzem Zögern und klang doch weniger überzeugt, als noch vor einigen Momenten.


    „Du scheinst ihn ja zu mögen, so wie du ihn in Schutz nimmst. Na ja, welchen Mann magst du auch nicht, aber vielleicht widersprichst du mir ja einfach nur, weil du mich verärgern willst und nicht weil du selbst überzeugt bist.“, konterte der Schlossherr kalt und es herrschte mit einem Mal wieder eine frostige Stille im Speisesaal. 


    Thomas hatte sich inzwischen unbemerkt abgewandt und in die Bibliothek zurückgezogen. Vor lauter Entrüstung hatte er nicht einmal die Möglichkeit gefunden sich in irgendeiner Weise zu rechtfertigen oder zu verteidigen. Er hatte also mit seiner gestrigen Vermutung bereits recht gehabt. Ein Teil der Gäste sah in ihm einen potenziellen Mörder un dieses Misstrauen verletzte ihn tief. Schließlich hatte er als einer der ersten konkret agiert und tat als einzige Person etwas dafür sich und auch alle Anderen zu retten. Und so wurde dies dem gutmütigen Retter nun gedankt. Thomas war einfach nur enttäuscht, doch er sagte sich, dass er von dem feindseligen und arroganten Mob auch keinerlei Anerkennung oder Hilfe hätte erwarten können. Dass man aber gleich so weit ging und ihn ganz offen beschuldigte, das fand selbst er, der keinerleich Erwartungshaltungen mehr hatte, skandalös. Er hatte genug gehört, schüttelte verbittert den Kopf und trat energisch in Richtung des Eingangsbereiches. Selbst Mamadou hatte Probleme mit dem forschen Schritt des Schotten mitzuhalten. Ächzend lief er hinter ihm her.


    „Thomas, ich kann ja verstehen, dass dich diese Anschuldigungen hart treffen, aber du kannst es diesen Leuten nicht verübeln. Ich weiß, dass du nicht dahinter steckst und werde alles dafür tun, um dies auch zu beweisen.“, bot der Ghanaer seinem Kollegen hilfsbereit an und dieser hielt tatsächlich kurz in seinem Schritt inne und nickte dankbar.


    „Es ist gut zu wissen, dass man sich in so einer Situation auf jemanden verlassen kann.“, erwähnte er und blickte angestrengt an dem unheimlichen Springbrunnen mit der monströsen Schlange vorbei auf den Zimmerflur.


    „Was hast du jetzt vor?“, wollte Mamadou wissen, der den forschenden Blick seines Kollegen sofort richtig gedeutet hatte, was dieser mit einem anerkennenden Nicken zur Kenntnis nahm.


    „Wir sollten anfangen konkretes Beweismaterial zu sammeln. Nur so kann ich mich selbst vor solchen Anschuldigungen schützen und die wahre Identität des Mörders entlarven.“, erwiderte der Schotte grimmig und trat ohne zu zögern auf die breite Treppe. Er wollte nicht im Selbstmitleid versinken und sich vom Defaitismus der Anderen übermannen lassen, sondern ruhig bleiben und weiterhin agieren. Und dieses Mal wollte er es besser machen als am gestrigen Abend.


    Mamadou hielt kurz inne, bevor er seinem Kollegen etwas weniger entschlossen folgte.

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  • Kapitel 25: Donnerstag, 10 Uhr 29, Speisesaal

    „Du lässt dich generell viel zu leicht von irgendwelchen illusorischen Gefühlen leiten. Ein wenig mehr Realismus und Besonnenheit täten dir ganz gut, dann würdest du auch ganz klar erkennen, wer für eine solche Taten Frage kommt, anstatt hier ideenlos zu argumentieren!“, kritisierte Doktor Wohlfahrt gerade seine eigene Gattin, die wie ein Raubtier in einem Käfig nervös durch den Speisesaal lief und dabei unbewusst an ihren Fingernägeln knabberte.


    Björn Ansgar Lykström wollte irgendetwas erwähnen, um seine Geliebte zu verteidigen, die sich in den letzten Minuten von ihrem Gatten in ein giftiges Streitgespräch hatte drängen lassen, und den finsteren Direktor in die Schranken zu weisen, doch in diesem Moment betraten Mamadou Kharissimi und Thomas Jason Smith aufgeregt den Speisesaal und traten zu ihnen.


    Thomas hatte inzwischen ein paar Handschuhe angezogen, die er eher zufällig mitgebracht hatte und hielt in ihnen ein edel erscheinendes Briefpapier. Wortlos entfaltete er den Brief und legte ihn in die Mitte des Tisches. Alle Anwesenden vergaßen die vorhergegangenen Streitereien und scharten sich neugierig und nervös um den grimmig blickenden Schotten. In einer Mischung aus Entsetzen und Unglauben lasen sie gemeinsam die eng verschnörkelte, aber durchaus lesbare Schrift. Thomas las den Inhalt noch einmal mit leicht zitternder Stimme vor, während die Anderen ihm mit gemischten Gefühlen dabei zusahen.


    „Liebe Jeanette, ich schicke dir diese kurze Nachricht, um mich noch einmal für mein ungestümes Vorgehen gestern Abend zu entschuldigen. Ich weiß, dass du viel durchmachen musstest. Ich versichere dir, dass ich alles daran setzen werde den Mörder von Malcolm zu finden. Als kleine Entschädigung für mein fehlerhaftes Verhalten, schicke ich dir diese Schachtel, mit den Pralinen, die du damals schon immer so sehr gemocht hast. Zudem habe ich mir erlaubt dir einen kleinen Strauß mit fünfzehn Rosen dazu zu geben. Ich hoffe, dass sie dir gefallen, ich habe sie heimlich aus dem Garten des Schlosses entwendet. Wie du siehst, mir ist nichts zu teuer und umständlich für dich. Trotz aller Gefahren und dem schlechten Wetter, habe ich die gestrige Nacht damit verbracht dir irgendwie eine Freude zu bieten. Du bist mein Sonnenschein, egal wie dunkel die Wolken des Schicksals auch sein mögen. Du bist meine ewige Liebe und tausend Worte könnten nicht genug sein, um das auszudrücken, was ich für dich seit jeher fühle. Allein für dich hat sich meine Teilnahme an diesem Ausflug gelohnt. Herzliche Grüße von deinem ewigen Verehrer – Thomas Jason Smith.“, schloss der schottische Polizist mit brüchiger Stimme.


    Die Anwesenden starrten sich schweigend und betreten an. Thomas erwartete wieder irgendeine negative Reaktion, doch die erfolgte zunächst nicht. Jeder schien auf seine Art und Weise im Stillen die neuen Erkenntnisse erst einmal zu verdauen. Thomas schluckte und blickte nervös seine Mitmenschen an. Der Schweiß lief ihm aus allen Poren, er bekam mit einem Mal viel schlechter Luft und schwankte leicht einen Schritt nach hinten. Mit einem drückenden Gefühl im Magen betrachtete er den Schuldirektor, der ihn mit unverhohlener Feindseligkeit anblickte und triumphierend und grimmig zugleich lächelte. Seine Frau blickte konsterniert weg vom Tisch und hatte ihre Arme auf die Tischplatte gestützt. Traurig schüttelte sie den Kopf. Neben ihr stand ihr schwedischer Liebhaber, der missmutig auf den Brief starrte, als ob er nur eine Sinnestäuschung wäre. Mamadou hatte sich neben die Tischplatte gekniet und kraulte sich nervös an seinem Kinn.


    „Ihr sagt alle nichts.“, stellte Thomas nach einigen Momenten des Schweigens halb wütend, halb enttäuscht fest. Auch jetzt reagierte keiner der Anwesenden und Thomas ging kopfschüttelnd hin und her und ließ sich schließlich kraftlos auf einen Stuhl fallen. Nervös verbarg er sein Gesicht in den Händen und atmete tief durch.


    „Ich habe diesen Brief im Zimmer von Jeanette gefunden, direkt auf ihrem Bett, neben der angebrochenen Schachtel mit den Pralinen. Sie müssen heute Morgen vor ihrer Tür gelegen haben.“, erläuterte Thomas nach einiger Zeit.


    Die Anwesenden reagierten nicht, sondern wirkten immer noch überrascht. Nervös räusperte sich der Schlossherr und lächelte Thomas höhnisch entgegen. Seine Gattin blickte nur betreten zu Boden und unterdrückte ihre Tränen, während ihr Liebhaber nah bei ihr stand, geistesabwesend ihre Hand hielt und Thomas eingehend musterte.


    „Ich weiß, was ihr jetzt von mir denkt.“


    Thomas hob seinen Blick, doch niemand blickte ihn an. Diese Einsamkeit und Ignoranz schmerzte ihn viel mehr, als eine offene Kritik, mit der er zunächst gerechnet hatte. Ungehalten sprang er auf und ließ seinem Unmut endlich freien Lauf.


    „Es ist aber nicht so wie ihr denkt. Ich bin kein Mörder. Genauso wie gestern das Trikot und der Liebesbrief von Jeanette präpariert worden sind, so wurde ich heute das Opfer der Person, die hinter all diesen Ereignissen steckt. Ich hätte euch ja wohl unmöglich den Beweis zu meiner eigenen Schuld jetzt abgeliefert, das müsst ihr doch einsehen! Ich weiß nicht, warum dieser erbärmliche Mörder uns alle gegeneinander aufhetzen will, aber wir müssen genau das Gegenteil von dem tun, was er erwartet. Wir müssen zusammenhalten und die Sache aufklären.“, sprach der junge Schotte sie voller Elan und Verzweiflung an.


    „Er hat recht. Gestern ist er im Zimmer des Toten niedergeschlagen worden, nachdem er einen gefälschten Liebesbrief an Malcolm, signiert von Jeanette, dort gefunden hatte. Der Täter verteilt jedem Opfer ein Geschenk und sobald er oder sie dieses öffnet oder benutzt, ist das endgültige Todesurteil praktisch unterschrieben. Die Person, die all dies tut, muss uns alle sehr gut kennen, sowohl die Vorlieben, als auch Beziehung der Toten und Verdächtigen untereinander.“, pflichtete Mamadou ihm schließlich bei und blickte die drei anderen Anwesenden erwartungsvoll und beinahe sanft an.


    Unwirsch erhob sich der Schlossherr aus seiner starren Position und fuchtelte wild mit den Händen in der Luft.


    „Sie versuchen uns hier irgendetwas von einer Verschwörung einzureden und verdrehen die Tatsachen. Mich legt ihr nicht rein. Ich werde jetzt auf der Stelle meinen Butler rufen und er wird diesen Mörder fesseln und knebeln und in die Maschinenräume meiner Yacht verfrachten. Sobald wir die Küste erreicht haben, werden wir ihn der örtlichen Polizei überliefern.“, erklärte er mit vor Wut zitternder Stimme und wies anklagend auf Thomas Jason Smith, der verbittert den Kopf schüttelte.


    „Jetzt sind Sie verzweifelt und suchen nach dem erstmöglichen Sündenbock.“, warf Mamadou ihm vor und in diesem Moment rastete der alte Direktor völlig aus.


    Er eilte unwahrscheinlich behände auf den Afrikaner zu, näherte seinen drohenden Zeigefinger furchtlos ganz nah dessen Gesicht an und blickte ihn mit unbarmherziger Brutalität an. Sein Gesicht hatte sich rot gefärbt und er atmete geräuschvoll ein.


    „Noch bin ich der Herr in diesem Schloss und ich werde bestimmen, was zu tun ist. Mir ist völlig egal, was ihr redet. Dieser Mann ist für mich der Schuldige und ihr könnt mir nicht das Gegenteil beweisen oder gar einen anderen Sündenbock liefern.“, ereiferte er sich und wandte sich energisch Thomas zu, der verwundert nach hinten wich und um ein Haar über eine Teppichkante stolperte.


    „Du wirst gar nichts entscheiden. Nicht du bist der Herr des Hauses, sondern ich. Es ist das Schloss meiner Familie und noch bestimme ich hier, trotz deines arroganten Despotismus. Du wirst ihn nicht einsperren.“, mischte sich Magdalena Osario ein und wandte sich erstmals konkret gegen ihren abscheulichen Ehemann.


    Der Österreicher fuhr grob herum, blickte die junge Spanierin erst verdutzt, dann empört an und raste mit einem mal wie ein Irrer auf sie zu. Drohend ballte er seine rechte Hand zur Faust und herrschte sie an.


    „Du wagst es, das Wort gegen mich zu erheben, du undankbare Schlampe?“, schrie er außer sich und beschleunigte seine Schritte, als er völlig unerwartet von der Seite einen Hieb gegen die Schläfe erhielt und brutal zu Boden geschleudert wurde.


    Mit einem Schmerzensschrei fuhr der Direktor herum und blickte in die wütende Fratze des schwedischen Lehrers, der sich breitbeinig und drohend vor ihm aufbaute. Magdalena Osario rannte verschreckt auf ihn zu und klammerte sich ängstlich an seinen Arm.


    „Du hast sie lange genug so behandelt, damit ist jetzt Schluss.“, herrschte Björn Ansgar Lykström ihn an und sah mit Genugtuung, wie sich der Österreicher mühsam und stöhnend aufrappelte. Zunächst sah es so aus, als wolle sich der Schlossherr unmittelbar auf seinen Gegner stürzen, doch mit einem Mal wandte er sich wutschnaubend um und hastete ohne sich umzublicken auf die Tür zu seinem Arbeitszimmer hin, die er wuchtig hinter sich zuwarf.


    „Du hättest es nicht tun sollen, er wird sich furchtbar rächen.“, warf Magdalena Osario ein.


    „Er hat es nicht anders verdient. Unsere Zeit ist gekommen und auch er weiß es und wird es nicht verhindern können.“, antwortete der Schwede mit grimmiger Miene.


    Thomas und Mamadou blickten sich sprachlos an, als der Schwede zu ihnen trat.


    „Wir werden schon gemeinsam zu verhindern wissen, dass er irgendetwas Unüberlegtes tut. Ich denke, wir sollten so schnell wie möglich die Abreise vorbereiten.“, meinte er.


    „Sie glauben also an meine Unschuld?“, fragte Thomas Jason Smith geradeheraus.


    Sein Gegenüber überlegte kurz und fixierte ihn eindringlich, bevor er grimmig mit dem Kopf nickte und ihm die Hand auf die Schulter legte.


    „Sie sind gewiss kein Mörder. Der Typ sind Sie einfach nie gewesen, auch schon zu Schulzeiten nicht. Sie sind zwar emotional und nach außen hin hart, aber sie haben einen weichen und ehrlichen Kern“, erwiderte er einfühlsam.


    Beide blickten sich eindringlich an, bis Mamadou dazwischen trat.


    „Damit wäre das geklärt. Wir sollten uns aber nicht ausruhen. In diesem ominösen Brief war vom Garten die Rede. Irgendwer wird dort die Rosen gepflückt haben, denn wo sollte es sonst welche hier geben. Vielleicht finden wir dort ja irgendwelche Spuren.“, warf er mit neuem Optimismus und Tatendrang ein.


    „So ein Profi macht keine Fehler.“, entgegnete Thomas resigniert, doch Mamadou klopfte ihm auf die Schulter und lächelte tiefgründig.


    „Das gilt es herauszufinden. Jeder macht Fehler.“

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    Kapitel 26: Donnerstag, 10 Uhr 55, Schlossgarten 


    Thomas und Mamadou hatten sich durch den peitschenden Regen und die matschige Wiese gekämpft. Hinter den Vogelhäusern befand sich eine Art Beet, welches notdürftig durch ein schräges Holzdach abgeschirmt war. Der Wind drängte den Regen dennoch mit enormer Wucht in Richtung der Blumen, sodass Thomas große Zweifel daran hatte, ob die Pflanzen die nächsten Tage überleben würden.

     

    Das Beet war in zwei Abschnitte unterteilt. Auf der linken Seite waren etwas erhöht einige Geranien eingepflanzt worden, während auf der anderen Seite einige Rosen ihren Platz gefunden hatten. Der Boden war matschig und die beiden Polizisten waren wie so oft in letzter Zeit wieder einmal bis auf die Knochen durchweicht.

     

     

    Mamadou hatte gerade eine verdächtige Stelle entdeckt und sich gebückt. Einige dornige Rosenstängel ragten wie hilflose Strohhalme aus dem nassen Beet, der Rest der Pflanzen war sorgfältig abgetrennt worden. Der mysteriöse Bote, welcher der toten Französin im namen von Thomas die Rosen ausgeliefert hatte, schien nicht gelogen zu haben und die Pflanzen tatsächlich aus diesem Beet im Verlauf der letzten Nacht entfernt zu haben. Mamadou untersuchte weiterhin die nähere Umgebung, doch nach wenigen Momenten schüttelte er hoffnungslos den Kopf und wandte sich zu seinem schottischen Kollegen um.

    „Hier finden wir sicher keine Spuren mehr. Der Regen hat alles fortgewischt.“, stellte der Afrikaner resigniert fest, doch Thomas wollte nicht aufgeben. Er selbst war in den Verdacht geraten, ein gewissenloser Mörder zu sein und dieser Vorwurf trieb ihn noch weiter dazu an, dem wahren Täter auf die Schliche kommen zu wollen.

     

    Mühsam wühlte er in der nassen Erde herum, wischte sich verbissen die Haarstränen aus dem Gesicht und störte sich nicht daran, dass er mit seinen Armen die Dornen der Rosen touchierte und mehrere blutige Striemen riskierte. Fieberhaft suchte er weiter und auch Mamadou wollte nicht weiter tatenlos umherstehen und unterstützte seinen Freund, auch wenn er dies nach einiger Zeit mit entnervter Miene tat.

     

    Mit einem Mal sah Thomas ein Blinken innerhalb des aufgewühlten grauen Schlamms und griff nach einem Objekt, das wie ein Schlüsselanhänger aussah und völlig verdreckt war. Mühsam kratzte er die feuchte Erde von dem Objekt, kroch aus dem Blumenbeet hervor und zeigte seinem Begleiter den Fund, der mittlerweile auch aufmerksam geworden war.

     

    Der Schlüsselanhänger war etwa fünf Zentimeter lang und ein wenig oval geformt. Thomas warf einen Blick auf das Bild eines älteren Mannes, der vor einer Art Pult stand und einen energischen Blick hatte. Thomas überlegte lange und auch Mamadou machte eine nachdenkliche Miene.

     

    „Ich habe diesen Mann noch nie gesehen.“, stellte der Ghanaer ratlos fest.

     

    „Ich auch nicht. Er erinnert mich an einen Politiker.“, mutmaßte Thomas nach einer Weile des bedrückenden Schweigens.

     

    „Vielleicht sollten wir dann Gwang-jo danach fragen. Er hat immerhin Politikwissenschaften studiert.“, schlug Mamadou vor.

     

    „Ich weiß nicht. Er hat das Studium abgebrochen und wird nicht unbedingt viel wissen.“, entgegnete Thomas mit Zurückhaltung.

     

    „Jetzt hör mir mal zu. Ich kann ja verstehen, dass du von dem Typen nicht viel hältst, aber in solch einer Situation brauchen wir jede Unterstützung. Mir gefällt es auch nicht von so einem hinterhältigen Egomanen abhängig zu sein, aber das ist unsere erste heiße Spur.“, entgegnete Mamadou energisch und hatte den Schotten kräftig an beiden Schultern gepackt und sah ihn dabei scharf an.  

     

    Thomas senkte den Kopf und sah insgeheim ein, dass sein Begleiter ihn durchschaut hatte. Nachdenklich fixierte er das Bild des Mannes noch einmal und erkannte mit einem Mal zwei kleine Buchstaben, die in der unteren Ecke des Bildes undeutliches zu erkennen waren. Thomas kniff die Augen zusammen und wies mit dem Zeigefinger auf die Stelle. Mamadou beugte sich zu ihm und erkannte die Buchstaben mit wachen Augen.

     

    „P.Q.“, murmelte er nachdenklich und wiederholte beide Buchstaben.

     

    „Ich kenne niemanden, auf den diese Initialen passen würden.“, stellte Thomas fest und wog das Fundstück nachdenklich in seinen Händen.

     

    „Es müssen ja nicht unbedingt Initialien sein.“, stellte Mamadou mahnend fest und wollte seinen Gedanken weiter ausführen, als er ein finsteres Knurren hörte.

     

    Auch Thomas hatte das Geräusch bemerkt und fuhr herum. Im dichten Regenfall konnte er das Geräusch nicht genau orten und drehte sich hektisch und verschreckt um die eigene Achse. Mamadou spähte in alle Richtungen und behielt die Ruhe, bis sich das Knurren wiederholte. Jetzt reagierte auch der sonst so besonnene Afrikaner erschrocken.

     

    „Das ist der Wolf!“, hauchte er nervös und blickte unwillkürlich in das nahe Dickicht.

     

    Auch Thomas sah jetzt näher dorthin, als sich das aggressive Knurren ein drittes Mal wiederholte. Er glaubte einen dunklen Schatten zu sehen und seine düstere Ahnung wurde zur Gewissheit, als das Wesen mit behänden Sprüngen aus dem schützenden Wald pirschte und Kurs auf die beiden hilflosen Polizisten nahm. Der Wolf fletschte seine Zähne, die unheimlich fahl blinkten, die graugrünen Augen wirkten erbarmungslos und das Tier schlug einen hastigen Haken. Mamadou riss die Waffe, die er immer bei sich trug aus seinem, aus seiner hinteren Hosentasche, entsicherte sie in aller Eile und taumelte einige Schritte zurück. Thomas hatte sich inzwischen behände umgedreht und sprintete in Richtung des Schlosses, in der Hoffnung schneller zu sein als die Bestie.

     

    Der Schrei seines Kollegen ließ ihn zusammenfahren und er drehte sich eilig um. Der Afrikaner war nicht mehr zum Schuss gekommen und der zügellose Wolf hatte sich mit voller Wucht auf seinen menschlichen Gegner gestürzt. Beide waren hingefallen. Die Bestie stemmte ihre Hinterläufe in den nassen Boden und seine Vorderläufe auf die Brust des Afrikaners, der mit letzter Kraft und beiden Händen die gefährliche Schnauze der Bestie zudrückte, sodass sie nicht mehr zubeißen konnte. Seine Waffe war nutzlos geworden und lag einige Meter von ihm entfernt im Schlamm.

     

    Mit verzerrter Miene kämpfte Mamadou gegen die Urgewalt des Tieres an und seine starken Arme zitterten dabei, während der winselnde Wolf sich von einer Seite zur anderen drehte und seine monströse Schnauze aus der eisernen Umklammerung zu befreien versuchte. Lange würde der Afrikaner den Bemühungen nicht mehr Stand halten.

     

    Thomas musste eingreifen, atmete tief durch und rannte mit pochendem Herzschlag auf die Kämpfenden zu und verschaffte sich mit einem wilden Schrei selbst Mut. Der Wolf zuckte zur Seite, durchbrach die Umklammerung des Afrikaners, spitzte die Ohren und bleckte die Zähne. Er warf dem heraneilenden Schotten einen bösen Blick zu und kümmerte sich nicht mehr um den hilflosen Ghanaer. Stattdessen eilte er geschwind auf sein neues Ziel zu, während Thomas verzweifelt überlegte, wie er dem entfesselten Angreifer noch ausweichen konnte. Er fasste den eiligen Entschluss die Bestie mit einem schnellen Tritt aus dem Lauf heraus ausschalten zu wollen, bewegte seine Arme nach hinten in die Höhe und rückte sich energisch ab. Thomas erkannte mit grausigem Schrecken, dass er nur eine einzige Chance haben würde und bei einem Fehlversuch möglicherweise mit seinem Leben oder zumindest schweren Verletzungen bezahlen müsste. Diese schockierende Tatsache lähmte seine sonst so flinken Bewegungsabläufe und der Schotte kam sich viel zu langsam, ungelenk und wie in Watte gepackt vor, als ob er sich selbst von außen aus einer Zeitlupeneinstellung heraus betrachten würde.

     

    Die Natur spielte dem Schotten gleich zwei Streiche, die seinen Angriff kläglich scheitern ließen. Zum Einen schien der Wolf die Aktion bereits geahnt zu haben und hatte einen gedankenschnellen Haken geschlagen, sodass Thomas das Ziel wohl ohnehin verfehlt hätte. Zum Anderen rutschte er mit dem rechten Standbein auf der nassen Wiese aus, geriet ins Schleudern und fiel hart auf den Rücken.

     

    Er konnte den Sturz noch mit den Armen abfangen, rollte sich zur Seite und wollte aufstehen, als der Wolf bereits mit geöffnetem Maul auf ihn zujagte.

     

    Thomas wusste selbst nicht genau, wie er es noch schaffte, die Faust hochzubekommen, doch er hatte das unwahrscheinliche Glück, dass er mit ihr genau die Augen des Gegners traf, der winselnd aufheulte und mit verlangsamter Kraft auf den Oberkörper des Schotten prallte. Die Bestie sprang von ihm herunter und fuhr herum und begann ihn drohend zu umkreisen. Der Wolf schien sich zunächst von dem Schlag erholen zu wollen, doch das unheimliche Wesen schien bereits zu ahnen, dass seine Beute ihm jetzt nicht mehr entkommen könnte.

     

    Thomas fühlte sich wie gelähmt und zitterte doch am ganzen Leib vor Angst und Kälte. Er verwarf den Gedanken eines schnellen Fluchtversuches direkt wieder, denn damit würde er die Bestie nur weiter provozieren und er wäre zudem in jedem fall langsamer als sie. Der Schotte sah für sich plötzlich keine Möglichkeiten mehr. Die Kreise des Wolfes wurden immer enger und die Bestie starrte ihn aus kalten und ausdruckslosen Augen erbarmungslos an. Das Wesen stemmte sich ein wenig mehr auf die Hinterläufe und war jeden Moment zum Absprung bereit.

     

    Mit einem Schaudern lenkte Thomas seinen Blick von der Bestie ab und starrte in die andere Richtung, wo sich noch sein afrikanischer Kollege befand. Der angeschlagene Mamadou, den Thomas ursprünglich durch seinen Auftritt gerettet hatte, war jetzt seine allerletzte Hoffnung.

     

    In einigen Metern Entfernung stand der Ghanaer, der sich mühsam aufgerappelt und seine Pistole aufgehoben hatte und angestrengt auf den Wolf zielte, der sich jedoch flink um den Schotten herum bewegte, sodass der Afrikaner bei der schlechten Sicht keinen Schuss wagen wollte. Nervös und leicht humpelnd eilte er den beiden Kämpfenden entgegen und hatte mit einem Mal eine gute Schussposition. Er nahm einen tiefen Atemzug, ging in die Knie und blickte in das Gesicht des knurrenden Wolfes, der sich der Gefahr bewusst geworden war und mit einem Mal steif verharrte.

     

    Doch in diesem Moment kam plötzlich alles ganz anders.

     

    Für wenige Sekunden standen Mensch und Tier von Angesicht zu Angesicht in einem tödlichen Kampf gegenüber. Der Moment der Entscheidung war gekommen.

     

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    Kapitel 27: Donnerstag, 11 Uhr 10, Dickicht

     

    Mit einem Mal ertönte ein schrilles Pfeifen, welches weder Thomas noch Mamadou direkt zuordnen konnten. Der Pfeifton wiederholte sich und der lauernde Wolf hatte seine Ohren gespitzt und rannte mit einem Mal fort.

    Mamadou hatte nicht mehr die Gelegenheit auf das Tier zu zielen, zu sehr war er von den Ereignissen in Sekundenschnelle überrascht worden. Er versuchte schnell zu schalten und überlegte nicht all zu lange, sondern entschloss sich das Tier zu verfolgen. Er war überzeugt davon, dass der Pfeifton nicht natürlichen Ursprungs gewesen war, sondern dass jemand das Tier perfekt dressiert und möglicherweise auch auf ihn und Thomas gehetzt hatte. Mamadou verstand nur nicht, warum die Bestie, wo sie kurz davor gewesen war erfolgreich zuzuschlagen, jetzt wieder im wahrsten Sinne des Wortes zurückgepfiffen wurde.

    Mamadou sah wie der flinke Wolf mitten ins dunkle Dickicht sprang und hob ein wenig den Blick. Der Eingang zu dem Pfad, den der Wolf genommen hatte, lag auf einer etwas höher gelegnen Ebene und Mamadou glaubte einen schemenhaften Körper im Dickicht zu sehen. Er hob seine Pistole und sah wie die dunkel gekleidete Person reagierte. Sie lief tiefer in das Dickicht hinein und verschwand ebenso wieder Wolf.

    Thomas hatte sich gerade wieder aufgerafft und konnte sein unglaubliches Glück noch gar nicht so richtig fassen. Im allerletzten Moment war er dem Sensemann noch einmal vom Schippchen gesprungen. Der Schotte wischte sich nervös Wasser und Dreck aus dem Gesicht und beobachtete seinen Begleiter.

    Der afrikanische Polizist wollte sich so leicht nicht geschlagen geben, sondern beschleunigte inzwischen seine Schritte zur Verfolgung. Er hatte die vielleicht einmalige Chance dem mysteriösen Geheimnis auf die Spur zu kommen und möglicherweise sogar den Verursacher der beiden Mordfälle zu entlarven. Der Gedanke daran spornte ihn weiter an und so sprang er voller Elan in das Dickicht, schlug einige Äste zur Seite und schirmte sein Gesicht mit einer Hand ab, um durch den dichten Regenfall und die wilde Vegetation den schmalen Weg noch erkennen zu können. Erneut hörte er das schrille Pfeifen, welches jetzt noch näher klang als wenige Minuten zuvor.

    Der Ghanaer sprang voller Elan über einen umgestürzten Baumstamm, drückte einige Dornenranken zur Seite, die sein Gesicht und seine Arme zerkratzten, doch die Schmerzen nahm er in seinem Adrenalinschub kaum wahr. Eilig nahm er eine scharfe Kurve und stolperte über eine Baumwurzel, doch er fing sich wieder, hastete weiter, rutschte auf dem nassen Untergrund aus und konnte sich doch noch im letzten Moment an einem morschen Baum festhalten. Ächzend trieb er sich weiter an und sprang über eine Wölbung, durch die bei diesem Wetter nun ein Rinnsaal floss, welches schon eine enorme Breite angenommen hatte. Der Weg ging nun leicht bergauf und Mamadou sah sogar einige kahle Felsen, die er geschickt umkurvte.

    Der Pfad wurde immer schmaler und weniger zugänglich und mit einem Mal führte der Weg wieder steiler in die Tiefe und wand sich durch eine Böschung, die nach einigen Metern wieder steiler anstieg. Dort sah Mamadou am höchsten Punkt die Person, die er auch vorher auf der Anhöhe gesehen hatte. Die Gestalt, die in einen schwarzen Umhang mit tief ins Gesicht hängender Kapuze gekleidet war, verharrte, wandte sich um und lachte schallend. Die Stimme verursachte eine eisige Gänsehaut auf dem Rücken des Afrikaners. Er konnte die Stimme in dieser extremen Situation überhaupt nicht zuordnen und doch glaubte er, dass sie ihm früher irgendwo schon einmal begegnet war.

    Mamadou fühlte sich gereizt und legte noch an Tempo zu. Er war so gehetzt und verwirrt, dass er nicht einmal darauf geachtet hatte, ob die Stimme des Unheimlichen männlich oder eher weiblich geklungen hatte, zudem hatte der prasselnde Regen den Klang zusätzlich verfälscht. In einem Schleier aus Regen, Schweiß und Dreck schien alles um ihn herum seltsam zu verschmelzen. Der Afrikaner erreichte die Talsenke und sah, dass sich der Verfolgte nicht rührte und ihn eiskalt beobachtete.

    Die Situation kam dem Polizisten dann doch langsam seltsam vor. Der Verfolgte schien sich trotz allem sicher zu fühlen, das höhnische Lachen war Beweis genug gewesen. Überrascht hielt der Afrikaner inne, warf einen Blick umher und dachte an die wilde Bestie, die ihn jeden Moment attackieren könnte. Er befand sich praktisch auf dem Präsentierteller, mitten in einer Senke, leicht zu beobachten und auch leicht angreifbar.

    Plötzlich kam der Unheimliche wieder in Bewegung, wandte sich mit wallendem Gewand um und verschwand eilenden Schrittes aus dem Blickfeld des Afrikaners, der nach kurzem Zögern einige Schritte nach vorne machte, um die Anhöhe zu erklimmen.

    In dem Moment schnappte die Falle unbarmherzig zu.

    Mamadou hörte ein metallisches Klicken, dann jagte ein stechender Schmerz durch sein linkes Bein und er stürzte schreiend zu Boden. Ein Höllenfeuer schien in ihm zu toben, Schmerzenstränen schossen ihm in die Augen, Blut quoll aus seinen Wunden, der Stoff seiner Hose war zerfetzt. Er versuchte sich zu befreien, doch je mehr er sich bewegte, desto mehr vergrößerte sich auch der unheilvolle Schmerz.

    Erst jetzt besann sich der Afrikaner zur Ruhe, wischte sich mit seiner verdreckten Hand die Tränen aus den Augen und warf einen hilflosen Blick auf sein linkes Bein. Seine Befürchtungen bestätigten sich. Er war mitten in eine Bärenfalle getappt, die unter dem dichten Laub der Talsenke versteckt gewesen war. Vermutlich hatte die verfolgte Person ihn bewusst zu dieser Stelle geführt und die gesamte Umgebung mit diversen Fallen präpariert.

    Stöhnend ließ sich Mamadou zu Boden gleiten, griff nach seiner Waffe, die er kurz fallen gelassen hatte und observierte die nähere Umgebung. Weder der Wolf, noch die ominösen Gestalt schien ihn weiter attackieren zu wollen. Der Afrikaner schüttelte den Kopf. Der Täter hatte wieder mit erschreckender Präzision agiert und alle Ereignisse bereits im Voraus erahnt und er war wie ein amateurhafter Tölpel genau in die vorhergesehene Falle getappt. Er ärgerte sich in diesen Moment viel mehr über seine eigene Naivität, als über die Hinterlistigkeit des Gegners. Die aufkommende Wut ließ ihn den Schmerz kurzzeitig vergessen, lediglich ein heftiges, aber dumpfes Pochen vibrierte in seinem linken Bein. Das Blut rann an den zerfetzten Stoffteilen hinab, tropfte auf seine Schuhe oder ins triste Laub, wo es sich mit dem peitschenden Regen vermischte.

    In dem Moment erschien eine weitere Gestalt, dieses Mal aus der Richtung, aus der er selbst gekommen war. Mamadou brauchte nicht lange zu überlegen, um zu erkennen, wer sich ihm da näherte. Es war kein Geringerer als Thomas, der eilig die Verfolgung aufgenommen und den Weg zu ihm gefunden hatte. Eilig hastete er die Böschung hinunter, stolperte und fiel zu Boden, wo er den Fall mit einer gedankenschnellen Rolle vorwärts abfing und wieder elegant auf die Beine kam. Mamadou schrie ihm eine Warnung zu, denn er dachte daran, dass möglicherweise noch anderweitig irgendwelche Fallen versteckt worden waren.

    Thomas, der sich doch relativ dicht hinter seinem Kollegen befunden und die Ereignisse einigermaßen gut beobachten konnte, reagierte darauf und bewegte sich nun vorsichtiger und mit wachen Augen durch das dichte Laub, bis er schließlich seinen afrikanischen Kollegen erreicht hatte. Mit bloßen Händen und enormer Anstrengung riss er die Bärenfalle auseinander und Mamadou schlüpfte gedankenschnell aus der Falle, bevor Thomas sie nicht länger aufhalten konnte und sie erneut mit einem ins Mark dringenden metallischen Geräusch zusammenschlug.

    Der Afrikaner stöhnte erschöpft und wälzte sich zur Seite. Thomas näherte sich ihm und half dem verletzten Begleiter auf die Beine. Der Ghanaer hatte große Schmerzen und konnte kaum laufen, daher stützte Thomas ihn. Mamadou bis die Zähne zusammen und humpelte auf einem Bein durch das Laub.

    „Ich habe die Person nicht näher erkannt, sie ist mittlerweile ohnehin über alle Berge.“, antwortete Mamadou, bevor Thomas die dazu gehörigen Fragen überhaupt gestellt hatte.

    „Ich habe nicht mehr als einen düsteren Schemen gesehen. Du hast keine Idee wie groß die Person ist, was sie für ein Geschlecht hat, wo sie vielleicht hingehen wollte?“, fragte Thomas beinahe schon verzweifelt.

    „Nein. Sie trug einen riesigen Umhang, ich habe nicht den Hauch einer Ahnung. Ich erinnere mich nur deutlich an ihr Lachen.“, gab Mamadou ächzend zurück.

    „Und?“, hakte Thomas erwatungsvoll nach.

    „Es klang unheimlich, düster, trocken. Vielleicht so wie die Lache des Teufels.“, antwortete Mamadou und schauderte bei dem Gedanken daran, während Thomas betrübt und wortlos zu Boden blickte, da ihm der Vergleich seit den Ereignissen der letzten Stunden überhaupt nicht mehr übertrieben oder gekünstelt vorkam.

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